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Podcast "Digital leben"Frei und besser: Open-Source-Software in Sachsen-Anhalt

30. März 2022, 10:16 Uhr

Ohne Freie Software würde die Welt heute nicht mehr existieren. Davon sind Open-Source-Fans überzeugt. Und davon gibt es auch in Sachsen-Anhalt genug: in der IT-Abteilung eines Landkreises, in Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Was sie umtreibt, welche Ideen sie haben und warum sie Open Source auch in Sachsen-Anhalt für die bessere Software halten.

Ein winkender Teddybär. Wenn Martina Müller über Open Source spricht und Anwendungen vorführt, dann bringt sie per Knopfdruck schon einmal einen Teddybären zum Winken. Müller leitet das fünfköpfige Team, das für die IT-Ausstattung der Schulen des Landkreises Harz zuständig ist.

Und Müller ist ein großer Fan von so genannten Open-Source-Lösungen: "Denn dabei kann jeder Interessierte die Funktionsweise der Software einsehen und an seine eigenen Bedürfnisse anpassen", sagt Müller. Und weil man die Software anpassen kann, muss sich niemand an einen Software-Hersteller binden. Sie setzt in ihrer IT-Abteilung für die Schulen im Landkreis Harz zum Beispiel auf das Open-Source-Betriebssystem Linux. An drei Schulen werde es "erfolgreich erprobt", wie Müller sagt. Auch für den Pandemiestab des Landkreises hat Müller im März 2020 innerhalb von kürzester Zeit eine Open-Source-Lösung aufgebaut: für Videokonferenz, Messengerdienst und Cloudspeicher.

Ziel: 12.000 Geräte an den weiterführenden Schulen im Landkreis Harz

Mit ihren fünf Kollegen ist sie für die IT an 36 weiterführenden Schulen in 50 Gebäuden im Landkreis Harz zuständig. Eine Mammutaufgabe, vor allem wenn man sie so ernst nimmt wie Martina Müller: "Unser Ziel ist, dass wir 11.000 Schülerinnen und Schüler und 1.000 Lehrerinnen und Lehrer mit Geräten ausstatten." Und wer 12.000 Geräte verwalten will, braucht dafür einen durchdachten Plan und muss auch die einzelnen Nutzer ermächtigen. Das gehe mit Open Source am besten, davon ist Martina Müller überzeugt.

Was ist Open Source

Open Source – oft auch freie Software genannt – ist Software mit offenem Quellcode. Oft ist sie das Produkt einer Community. Der Quellcode ist die für Menschen lesbare Form des Computerprogramms. Open Source grenzt sich von geschlossener Software, so genannter kommerzieller oder proprietärer Software, ab. Bei ihr ist der Quellcode nicht einsehbar und die Software-Hersteller vergeben oft eng gefasste Lizenzen für die Nutzung. Bei Open-Source-Software darf jeder Nutzer den Quellcode sehen, verändern und sogar weiterverbreiten. Auch bei Open Source gibt es unterschiedliche Lizenzen für die Nutzung des sogenannten Objektcodes (d.h. die nicht menschenlesbare Form eines Computerprogramms). Zum Beispiel wird stets der Name des Programmierers genannt und er kann bestimmen, dass seine Software verändert werden darf und die daraus entstandene neue Software auch als Open Source zur Verfügung gestellt werden muss. Auch bei Open Source gibt es unterschiedliche Lizenzen für die Nutzung. Zum Beispiel fordern einige Lizenzen den Namen des Programmierers zu nennen. Er kann auch bestimmen, unter welchen Bedingungen seine Software verändert werden darf und wie und ob die daraus entstandene neue Software auch als Open Source zur Verfügung gestellt werden muss. Wie der Open-Source-Gedanke entstanden ist und welche unterschiedlichen Lizenzmodelle es gibt, fasst das Buch "Freie Software – Zwischen Privat- und Gemeineigentum" zusammen, das es bei der Bundeszentrale für politische Bildung als kostenlosen Download gibt.

Natürlich sei es den Schulen freigestellt, auch andere Betriebssystem zu nutzen: "Berufsschulen zum Beispiel benötigen mitunter sehr spezielle Programme, die eben nur auf Apple- oder Windowsgeräten laufen." Aber eigentlich geht Müller davon aus, dass sich die alltägliche Computerarbeit an Schulen mit Open-Source-Werkzeugen erledigen lässt. "Wir gucken immer, welche Anwendungen die Schulen nutzen und sehen dann zum Beispiel den VLC-Mediaplayer oder das Grafikprogramm GIMP.  Und das ist ja schon klassische Open-Source-Software." Mit dieser Erkenntnis würden viele Schulverantwortliche die Scheu davor verlieren, auch als Betribssystem eine Open-Source-Software einzusetzen.

Software ist nicht gleich Software: Opern-Source-Software hat schon längst viele Nutzer und Entwickler in Sachsen-Anhalt überzeugt. (Symbolbild) Bildrechte: imago/STPP

Eigenkompetenz statt Produktschulung

Martina Müller argumentiert auch pädagogisch: Sie wolle mit Schülern keine Produktschulung machen, damit diese wüssten, wo sie in Microsoft Word klicken müssten, um etwas kursiv zu machen. "All das kann beim nächsten Update schon wieder anders aussehen. Wir finden es besser, die Kompetenz zu vermitteln, wie man Softwareanwendungen benutzt."

Argumentieren, erklären und Geräte einrichten. Das sei schon anstrengend und mit Überstunden verbunden. "Man muss das schon lieben, was man tut", sagt Müller. Und damit hat sie auch ihren Chef überzeugt – auf seine Unterstützung konnte Martina Müller immer zählen, sagt sie. "Der ist sehr jung und traut sich, etwas zu verändern." Schulträger in anderen Landkreisen in Sachsen-Anhalt sähen das anders, da kämen die IT-Leiter oft aus der Microsoft-Welt. "Und der Benutzer ist ja auf die Gunst des IT-Leiters angewiesen."

Beispiele für Open Source Software

Beispiele für Open-Source-Software sind die Bürosoftware LibreOffice mit Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, der Browser Firefox, das Mailprogramm Thunderbird, den Mediaplayer VLC oder das Grafikprogramm GIMP. Eines der bekanntesten Open-Source-Betriebssysteme für PCs und Laptops ist Linux. Für Smartphones gibt es zum Beispiel LinageOS, das im Kern auch auf Linux basiert.

Selbst die Europäische Flugsicherung nutzt Open-Source-Software. Auch in Android-Smartphone steckt sie drin, genauso wie in Samsung-Fernsehern, WLAN-Routern oder auf den Servern von Cloud-Anbietern wie Dropbox, Googledrive oder Amazons AWS. Weil Open-Source-Software bei diesen Beispielen aber nur einen Teil ausmacht, ist die Gesamt-Software nicht mehr Open Source.

Und Martina Müller hat noch ein sehr schlagkräftiges Argument: die Kosten. "Das ist zwar nie mein erstes Argument, aber bei geschlossenen Systemen werden Lizenzgebühren für jedes einzelne Gerät fällig. Bis zu 4000 Euro pro Jahr pro Schule. Bei Open-Source-Produkten fällt das weg." Trotzdem ist Open Source nicht kostenlos. "Für Wartung und Betrieb entstehen natürlich ähnliche Kosten wie bei geschlossenen Systemen."

Geld verdienen mit Open Source

Und mit der Konzeption, Entwicklung, Einrichtung, Wartung und dem Betrieb von Open-Source-Systemen verdient Dr. Frederik Kramer aus Magdeburg sein Geld. Mit seiner Firma initOS plant er quasi die "IT-Landschaft" für mittelständische Unternehmen, richtet sie ein und wartet sie. "Wir machen das für Start-Ups und verschiedene Handelsunternehmen zum Beispiel mit Software für die Buchhaltung, den Einkauf, den Verkauf, die Versandabwicklung, die Serviceanfrage und so weiter." Für all das gebe es Standard Open-Source-Lösungen, die Kramer und sein Team auf die genauen Wünsche ihrer Kunden anpassten. "Der Wettbewerbsvorteil für unsere Kunden ist: Es fallen keine Lizenzgebühren für die Nutzung von Software an und die Flesxibilität ist gewissermaßen eingebaut."

Das Geschäft von Herstellern wie Microsoft sei immer noch vor allem ein Geschäft mit Produkten bzw. Lizenzen und nicht mit einer Dienstleistung: "Sie können dann eine Software wie Microsoft Office unendlich oft verkaufen, aber mussten sie nur einmal entwickeln." Wenn Kramer bei initOS eine Open-Source-Software für einen Kunden verändert, stellt er die Änderungen in der Regel auch anderen Kunden und praktisch der ganzen Welt zur Verfügung. "Das ist auch der Open-Source-Gedanke schlechthin: dass alle von Verbesserungen profitieren und auch überprüfen können, was in der Software steckt."

Open Source: die bessere Software

Warum Unternehmer wie Kramer bereit sind, ihre Mitarbeiter ein Gemeingut entwickeln zu lassen, hat noch einen weiteren Grund: "Wenn andere Leute das Produkt sehen können, dann etabliert man viel schneller Standards und es entsteht solide, reife Software." Oft hätte die erste Version jeder Software noch Fehler, aber durch den Community-Ansatz käme das Wissen einer Art Schwarmintelligenz hinzu. "Es gibt für Open Source oft weltweite Communities und es ist ein Märchen, dass Open Source ausschließlich von Freizeit-Programmierern und vollkommen ohne Bezahlung entwickelt wird. Etwa zwei Drittel sind ganz normale Arbeitnehmer, die einen Lohn bekommen!"

Und damit lässt sich eben auch Geld verdienen, sagt Kramer und begründet es mit einem Beispiel aus einer anderen Branche: "Das Witzige ist ja: Theoretisch kann jeder ein Auto selbst zu Hause bauen. Aber natürlich entscheiden sich praktisch alle dafür, jemanden professionell das Auto bauen zu lassen." So sei es auch mit Software: Jeder könnte sie theoretisch selbst programmieren, aber es gibt eben Profis dafür und die können damit Geld verdienen und Unternehmen gründen.

Und Frederik Kramer sagt sogar, dass Open-Source-Software einer geschlossener Software gegenüber durchaus überlegen sein kann, wenn Nutzer nicht damit zurecht kommen oder Fragen haben. Jedes prominente Open-Source-Projekt hätte normalerweise eine große Community, die auf Internetseiten oder per Mailinglisten helfen würde. "Das ist viel besser, schneller und oft effektiver als bei einer Service-Hotline, bei der man am Ende einer Warteschleife dann einen Support-Mitarbeiter antrifft, der keine Ahnung hat", sagt Kramer.

"Das ist dann Hilfe zur Selbsthilfe", ergänzt Martina Müller und kommt damit ihrem pädagogischen Gedanke wieder näher: Open-Source-Software ermächtigt ihre Nutzer. Und das ist dann nicht nur pädagogisch sondern vermutlich auch politisch.

Quelle: MDR/mar

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