Zwei Schülerinnen im Unterricht
Mit schlechten Noten könnte der Weg aufs Gymnasium bald schwieriger werden. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Cavan Images

Schullaufbahn Strengere Zugangsregeln fürs Gymnasium im Gespräch

27. Januar 2023, 10:48 Uhr

Einerseits hat Sachsen-Anhalt zu wenig Lehrer. Andererseits gibt es aber auch zu viele Schüler, nämlich an den Gymnasien. Immer mehr scheitern dort auf dem Weg zum Abitur. Das hat eine Diskussion um schärfere Zugangsregeln entfacht. Denn derzeit entscheiden allein die Eltern über den Bildungsweg ihrer Kinder.

Sachsen-Anhalt sucht nach Lösungen gegen eine zu hohe Abbrecherquote an den Gymnasien. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) sagte MDR SACHSEN-ANHALT, immer mehr Schülerinnen und Schüler versagten auf dem Weg zur Hochschulreife. Wenn man Schul-Erfolge produzieren wolle, müsse man gegensteuern, erklärte die Ministerin auch im Landtag.

Kriterien für die Schullaufbahn-Empfehlung gesucht

Eva Feuߟner (CDU), Bildungsministerin in Sachsen-Anhalt.
Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) ist offen für mehr Zugangs-Kriterien. Bildrechte: dpa/picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Christian Modla

So sollen künftig nicht mehr allein die Eltern über die Schullaufbahn der Kinder entscheiden. Feußner verwies auf verschiedene Modelle in anderen Ländern: "Da gibt's einen Notendurchschnitt und Probe-Unterricht, um den Eltern-Willen nicht auszuschließen." Nun werde insbesondere in den Koalitionsfraktionen darüber beraten. Schon bei den Koalitionsvereinbarungen sei die Idee entstanden, die gymnasiale Empfehlung mit "mehr objektiven Kriterien" zu verknüpfen.

Bildungspolitiker Thomas Lippmann (LINKE) hält nach eigener Aussage hingegen nichts von verpflichtenden Empfehlungen. "Das ist eine völlig sinnfreie Idee", kommentierte er auf MDR-Nachfrage. Es sei richtig gewesen, die verbindliche Schullaufbahn-Empfehlung wieder abzuschaffen. Das Ziel, Schülerinnen und Schüler vom Gymnasium fernzuhalten, sei damit nicht erreicht worden.

Auch die SPD lehnt eine verbindliche Empfehlung ab. Das hat Fraktionschefin Katja Pähle im Landtag klargestellt. Die Leistung in der vierten Klasse dürfe nicht für weitere Bildungs- und Lebenswege maßgeblich sein.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Susan Sziborra-Seidlitz, sieht das Problem woanders. Sie sagte MDR-SACHSEN-ANHALT die Sekundarschule müsse für die Eltern attraktiver werden. Wenn diese das Gefühl hätten, dass ihr Kind auch an einer Realschule eine gute Bildung erfährt, dann würden nicht mehr alle Eltern ihre Kinder auf ein Gymnasium schicken wollen. Zudem sei eine Entscheidung nach der vierten Klasse viel zu früh.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist gegen schärfere Kriterien bei der Schullaufbahn-Empfehlung. Sachsen-Anhalt sei bundesweit Schlusslicht bei den Absolventinnen und Absolventen mit Hochschul-Zugangsberechtigung. "Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir jedes Kind in jeder Schulform besser fördern können und nicht immer ausgefeilter sortieren", so GEW-Vorsitzende Eva Gerth.

Eltern entscheiden, ob Kinder aufs Gymnasium gehen

In Sachsen-Anhalt entscheiden grundsätzlich die Eltern über den Bildungsweg ihrer Kinder. Laut Schulgesetz ist vorgesehen, dass sie nach dem 4. Schuljahr gemäß den "Neigungen und Fähigkeiten" die Form der weiterführenden Schule wählen. Die Schule hat dabei nur eine beratende Funktion, durch Gespräche und eine sogenannte Schullaufbahn-Empfehlung. Bestimmte Notendurchschnitte müssen nicht erreicht werden. Von 2006 bis 2012 hatte die Empfehlung in Sachsen-Anhalt verbindlichen Charakter. Wollten Eltern ihre Kinder ohne entsprechende Bescheinigung aufs Gymnasium schicken, mussten zusätzliche Tests in Mathematik und Deutsch sowie Gespräche absolviert werden.

Die CDU-Landtagsfraktion hatte im Januar bei einer Klausurtagung beschlossen, sich für eine verbindliche Schullaufbahn-Empfehlung einsetzen zu wollen. Das allerdings wäre mit dem Koalitionsvertrag nicht vereinbar.

Das steht im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und FDP "Die Entscheidung zum Lernen an der aufnehmenden weiterführenden Schule in Klasse Vier erfolgt nach umfassender Beratung der Eltern, auf Grundlage der erbrachten Leistungen in den zentralen Klassenarbeiten in Deutsch und Mathematik, der im Kompetenzportfolio dargestellten Leistungsentwicklung und dem maßgeblichen Elternwillen."

dpa, MDR (Lars Frohmüller, André Plaul)

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. Januar 2023 | 19:00 Uhr

29 Kommentare

Anita L. am 28.01.2023

Präziser: Die duale Ausbildung führt zum Facharbeiterbrief, die DuBA (duale Berufsausbildung mit Abitur) zum Facharbeiterbrief und zur allgemeinen Hochschulreife.

Anita L. am 28.01.2023

Danke@Tom0815, für den letzten Satz! Das kann Schule nämlich tatsächlich nicht. Das ginge nur, wenn die komplette Bildungshoheit vollständig beim Staat läge, und das will ganz bestimmt auch niemand mehr. Was Schule kann, ist den jungen Menschen, die trotz interesselosem Elternhaus eine gute Bildung anstreben, die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Das bedingt aber trotzdem von Seiten dieser Menschen eine höhere eigenverantwortliche Mitarbeit als für jene, die die notwendige Unterstützung im Elternhaus bekommen.

Anita L. am 28.01.2023

"'Immer mehr scheitern dort auf dem Weg zum Abitur.' Was heißt scheitern? Wenn jemand das Gymnasium besucht, gute Noten hat und sich dann aber entscheidet, dass er lieber eine Lehre machen möchte und ihm der Realschulabschluss reicht - dann ist er nicht gescheitert."

Es geht auch nicht um die jungen Menschen, die sich trotz guter Noten gegen das Abitur entscheiden (die scheitern ja nicht), sondern um jene, die am Gymnasium trotz enormer Anstrengung eine schlechte Note nach der anderen fangen oder die sich ihre guten Noten mit einem so hohen Lernaufwand erkämpfen müssen, dass sie physisch und psychisch krank werden. Für diese Schüler sind die Anforderungen des Gymnasiums tatsächlich zu viel und sie wären mit einem anderen Bildungsweg deutlich besser beraten. Andere Bildung schadet nämlich auch niemandem, egal welchen Beruf er später ausübt. Die gymnasiale Bildung ist nämlich in erster Linie auf eine wissenschaftliche Laufbahn ausgerichtet. Oder sollte es sein.

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