Leben und SterbenFaszination Friedhof: Diese fünf Orte sind einen Besuch wert
Friedhöfe sind keineswegs ausschließlich Orte der Trauer und des Erinnerns. Auf viele Menschen üben sie eine besondere Faszination aus. Sei es wegen ihrer speziellen Architektur, moderner Gestaltungsformen oder wegen der Geschichten, die sie erzählen. Diese fünf besonderen Friedhöfe in Sachsen-Anhalt sollten Sie kennen.
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Die Toteninsel auf Halles größtem Friedhof
Der Gertraudenfriedhof in Halle ist mit einer Fläche von 37 Hektar der größte Friedhof der Saalestadt. Das Besondere dieses Friedhofs, der unter Denkmalschutz steht, ist seine gewaltige Trauerhalle. Und die Tatsache, dass sich hier Architekten, Bildhauer und Künstler ein Denkmal setzen durften. Dass sich die imposante Trauerhalle im davor liegenden Wasserbassin spiegelt, ist kein Zufall, weiß Uwe Bornschein vom Verein für Friedhofskultur in Halle. Er bietet hier Besucherführungen an. Die riesige Anlage wurde einst von Architekt und Stadtbaurat Wilhelm Jost entworfen und geplant.
Das war 1909. "Wilhelm Jost hat sich Arnold Böcklins bekannte "Toteninsel" als Vorbild genommen", erzählt Bornschein. Auf dem Bild des Schweizer Malers spiegelt sich die felsige Toteninsel im Wasser, das sie umspült. In Halle spiegelt sich die gewaltige Trauerhalle in einem ebenso riesigen Wasserbecken. Der Architekt des Ensembles ist selbst auf dem Gertraudenfriedhof begraben. Von seiner letzten Ruhestätte aus verläuft eine Sichtachse zur Trauerhalle. Jost wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden.
Das Mausoleum mitten im Tierpark Dessau
Mitten im Dessauer Tiergarten steht ein Mausoleum. Für die Dessauer ist der gewaltige, 43 Meter hohe Kuppelbau, der an den Petersdom in Rom oder auch an die Frauenkirche in Dresden erinnert, ein Wahrzeichen der Stadt. Die fürstliche Familie von Anhalt-Dessau hatte es Ende des 19. Jahrhunderts als ihre letzte Ruhestädte errichten lassen. Franz Heinrich Schwechten war der Architekt – ein Meister gründerzeitlicher Architektur. Die letzte Bestattung war hier 1918. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel die Herberge fürstlicher Gebeine Vandalismus zum Opfer. Die Stadt entschied, die Überreste in der Dessauer Marienkirche beizusetzen.
Seitdem verfiel das imposante Bauwerk. Seit acht Jahren kümmern sich die fleißigen Helfer der Jugendbauhütte um die Restaurierung von "Mausi". So nennt der Bauanleiter Klaus-Dieter Mehlhorn vom Förderverein das Mausoleum liebevoll: "Dass unser Mausi einmal fertig wird, werde ich wohl nicht miterleben." Aber Mausi ist noch so rüstig, dass Besucher hinein dürfen. Regelmäßig lädt der Tierpark zu Veranstaltungen in dem Gebäude ein, vom Lichtkunstfestival bis zu Konzerten. Die Särge in der Gruft werden mit einbezogen, sie bergen freilich keine Gebeine mehr. Die sind in St. Marien bestattet.
Die Totenstadt in Eisleben
Die Kirche St. Nicolai in Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) birgt in ihrem Inneren eine besondere Stätte der Ruhe. Eine im Jahr 2022 neu gebaute Totenstadt, ausreichend für 1.200 Einwohner. Gotische Giebel, kleine Häuser, dicht an dicht. Die Räume in den Häusern sind Urnenschreine. Hier können Menschen ihre letzte Ruhe finden. Es gibt Gassen und Ruheplätze und sogar ein Totenbuch, so etwas wie einen Stadtplan zur Orientierung. Gestaltet wurde dieses einzigartige Ensemble zur oberirdischen Bestattung von Urnen von Vincenz Warnke.
Er ist Professor für Industriedesign an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle: "Meine erste Inspiration war der Bauernschrank meiner Mutter, mit ihrer Geschirrsammlung darin." Außerdem hat er sich Anregungen bei historischen Kirchenmöbeln und bei anderen Totenstädten weltweit geholt. Die Urnen in der Totenstadt haben eine Ruhezeit von 15 Jahren. Danach kommt die Asche in einen so genannten Aschebrunnen unter dem Fußboden des Kirchenschiffs. Aus der oberirdischen Bestattung wird dann eine Unterirdische in den Mauern der St. Nicolai-Kirche in Eisleben.
Jüdischer Friedhof in Köthen
Es liegen keine kleinen Steine zur Erinnerung an die Verstorbenen auf den Grabsteinen. Das ist so, weil die Hinterbliebenen bereits selbst verstorben sind oder weltweit in aller Herren Länder leben, erzählt Anett Gottschalk. Sie ist Leiterin des nahe gelegenen Museums Jüdische Synagoge in Gröbzig (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) und Expertin in Sachen jüdischer Bestattungskultur. Insgesamt gibt es auf dem jüdischen Friedhof in Köthen 123 erhaltene Gräber. Das Älteste stammt aus dem Jahr 1888 und das Jüngste ist von 1968.
Hier ruhen bekannte Persönlichkeiten der Stadt, die heute noch vielen Köthenern ein Begriff sind. Doch die üblichen symbolischen Darstellungen jüdischer Trauerkultur auf den Grabsteinen vermisst man hier. Schmetterlinge stehen zum Beispiel für den Zyklus des Lebens, Hände stehen für die Priester, die damit segneten, um nur Einige zu nennen. In Köthen findet sich nur der in Stein gemeißelte Davidstern auf den Granitgrabsteinen: "Der Davidstern zeigt, dass die Köthener Juden sich trotz ihres modernen und von deutscher Lebensweise geprägten Alltags, zu ihrem Glauben bekannten."
Das Schiff im Friedgarten
Im Friedgarten Osmünde im Saalekreis bei Halle ist so einiges anders, als auf klassischen Friedhöfen. Hier gibt es ausschließlich Urnengräber, die in eigens dafür angelegten Themenbereichen liegen. Die Gestalter haben sich dabei an nordischen Beispielen orientiert. "Die Röse" zum Beispiel ist ein Berg aus Findlingen, unter dem Urnen bestattet sind. Außerdem gibt es noch ein Urnenfeld in Form eines Schiffes, die sogenannte "Schiffslege".
Auch eine Fläche mit Dünen wie an der Ostsee weckt das Interesse der Besucherinnen und Besucher, die hier einfach zum Staunen und Spazieren vorbeikommen. Die Namen der Verstorbenen, die unter den Dünen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, finden sich an so genannten Dalben, riesige Holzstämme aus dem Hamburger Hafen. Besondere Aufmerksamkeit erregen aber die lebensgroßen Beton-Skulpturen. Sie heißen: "Alltagsmenschen" und wurden von Künstlern aus Witten geschaffen.
Man findet sie deutschlandweit an bekannten Orten und auch hier im Friedgarten Osmünde. Sie lehnen an Bäumen, stehen an Wegesrändern oder schwimmen im Seerosenteich. "Unsere Alltagsmenschen geben den Hinterbliebenen das Gefühl, nicht ganz allein im Friedgarten zu sein. Man hat immer das Gefühl, es sei jemand da", sagt Michael Kriebel, der Geschäftsführer des Friedgartens.
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MDR (Anja Nititzki, Mario Köhne) | Erstmals veröffentlicht am 10.11.2024
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 04. November 2024 | 19:00 Uhr
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