KommentarStimmungskiller – Wenn die Verwaltung bürgerfern durchregiert
Wir dürfen uns glücklich schätzen: Bevor in Sachsen-Anhalt Brücken einstürzen, werden sie im Zweifelsfall gesperrt. In diesem Jahr gibt Sachsen-Anhalt 260 Millionen Euro für die Sanierung von Straßen und Brücken aus. Das ist die gute Meldung. Die schlechte ist, dass die Behörden bei ihren Planungen die Menschen und vor allem die kleinen Unternehmen vor Ort vergessen. Das muss sich dringend ändern, kommentiert MDR-Redakteur Uli Wittstock.
- Zwei Bauvorhaben im Burgenlandkreis sorgen für Frust, bei beiden geht es um die Saale.
- Wird nicht ordentlich kommuniziert, kann das für Unternehmen finanzielle Konsequenzen haben – und auch für die Steuerzahler.
- "Wenn allerdings ein Großkonzern wie Intel in Sachsen-Anhalt an die Tore klopft, dann steht die Verwaltung stramm wie im alten Preußen", meint MDR-Redakteur Uli Wittstock.
Eigentlich sollten die Abrissarbeiten an der Saalebrücke in Weißenfels bereits im August beginnen. Und wie eine moderne und bürgernahe Verwaltung es üblicherweise macht, werden die Betroffenen, also in diesem Fall die Bürger, informiert. Was die zahlreichen interessierten Menschen am Dienstag allerdings im Kulturhaus zu hören bekamen, war dann doch ziemlich überraschend: Diesmal waren es nicht zwei brütende Tauben-Paare, die den Abriss behinderten, sondern die zuständige Behörde. Sie ist plötzlich von Selbstzweifeln geplagt.
Die Pläne seien wohl nicht sonderlich gut gewesen. Deswegen müsse man von vorn beginnen und der Brückenbau verzögere sich nun um ein halbes Jahrzehnt, voraussichtlich.
Alle Ämter beteiligt, nur die Menschen vor Ort nicht
Einige Kilometer Saale-abwärts erlebte die lokale Touristik-Branche in der Woche zuvor eine gegenteilige Entwicklung. Dort wurden zehn Kilometer an der Saale mal kurzerhand für den Schiffsverkehr gesperrt, weil die Bahn ihre Brücken saniert und das mitten in der touristischen Hochsaison. Alle möglichen Ämter und Behörden waren in die umfangreichen Planungen involviert, nur die Menschen vor Ort hatte man leider vergessen.
Für die Kleinunternehmer an der Saale hat das nun erhebliche Einbußen zur Folge, weil sie tausende Buchungen stornieren müssen. Wären sie rechtzeitig informiert worden, hätten sie ihre Angebote anpassen können. Jetzt wollen die Betroffenen klagen. Wenn es gut läuft, zahlt der Steuerzahler die entgangenen Einnahmen.
Verwaltung sorgt für schlechte Stimmung
In Weißenfels hatten sich die lokalen Unternehmer jedoch auf die Brücken-Sperrung eingestellt, die nun aber erstmal wieder abgesagt wurde. Weißenfels' Bürgermeister Martin Papke (CDU) sagte dem MDR, man brauche sich nicht zu wundern im Land, wenn die Menschen frustriert seien.
Es sind also nicht immer Populisten, die für schlechte Stimmung sorgen. Das schafft die Verwaltung auch selbst. Eine wesentliche Erkenntnis der Coronapandemie sollte sein, dass behördliche Willkür, Selbstherrlichkeit und leider eben auch Überforderung im Amt dazu führen, dass die Menschen sich von der Demokratie abwenden.
Bei Intel läuft es anders
Wenn allerdings ein Großkonzern wie Intel in Sachsen-Anhalt an die Tore klopft, dann steht die Verwaltung stramm wie im alten Preußen. Während man bei einer Saalebrücke fünf Jahre Planungs-Zeit kalkuliert, rutscht ein Intel-Bauantrag in Rekordzeit durch den Behörden-Dschungel. Aber Intel ist eben Chefsache, Sachsen-Anhalts Mittelstand jedoch offenbar nicht. Dies aber ist keine gefühlte, sondern eine tatsächlich erlebte Ungleichbehandlung.
Mehr zu den Bauarbeiten an der Saale und bei Intel
MDR (Uli Wittstock, Kalina Bunk) | Erstmals veröffentlicht am 27. Juli 2024
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. Juli 2024 | 17:00 Uhr
Kommentare
{{text}}