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Anschlag in HalleDritter Prozesstag: Synagogen-Besucher befragt Angeklagten

28. Juli 2020, 17:35 Uhr

In Magdeburg haben am dritten Prozesstag die Anwälte der Nebenklage den Halle-Attentäter befragt. Dann hat das Gericht versucht, die sozialen Hintergründe des Attentäters zu beleuchten. Dabei wurde auch ein Brief seiner Mutter verlesen. Ein Nebenkläger, der am Anschlagstag in der Synagoge war, stellte dem Angeklagten ebenfalls Fragen. Anschließend äußerte sich ein Zeuge: ein Kriminalbeamter.

Am Landgericht Magdeburg ist am Dienstag der Prozess nach dem Attentat von Halle fortgesetzt worden. Anwälte der Nebenklage befragten den 28 Jahre alten Angeklagten am dritten Prozesstag zunächst zu dessen Sozialleben und seinen familiären Beziehungen. Die Befragung hatte bereits am zweiten Verhandlungstag vergangenen Mittwoch begonnen. Die Rechtsanwälte der Nebenklage haben den Angeklagten bis zum Mittag unter anderem dazu befragt, welche Bücher er lese und welche Musik er höre.

Dabei bezweifelten einige der Nebenkläger und -klägerinnen die alleinige Radikalisierung des Mannes. Eine Anwältin zitierte aus einem Brief antisemitische Aussagen der Mutter des Angeklagten. Die Schwester des Beschuldigten habe zudem über ihren Bruder gesagt, dass er Juden und Ausländer hasse. Bislang hatte der Angeklagte behauptet, dass er seine Überzeugungen für sich behalten hätte und sein Umfeld nichts von seiner Gesinnung gewusst habe.

Betroffener aus den USA befragt Angeklagten

Bemerkenswert war die erstmalige Befragung des Angeklagten direkt durch einen Betroffenen. Der US-Amerikaner Ezra Waxman, der während des Anschlags in der Synagoge in Halle war und als Nebenkläger auftritt, stellte dem Angeklagten am Dienstag mehrere Fragen. Waxman konfrontierte den Angeklagten mit den antisemitischen Vorurteilen, die der 28-Jährige immer wieder vor Gericht ausbreitete.

Stephan B. sagte auf Nachfragen zu seiner Psyche, er sehe sich "nicht als verrückt" an. Nach Beobachtungen einer MDR SACHSEN-ANHALT-Reporterin im Gerichtssaal macht der Angeklagte einen interessierten Eindruck. Er wendete sich häufig den fragenden Anwälten zu und beugte sich nach vorne. Mitunter ging er aber in Abwehrhaltung oder machte sich über Fragen lustig.

Erste Zeugenaussage

Am Dienstagnachmittag war dann der erste Zeuge zu hören. Ein Kriminalbeamter schilderte seine Eindrücke von der Vernehmung des Angeklagten. Seine Schilderungen sollen die bereits umfassende Aussage von Stephan B. ergänzen. Der Kriminalbeamte spricht dementsprechend über vieles, was schon an früheren Verhandlungstagen zu hören war. Er beschrieb erneut, wie der Angeklagte am Tattag vorgegangen ist.

Der Kriminalbeamte sagte aus, dass der Angeklagte nach der Tat in den Harz fliehen und von dort noch ein Video der Tat hochladen wollte. Kontakte zu Gruppen habe der Angeklagte nach eigener Aussage nicht gehabt. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt habe dafür keine Anhaltspunkte gesehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe bestätigt, dass der Angeklagte nirgendwo eingebunden gewesen sei, so der Ermittler.

Stephan B. sei im Internet sehr aktiv gewesen. Was er dort genau gemacht habe, habe er nicht sagen wollen. Auch aufgrund der Auswertung des Computers des Angeklagten könne sein Internetverhaltung nicht ausführlich beschrieben werden, sagte der Kriminalbeamte. Es seien auch keine explizit rechtsextremen oder antisemitischen Spiele auf dem Rechner gefunden worden – aber Videos mit Darstellungen von Gewalt, unter anderem gegen ein Kind. Nach der Befragung des Ermittlers endete der Prozesstag um 17 Uhr.

Medienandrang deutlich geringer als vor einer Woche

Der Einlass in das Gericht hat am Mittwoch im Übrigen problemlos funktioniert. Schlangen vor dem Eingang hat es nach Schilderungen einer Reporterin – anders als zum Prozessauftakt vorige Woche – nicht gegeben. Allerdings ist der Medienandrang auch deutlich geringer als noch vergangene Woche. Allerdings sind alle Besucherplätze besetzt. Der Angeklagte wurde kurz vor 10 Uhr in den Saal gebracht.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem 28-Jährigen in ihrer 121-seitigen Anklageschrift 13 Straftaten vor, darunter Mord und versuchten Mord. Unter den 45 Nebenklägern sind Besucher der Synagoge, Hinterbliebene und Polizisten.

Zahl der Nebenkläger noch einmal gestiegen

Die Zahl der Nebenkläger war kurz nach dem Prozessauftakt noch einmal um zwei gestiegen – auf nun 45. Wie das Oberlandesgericht Naumburg mitteilte, ist auch ein Ehepaar zugelassen worden, das zum Zeitpunkt des Anschlags in der halleschen Synagoge war.

Angeklagter gesteht Taten

Am ersten Prozesstag war zunächst die Anklageschrift verlesen worden. Anschließend wurde der Angeklagte ausführlich von der vorsitzenden Richterin befragt. Dabei gestand er, am 9. Oktober 2019 in Halle zwei Menschen getötet und weitere verletzt zu haben. Zudem äußerte er sich ausführlich zu seinem Tatmotiv und seinen Plänen während des Anschlags.

Das Video, welches der Angeklagte am Tattag veröffentlichte, stand am zweiten Verhandlungstag im Mittelpunkt. Es wurde im Gerichtssaal gezeigt.* Anschließend wurde der Angeklagte durch die Vertreter des Generalbundesanwalts, durch seine Verteidiger und die Anwältinnen und Anwälte der Nebenklage befragt.

*Anmerkung der Redaktion: Das Zeigen des Tatvideos im Gerichtssaal geschah aus einem juristischen Zweck. Es wurde nicht für die Berichterstattung gezeigt. MDR SACHSEN-ANHALT kennt die Aufnahmen, wird Aussagen und Details des Videos aber nicht veröffentlichen – da die Verbreitung der Tat erklärtes Ziel von Stephan B. war.

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Quelle: dpa, MDR/olei,ld

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 28. Juli 2020 | 19:00 Uhr

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