Frauen und Männer Fünf Mythen über Gleichstellung
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06. März 2023, 18:07 Uhr
Wenn Frauen mehr Rechte fordern, gibt es oft heiße Diskussionen – und immer wiederkehrende Argumente. Zum Beispiel, dass es reicht, wenn man von Männern spricht und Frauen "mit meint". Oder dass es an schlechtem Verhandlungsgeschick liegt, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen. MDR SACHSEN-ANHALT räumt auf mit fünf Mythen über Gleichstellung.
Mythos 1: Gendern bringt nichts
Gendern verändert die Art, wie wir denken. Das ist wissenschaftlich gut nachgewiesen, sagt die Germanistin Kristin Kuck von der Uni Magdeburg. Wenn wir nur maskuline Formen verwenden, heiße das nicht, dass wir ausschließlich an Männer denken, aber doch, dass Männer kognitiv präsenter seien.
Jeder könne das selbst ausprobieren, sagt sie: "Wenn man jemanden fragt: Was sind denn deine drei Lieblingsschauspieler?, kriegt man in der Regel drei Männer genannt." Wenn man hingegen nach Schauspielerinnen und Schauspielern frage, dann bekomme man Männer und Frauen genannt.
Kuck betont, dass Gendern nicht im Kern Gleichstellung bedeutet. Die beiden Begriffe würden etwa in den Medien häufig gleichgesetzt. Aber es müsse viel über das Gendern hinaus verändert werden. "Wenn wir über Gleichstellung sprechen, müssen wir zum Beispiel auch über Weiblichkeitsbilder, Männlichkeitsbilder und Rollenverteilung sprechen."
Mythos 2: Zu DDR-Zeiten waren Frauen gleichberechtigt
"Es kommt drauf an, wie man Gleichstellung definiert", sagt Katharina Eger, die an der Uni Halle als Wissenschaftlerin am Institut für Geschichte arbeitet. Sowohl in der DDR als auch in der BRD waren und sind Frauen und Männer verfassungsrechtlich gleichgestellt.
In der DDR habe aber auch das Prinzip der Lohngleichheit gegolten. Es habe zudem eine Bildungsoffensive gegeben, um Frauen in sogenannte Männerberufe zu bringen und Frauen das Studieren zu ermöglichen.
Dass in einer Ehe oft beide Partner voll verdient haben, sieht Eger als eine Errungenschaft der DDR bei der Gleichberechtigung. Man müsse aber beachten, dass es nicht darum ging, Frauen emanzipatorisch voranzubringen. Der Grund für Erleichterungen, die Frauen in der DDR hatten, war demnach der Fachkräftemangel und dass man Frauen als Arbeitskräfte brauchte.
Eger sagt aber auch, dass das Prinzip der Lohngleichheit in der Realität nicht durchgesetzt wurde. Frauen hätten oft 30 Prozent weniger verdient, auch im Vergleich zu Männern in der gleichen Position.
Hinzu komme, dass Frauen deutlich seltener Leistungspositionen erreicht hätten – auch, wenn gleichzeitig die wenigen Frauen in Leitungspositionen propagandistisch hervorgehoben wurden. Außerdem habe es auch in der DDR die Dreifachbelastung gegeben: Frauen waren verantwortlich für die Kinder, den Haushalt und die Arbeit.
Mythos 3: Man sollte nach Leistung befördern, nicht nach Quote
Über die Frauenquote wird immer wieder heiß diskutiert. Janet Thiemann aus Magdeburg war 15 Jahre lang Geschäftsführerin eines Unternehmens in Magdeburg, hat danach selbst gegründet. Sie sagt: "Ich bin absoluter Verfechter der Quote! Wir lassen immer eher Leute in bestimmte Positionen nach oben wachsen, die uns am ähnlichsten sind. Warum? Weil wir einfach alle denken, wir wären die tollsten."
Sie sei zu der Zeit nicht so reflektiert gewesen. So seien die Personen in höhere Positionen gekommen, die genauso extravertiert waren und ähnlich kommuniziert haben, wie sie selbst. So sei es auch bei Männern in Führungspositionen.
Mehr Frauen in Führungspositionen seien außerdem wichtig – auch mithilfe einer Quote –, damit es auf der Ebene Menschen gibt, die verstehen, was Frauen und Mütter leisten müssen. Das ist nach Angaben von Thiemann wichtig: "Dann können nämlich Tools eingeführt werden, die Frauen schützen. Vorgesetzte hätten eine Fürsorgepflicht. Sie sind dafür zuständig, auf ihre Mitarbeitenden aufzupassen."
Mythos 4: Man kann keine Komplimente mehr machen
Man darf Frauen gar keine Komplimente mehr machen? Doch! Der Unterschied zwischen Komplimenten und Belästigung ist klar, sagt Ella, die sich in Halle gegen sogenanntes Catcalling engagiert. Komplimente haben demnach mit Wertschätzung und Respekt zu tun. Catcalling – also Hinterherpfeifen auf der Straße zum Beispiel – überschreite eine Grenze.
Das Team vom Verein "Wir sehen hin", der in Magdeburg auf das Problem sexueller Belästigung aufmerksam macht, sagt: "Ein Catcall wird meist verwendet, um eine unbekannte Person zu sexualisieren. Im Fokus des Catcalls sind häufig Körperteile, die mit Sex in Verbindung gebracht werden, oder andere sexualisierte Aussagen." Dabei würden das Selbstwert- und Sicherheitsgefühl verletzt. Beide Initiativen sagen: Es geht um Macht. Wer catcallt, tue das, um das eigene Machtgefühl zu stärken, so das Team von "Wir sehen hin".
Die beiden Initiativen sagen auch: Manchmal ist es tatsächlich schwierig, die Grenze auszumachen. Sie raten: Nachfragen!
Beispiele für sexualisierte Belästigung machen die Initiativen auf ihren Instagram-Accounts "Catcalls of Halle" und "Wir sehen hin" sowie mit Straßenkreide in Halle sichtbar.
Mythos 5: Frauen verdienen weniger, weil sie schlecht verhandeln
Frauen können auch so viel Geld verdienen wie Männer – aber manchmal müssen sie dafür eben auch erstmal den Rechtsweg gehen. Zuletzt hat das Bundesarbeitsgericht einer Frau aus Sachsen rechtgegeben, die weniger verdient als ihre Kollegen. Der Arbeitgeber hatte unter anderem argumentiert, dass ein fast gleichzeitig eingestellter Kollege besser verhandelt habe.
In der Regel ist es weiterhin so, dass Frauen im deutschlandweiten Schnitt 18 Prozent weniger pro Stunde verdienen. Betrachtet man nur Ostdeutschland, sind es sieben Prozent weniger. Das liegt auch daran, dass Frauen deutlich häufiger in Teilzeit oder in Minijobs arbeiten.
FAKT IST! aus Magdeburg vom 6. März
MDR (Julia Heundorf)
Dieses Thema im Programm: FAKT IST! aus Magdeburg | 06. Februar 2023 | 22:10 Uhr
Erichs Rache am 08.03.2023
@Anita L.
Yo.
Ob Sie es glauben oder nicht, dieses Land hat Ursula von der Leyen soviel zu verdanken und die Mehrheit weiß das noch nicht mal.
Allein Ursula von der Leyen ist es zu verdanken, das der Ausbau von Kita´s überhaupt stattgefunden hat.
Obwohl heute noch über 300.000 Kita- und Krippenplätze fehlen, war Sie es, die 2007 Druck mit KiTa-Plätzen gemacht hat.
Bei Schmidt, Brandt, Kohl, Schröder gab es in NIX, noch nicht mal Kita-Plätze
Wenn es nach diesen alten weißen Männern gegangen wäre, könnten heute Frauen in der Küche im Keller immer noch unter Druck malochen
Erichs Rache am 08.03.2023
@nasowasaberauch
Ihr Satz "An dem in der BRD bis 1958 geltenden Patriarchat und dessen Gesetzgebung"ist leider nicht ganz richtig.
Richtigerweise muss es heißen: "An dem in der BRD bis HEUTE geltenden Patriarchat .."
Ansonsten Daumen hoch!
nasowasaberauch am 08.03.2023
Man kann viele Mythen aufzählen, es ändert sich nichts, wenn der Staat nicht eingreift und Frauen fördert. Die DDR war da aus verschiedenen Gründen, viel weiter und festzuhalten ist, es hat den Frauen nicht geschadet. Vom bis 1991 bezahlten Haushaltstag über den Krippen/Kindergartenplatz bis zur Wiedereingliederung in das Berufsleben war alles ein Selbstläufer. Natürlich gab es bei der Gleichberechtigung auch Mängel, keine Frage, aber die waren weit entfernt von Kirche-Kochtopf-Kinder. An dem in der BRD bis 1958 geltenden Patriarchat und dessen Gesetzgebung erst 1977 geändert wurde, knabbert die Gleichberechtigung der Frau bis heute. Für Ostfrauen war der Einigungsvertrag ein Rückschritt.