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Vereinsleben und CoronaEngagement in Vereinen verblasst

23. Januar 2022, 18:40 Uhr

Arbeit ist nicht alles im Leben. Es braucht einen Ausgleich zum Alltag. Tausende Sachsen-Anhalter und Sachsen-Anhalterinnen finden den in Vereinen wieder. Doch die Corona-Pandemie hat das Vereinsleben in Sachsen-Anhalt stark durcheinandergewirbelt. Ein Stimmungsbild von Birgit Bursee, Leiterin der Freiwilligen-Agentur Magdeburg.

Die letzte Schulglocke des Tages läutet, der Hammer wird in die Werkzeugkiste zurückgelegt oder das Kind dem Partner übergeben – denn jetzt beginnen Karate, Theater oder Yoga.

All das und noch einiges mehr ermöglichen Vereine. Ganz egal, ob im Sport oder der Kultur: Sie bieten einen Ausgleich zu Arbeit und Alltag und geben einem die Möglichkeit, neue Dinge zu erlernen, sich zu engagieren und in Austausch zu treten. Doch die Corona-Pandemie hat das Vereinsleben in Sachsen-Anhalt stark durcheinandergewirbelt. Die Vereine bangen um ihren Nachwuchs und dadurch um den eigenen Erhalt.

Weniger Vereine durch Corona neugegründet

Vorerst ein Blick auf die Zahlen: Laut Vereinsregister sind in Sachsen-Anhalt zum Ende des Jahres 2021 etwa 19.200 Vereine registriert gewesen, so das Amtsgericht Stendal auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Dort werden die Zahlen für das Bundesland gesammelt. 2017, also vor Corona, waren es fast genauso viele. Auf den ersten Blick ist zwischen 2017 und 2021 die Anzahl der Vereine so gut wie unverändert. Corona scheint den Vereinen nichts ausgemacht zu haben – könnte man zumindest meinen. Doch diese Schlussfolgerung ist falsch.

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Laut Amtsgericht ist anhand der Bestände, Neugründungen und Löschungen erkennbar, dass in den Corona-Jahren im Vergleich knapp 20 Prozent weniger Vereine neugegründet und 15 Prozent weniger gelöscht wurden. Dass die Anzahl der Vereine auch während Corona ähnlich hoch bleiben, hat laut Pressesprecher des Amtsgerichts mit den Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen zu tun. Da fast genauso viele Vereine bestehen bleiben, die sonst aufgelöst worden wären und ähnlich viele Neugründungen fehlen, bleibt es bei – mehr oder minder – "Plus minus Null".

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Wie es aber den Vereinsmitgliedern geht, können die Zahlen nicht verraten. Birgit Bursee, Leiterin der Freiwilligenagentur-Magdeburg, allerdings schon. Die Agentur bringt Menschen und Vereine zusammen und fördert so bürgerschaftliches Engagement – das sieht durch die Corona-Pandemie so unterschiedlich aus, wie die Vereine selbst.

Es geht nicht allen gleich schlecht

Laut Bursee gibt es Vereine und Organisationen, die mit der aktuellen Situation recht gut klarkommen und die auch schnell auf alternative Kommunikationswege umsteigen konnten. Auf der anderen Seite, sagt sie MDR SACHSEN-ANHALT weiter, gibt es viele Vereine, bei denen es anstrengend und kompliziert sei, zusätzlich entstandene Anforderungen umzusetzen.

Da muss man natürlich sehen, dass ein komplett ehrenamtlich geführter Verein weniger Zeitressourcen hat, um sich um solche Umstellungen zu kümmern.

Birgit Bursee | Freiwilligen-Agentur Magdeburg

Hinzu komme auch die Frustration der Mitglieder, weil keiner weiß, wie lange dieser Corona-Zustand anhalte.

Vereine mussten aber schon immer mit Problemen und Herausforderungen kämpfen – auch vor der Pandemie. Wie es einem Verein gerade geht, hängt laut Birgit Bursee auch damit zusammen, wie gut ein Verein aufgestellt ist und wie viel Lust und Energie die Mitglieder haben, um Herausforderungen zu bewältigen.

Viele Vereinsmitglieder könnten austreten

Viele Vereine haben jetzt allerdings das Problem, dass Mitglieder aus ihren Vereinen austreten könnten. Das ist laut Leiterin der Freiwilligen-Agentur zwar unterschiedlich ausgeprägt, sie gehe aber davon aus, dass viele die Distanz durch die Kontaktbeschränkungen genutzt haben, ihr Engagements zu beenden.

Bursee erklärt, dass ein Austreten nicht unbedingt beabsichtigt sein muss. Es gäbe einfach nichts mehr zu tun für viele Mitglieder, sodass sie sich dem Verein nicht mehr zugehörig fühlten und nach Corona gar nicht mehr zurückkämen. Das, sagte Bursee, werde sich aber erst dann richtig zeigen, wenn alle Beschränkungen aufgehoben sind.

Beispiel: Sportvereine haben über 10.000 Mitglieder Verlust

So wird es auch bei den Sportvereinen in Sachsen-Anhalt sein, von denen viele allerdings schon jetzt mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben. Mehr als 10.000 Mitglieder gingen seit Ausbruch von Corona verloren, meldete schon vor Monaten der Landessportbund.

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Seit Herbst 2021 läuft eine Kampagne, um sie zurückzuholen und um neue Mitglieder zu werben. Vor Kurzem versprach das für Sport zuständige Innenministerium weitere 4,4 Millionen Euro Hilfe. Damit will das Land nach eigenen Angaben der Vereinsarbeit Rechnung tragen – und dafür sorgen, dass wieder mehr Sachsen-Anhalter sportlich aktiv sind.

Weiterentwickeln – auf die eine oder andere Art

Damit Kontakt und Engagement nicht abreißen, müssen sich die Vereine auf die eine oder andere Art weiterentwickeln, so Bursee, denn der klassische Gang ins Vereinshaus war und ist teilweise nicht möglich. Als Stichworte nennt sie hier "digitales und ortsunabhängiges Engagement". Das sei momentan ein ganz großes Thema mit viel Potenzial, verrät sie.

Wir haben gemerkt, dass auch Unterstützungsmöglichkeiten von Zuhause aus denkbar sind. Wenn man an die Nähaktionen denkt, die viele Freiwillige angeschoben haben, als das mit den Masken noch so ein dringliches Thema war, da haben dann Leute zu Hause gesessen und Dinge hergestellt.

Birgit Bursee | Freiwilligen-Agentur Magdeburg

Distanz habe Vorteile für mobil eingeschränkte Menschen

Laut Leiterin sollte es zwischen Präsenz und digital zukünftig eine gute Mischung geben. Eine Distanz habe nicht nur Nachteile, sagt sie. Dabei denkt sie an Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Durch die digitalen Wege, haben die Menschen eine Chance, sich einzubringen, die sonst nicht ins Vereinshaus kommen, so Bursee.

Engagement wird bleiben

"Insgesamt mache ich mir aber nicht so viel Sorgen, dass das freiwillige Engagement irgendwie drastisch zurückgeht oder ausstirbt", sagt Birgit Bursee. Das Engagement bekomme schließlich nur andere Formate und andere Formen.

Für sie habe Corona die Entwicklung auch ein bisschen vorangetrieben. Freiwilliges Engagement wird insgesamt flexibler, projektorientierter und es gebe wahrscheinlich weniger Bindung zu einzelnen Organisationen, die über viele Jahre gehalten wird. "Das wird sich so fortsetzen", so Bursee.

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MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. Januar 2022 | 08:00 Uhr

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