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EnergiewendeGaspreise und die Folgen des Embargos – Wie ein regionaler Energieversorger reagiert

30. August 2022, 18:42 Uhr

Das Unternehmen Erdgas Mittelsachsen hat 24.000 Kunden, auch in Sachsen-Anhalt. Derzeit werden die nahezu vollständig mit Biomethan versorgt. Das Geld der Kunden fließt also weder nach Russland, noch nach Übersee, sondern bleibt in der Region. Das allerdings klappt nur im Sommer – wenn es kalt wird, reicht das Gas nicht mehr. Die gegenwärtigen Preissteigerungen bei Gas werden wieder zurückgehen, ist sich der Geschäftsführer sicher.

Der Ort Brumby bei Staßfurt liegt dicht an der Autobahn 14 und hat deshalb sogar ein kleines Gewerbegebiet. Das größte Unternehmen vor Ort bezieht seine Produkte allerdings nicht per LKW, sondern durch Rohrleitungen. Die e-ms, die Erdgas Mittelsachsen GmbH, trägt ihren Namen aus historischen Gründen, denn die Wurzeln der Firma reichen in eine Zeit, als die Region noch die sächsische Provinz des damaligen Preußens war.

Die Mehrheitsgesellschafter der e-ms sind zahlreiche Kommunen und kommunale Unternehmen. So wundert es auch nicht, dass die Firmenzentrale kein moderner Glaspalast ist, sondern eher ein nüchterner Zweckbau.

Kunden reagieren verärgert

Geschäftsführer Jens Brenner wirkt nicht übernächtigt und nimmt sich auch Zeit für ein Interview, was man derzeit leider nicht von vielen Managern der Gasbranche behaupten kann. Aber er räumt ein, dass es schon ungewöhnliche Zeiten seien. Da sei er auch unter Anspannung.

Das stresst mich auch persönlich. Aber ich bin nicht so der Mensch, der dann jedes Mal alarmistisch durch die Gegend läuft. Letztendlich sind wir dazu da, diese Probleme zu lösen und beherrschbar zu machen.

Jens Brenner, Chef der Erdgas Mittelsachsen GmbH

Was aber angesichts der aktuellen Debatten nicht sonderlich einfach ist, denn die Kunden reagieren überwiegend verärgert. "Dass die Kunden an vielen Stellen erbost, verbittert und verärgert sind, finde ich vollkommen nachvollziehbar. Wir können es momentan aber nicht in dem Sinne ändern, dass wir uns vom Markt abkoppeln können."

Soziale Gerechtigkeit durch Umlage?

Die Gasumlage soll nach Angaben der Bundesregierung verhindern, dass Gasimporteure wegen der dramatisch gestiegenen Kosten möglicherweise Pleite gehen, da sie nun nicht mehr auf russisches Erdöl zurückgreifen können, sondern Gas deutlich teurer einkaufen müssen. Es gibt also Gasimporteure und Gasverteiler, die em-s aus Brumby gehört zu den letzteren. Also von der Gasumlage hat das Unternehmen nichts, muss sie aber trotzdem erheben. Firmenchef Jens Brenner sieht dazu allerdings keine Alternative.

Die Umlage wird dafür bezahlt, dass die Mehrkosten gleichmäßig auf die Kunden verteilt werden. Ansonsten gäbe es Kundengruppen, die sehr stark betroffen wären. Dann wären das eben keine 2,4 Cent, sondern möglicherweise zehn Cent, je nach dem, von wem der Kunde sein Gas bezieht.

Jens Brenner, Chef der Erdgas Mittelsachsen GmbH

Da die Importeure von Gas nicht die Krise voraussehen konnten, sollen sie nun vor dem Zusammenbruch gerettet werden, um die Gasversorgung in Deutschland nicht zu gefährden. Allerdings können auch Unternehmen von der Umlage profitieren, wenn sie nicht von einer Insolvenz bedroht sind. 

Bioethanol – Gas aus der Region

Derzeit allerdings kommt die e-ms fast vollständig ohne Gasimporte aus, denn was in den Sommermonaten an die die Kunden geliefert wird, stammt nicht aus Russland oder Übersee, sondern wird von Biogasanlagen in der Region produziert. Für e-ms Geschäftsführer Brenner eine durchaus logische Situation: "Weil wir ein regionales Unternehmen sind, arbeiten wir mit Partnern hier in der Region zusammen und ermöglichen so, ihr Biomethan an den Kunden zu bringen, indem wir es in unser Netz aufnehmen." Regionale Wertschöpfung, eine an sich gute Idee, die allerdings ihre Grenzen hat, auch wenn derzeit immerhin sechs Biogasanlagen für die e-ms in Betrieb sind und zwei weitere hinzukommen sollen.

Denn die aktuelle Gaskrise lässt sich auch mit einer stärkeren Hinwendung zu erneuerbaren Energien nicht überwinden: "Man sollte nicht den Fehler machen, zu glauben, dass Biomethan ein Allheilmittel für die deutsche Gasversorgung sein könnte. Es ist nicht einmal möglich 80 Prozent des deutschen Gasbedarfes mit Biomethan zu decken." Derzeit schafft die Erdgas Mittelsachsen immerhin 27 Prozent des jährlichen Gasbedarfs durch die Landwirte der Region abzudecken.

Zudem handelt es sich um einen regenerativen Energieträger, der bei der Verbrennung nicht mehr CO2 erzeugt, als er bei der Produktion, nämlich dem Pflanzenwachstum, gebunden hat. Bislang war Biomethan allerdings teurer als Erdgas. Mit Blick auf die aktuellen Lieferengpässe und die relativ konstanten Produktionskosten von Bioethanol verliert das Erdgas allerdings seinen Kostenvorteil. Auch muss das Biogas nicht aufwändig über die Weltmeere transportiert werden, nur ist es leider nicht in ausreichender Form herzustellen.

Normalisierung auf höherem Niveau?

Dass die Preise auf dem gegenwärtigen Niveau verharren werden, davon geht Jens Brenner nicht aus. Aus seiner Sicht wird sich bereits nach dem Winter zeigen, dass die Abhängigkeit von russischem Gas gesunken ist. "Das ist eigentlich unser Hauptproblem, dass wir uns in den vergangenen Jahren dazu sehr von einem einzigen Lieferanten abhängig gemacht haben. Wir haben uns zu sehr auf den kurzfristig günstigen Preis fixiert und die Sicherheit der Belieferung weniger in den Mittelpunkt gestellt."

Wir haben uns in den vergangenen Jahren zu sehr von einem einzigen Lieferanten abhängig gemacht.

Jens Brenner, Chef der Erdgas Mittelsachsen GmbH

Allerdings erwartet der Gasmanager erst für das Jahr 2024 eine Normalisierung des Gasmarktes und damit einhergehend auch eine Normalisierung des Preises: "Ich glaube nicht, dass der Preis auf dem aktuellen Preisniveau verharren wird. Selbst flüssiges Erdgas ist in den vergangenen Jahren deutlich günstiger gehandelt worden als jetzt. Und es hat sich an den Produktionskosten für dieses Medium ja nicht wirklich etwas geändert."

Aber eine Rückkehr zu den alten Preisen wird es wohl nicht geben, und das nicht nur wegen der CO2-Steuer, die steigen wird: "Der Gaspreis wird wohl nicht auf das Niveau von 2020 sinken. Da hatten wir auch noch Corona und ähnliche Aspekte, die den Markt beeinflusst haben. Aber er wird deutlich niedriger ausfallen, als er jetzt ist." Aber wie sagt Jens Brenner von sich: Es sei nicht der Mensch, der jedes Mal alarmistisch durch die Gegend rennt.

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MDR (Uli Wittstock, Hannes Leonard)

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