Kampf gegen Pandemie Die "Corona-Detektive" aus Stendal

30. August 2020, 14:45 Uhr

Eigentlich studieren sie Jura und Psychologie. Doch nun kämpfen Hannah Streng und Moritz Helfrich als "Containment Scouts" gegen die Ausbreitung des Corona-Virus. Warum ihr Job in der Pandemie so wichtig ist.

Daniel George
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Das weiße Schild mit der roten Schrift verrät die Brisanz dieser vier Wände: Corona-Testraum steht an der Tür des Gesundheitsamtes Stendal geschrieben. Der Putz bröckelt ab, tägliche Tristesse. Doch Moritz Helfrich und Hannah Streng lächeln. "Unsere Arbeit", sagt Streng, "macht uns Spaß." Ihr Kollege nickt: "Wir wollten nicht nur zuhause sitzen und zuschauen", sagt er. "Wir wollen helfen, die Pandemie einzudämmen."

Moritz Helfrich und Hannah Streng haben einen der wichtigsten Jobs in der Corona-Krise: Als sogenannte "Containment Scouts" sind sie für die Kontaktververfolgung zuständig. Denn nur, wenn Kontaktpersonen schnell ermittelt und Infektionsketten unterbrochen werden, lässt sich die Pandemie eindämmen. Den Gesundheitsämtern kommt eine Schlüsselrolle zu. Und: "Ohne die Containment Scouts", sagt Iris Schubert, die Leiterin des Gesundheitsamtes im Landkreis Stendal, "hätten wir das alles nicht geschafft."

"Ich wusste nur, wir brauchen Hilfe"

500 Containment Scouts wurden vom Robert Koch-Institut (RKI) in diesem Frühjahr ausgebildet und bundesweit versandt, um die Gesundheitsämter zu unterstützen. Nach "einem bestimmten Schlüssel", wie es von der Bundesbehörde heißt, wurden sie auf die Bundesländer verteilt.

Iris Schubert weiß, dass manche Ämter leer ausgingen, andere einen Scout erhielten, wiederum andere zwei. "Damals wusste ja noch kein Mensch, was Containment Scouts überhaupt sind", sagt Schubert. "Ich wusste nur, wir brauchen Hilfe und habe Bedarf angemeldet." Seit Ende April arbeiten Streng und Helfrich nun beim Gesundheitsamt des Landkreises. Bezahlt werden sie vom RKI.

Beide stammen aus Stendal. Streng studiert Psychologie. Helfrich studiert Jura. Weil das Studium ruhte, wollten sie helfen – dort, wo es in den vergangenen Monaten am wichtigsten war. Ihre Bewerbung beim RKI war erfolgreich. Wird jemand positiv auf das Virus getestet, nehmen die Containment Scouts sogleich Kontakt zu ihm auf. Sie übermitteln den Quarantänebescheid und beantworten Fragen zur häuslichen Unterbringung. Und sie stellen Fragen: nämlich die nach den Kontaktpersonen.

"Wir wollen wissen, mit wem die Person in den letzten Tagen Kontakt hatten, vor allem auch ohne Mindestabstand und ohne Maske, wo sie potenziell andere angesteckt haben könnte", erzählt der 20 Jahre alte Moritz Helfrich. Sind diese Kontaktpersonen dann ermittelt, werden sie über die Situation informiert. Kontaktpersonen von Kontaktpersonen werden zunächst nicht weiterverfolgt. "Das wird erst interessant, wenn auch die Kontaktperson des positiv Getesteten selbst positiv getestet wurde."

Für diese Tests sind die Containment Scouts unerlässlich. In Ganzkörper-Schutzanzugen betreten sie die Wohnungen und führen die Abstriche durch. "Wer unter Quarantäne steht, kann ja nicht einfach so in ein Fieberzentrum gehen und sich testen lassen", sagt Iris Schubert. "Das muss dann vor Ort gemacht werden."

Wir wollten nicht nur zuhause sitzen und nichts tun. Wir wollen helfen, die Pandemie einzudämmen.

Moritz Helfrich, Contrainment Scout aus Stendal

Helfrich erzählt: "Am Anfang haben die Leute schon komisch geguckt, wenn wir mit unseren Anzügen in die Hauseingänge reingegangen sind. Auch jetzt ist natürlich noch ein Stück weit Ungewissheit dabei. Aber ein bisschen haben sich die Menschen mittlerweile schon an den Anblick gewöhnt." Die 24 Jahre alte Hannah Streng bestätigt das: "Mittlerweile wissen die Menschen, wofür das Gesundheitsamt in der Corona-Pandemie zuständig ist und schätzen unsere Arbeit auch." Auch wenn es die Mitarbeiter nicht leicht haben. Schließlich sind sie es, die Maßnahmen der großen Politik den Bürgern erklären und durchsetzen müssen.

Die Angst vor der Ansteckung

Für die Containment Scouts geht es neben den Abstrichen und der Kontaktverfolgung vor allem darum, aufzuklären. Denn: "Viele Leute machen sich große Sorgen, wenn sie mit Corona in Kontakt kommen und sind erstmal geschockt, wenn sie als Kontaktperson eingestuft werden", sagt Moritz Helfrich. "Sie zu beruhigen und keine Panik zu verbreiten, ist für uns eine sehr wichtige Aufgabe."

Doch trotz Ganzkörperschutz schwingt immer auch ein bisschen die Angst mit, sich selbst anzustecken – auch wenn Streng und Helfrich jung sind, nicht zur Risikogruppe gehören. Sie nehmen das jedoch in Kauf, um zu helfen. Helfrich sagt: "Klar, etwas Gedanken macht man sich schon, aber eigentlich sind wir so gut geschützt und wissen, wie wir uns verhalten müssen."

Mittlerweile wissen die Menschen, wofür das Gesundheitsamt in der Corona-Pandemie zuständig ist und schätzen unsere Arbeit auch.

Hannah Streng, Containment Scout aus Stendal

Ihr Arbeitsvertrag endet im Oktober. Ob es ihre Karriere als Containment Scout dann weitergeht, ist noch offen. Das hängt auch von ihrem Studium ab. Für Iris Schubert, die Leiterin des Gesundheitsamtes, steht jedenfalls fest: "Wir würden uns freuen, wenn sie weiter bei uns bleiben würden. Das RKI hat auch schon angefragt, ob weiterhin Bedarf besteht und wir haben das bejaht."

Schubert sagt: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Wir haben zwar nicht mehr so viele schwere Verläufe wie zu Beginn, wo wir die Leute im Krankenhaus auch verloren haben. Aber das Testen ist nach wie vor enorm wichtig. Wir brauchen Leute, die sich damit auskennen und auf die wir uns verlassen können." Im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf die Containment Scouts verzichten zu müssen? "Das", sagt Schubert, "wäre ein Riesenverlust.

Die Corona-Detektive auf Instagram Warum arbeiten Hannah Streng und Moritz Helfrich als Containment Scouts? Haben sie Angst, sich anzustecken? Was ist die größte Herausforderung in ihrem Job? All das erzählen die Stendaler auf der Instagram-Seite von MDR SACHSEN-ANHALT: @mdr_san.

Daniel George
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Daniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.

Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt, in der er seitdem in der Online-Redaktion von MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet – als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.

Quelle: MDR/dg

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. August 2020 | 14:30 Uhr

1 Kommentar

C.T. am 31.08.2020

"...Sie übermitteln den Quarantänebescheid und beantworten Fragen zur häuslichen Unterbringung. Und sie stellen Fragen: nämlich die nach den Kontaktpersonen..."

Zu solch trivilalen Tätigkeiten sind die Beamten der Ämter selbst nicht fähig? Deutschland und sein Wasserkopf...

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