Anschlag in Halle Elfter Prozesstag: Zeuge aus Kiez-Döner sagt aus

09. September 2020, 16:09 Uhr

Am elften Prozesstag zum Anschlag von Halle hat das Gericht am Mittwoch über die Geschehnisse im Döner-Imbiss gesprochen. Zeugen berichteten, sie hätten den Attentäter zunächst nicht als solchen ernst genommen. Die Imbiss-Besitzer sagten am Mittwoch nicht aus. Wegen Termin-Problemen des Dolmetschers war ihre Aussage verschoben worden.

Am elften Tag des Prozesses gegen den Attentäter von Halle hat das Gericht am Mittwoch erstmals über die Geschehnisse im Döner-Imbiss gesprochen. Ein Überlebender, der sich im Geschäft befand, hat als Zeuge ausgesagt, sowie eine Passantin, die für einen Moment nur wenige Meter vom Attentäter entfernt gestanden hatte.

Zudem wurde neues Videomaterial gezeigt, dass der Attentäter mit einer an seiner Jacke befestigten Kamera aufgenommen hatte. Zudem wurden zwei weitere Zeugen gehört: Ein Polizist und ein weiterer Passant, der den Attentäter auf der Straße gesehen hatte.

Den Döner-Imbiss hatte der Attentäter aufgesucht, nachdem sein Anschlag auf die Synagoge fehlgeschlagen war. Er hatte zunächst eine Art Sprengsatz in den Laden geworfen. Im Geschäft erschoss er den Kunden Kevin S.

Zeugen: Erscheinungsbild von Attentäter nicht ernst genommen

Die Zeugen, die am Mittwoch in Magdeburg zu den Geschehnissen in und vor dem Kiez-Döner ausgesagt haben, gaben an, die Kleidung und Ausrüstung des Attentäters nicht ernst genommen zu haben. Die erste Zeugin, eine Rentnerin, die sich auf der Straße vor dem Imbiss befand, sagte, sie habe an Fasching gedacht und an eine selbstgebaute Waffe für Kinder. Der zweite Zeuge, ein Professor, hat eigenen Angaben zufolge beim Anblick des Attentäters an Halloween gedacht und beim Anblick der Waffe an Paintball.

Der zweite Zeuge sagte zudem aus, er habe die Situation zunächst nicht als Gefahr erkannt und keinen Zusammenhang zwischen dem lauten Knall und dem Mann hergestellt, der daraufhin den Laden betrat. Erst die Reaktion der anderen Gäste habe ihm die Lage bewusst gemacht. Danach sei er gemeinsam mit einem weiteren Gast durch ein Fenster in den Hinterhof geflohen.

Ein weiterer Zeuge, der am Mittwoch aussagte, war am 9. Oktober auf der Ludwig-Wucherer-Straße unterwegs. Er glaubt, der Attentäter habe auf ihn geschossen. Er war nicht mehr sicher, ob er am Tattag eine Waffe gesehen hatte, habe aber Schüsse gehört und sei weggerannt.

Polizei vor einem Döner Imbiss in Halle.
In diesem Döner-Imbiss erschoss der Attentäter am 9. Oktober 2019 einen Mann. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Felix Abraham

Zeuge kritisiert die Presse

Der Professor erzählte und kritisierte in seiner Aussage, dass ein Journalist eines überregionalen Mediums ihn wenige Tage nach dem Anschlag abends an seiner Privatadresse aufgesucht habe.

Er vermutet, dass es einen Zugang zur Ermittlungsakte oder zu seiner polizeilichen Aussage gegeben haben muss. Er habe mehrmals bei der Polizei ausgesagt, zweimal am Tag des Anschlags. Noch vor der dritten Aussage am Sonntag sei der Journalist am Samstagabend bei ihm aufgetaucht.

Imbiss-Besitzer sagen noch nicht aus

Die Inhaber des Kiez-Döner-Imbisses, Ismet und Rifat Tekin, sollten ebenfalls bereits am zehnten Prozesstag aussagen. Ihre Zeugenauftritte wurden jedoch wegen Problemen bei der Organisation des Dolmetschers nach hinten verschoben. Sie sollen in der kommenden Woche aussagen, ebenso wie der Vater des erschossenen Kevin S.

Aussage über Spurensicherung

Am Nachmittag des elften Prozesstages sagte ein Polizist über die Spurensicherung und damit verbundene Schwierigkeiten aus. Der Tatort sei bei Eintreffen der Spurensicherung noch nicht frei gewesen, weil noch andere Einsatzkräfte, darunter das SEK, vor Ort waren. Gleichzeitig habe es einen gewissen Zeitdruck gegeben, weil ein Gewitter aufzog. Die Tatspuren auf der Straße zu sichern habe deshalb Priorität gehabt. Gesichert worden seien dabei unter anderem Munition und Einschusslöcher.

Im Kiez-Döner sei bei der Suche nach möglichen Spreng- und Brandvorrichtungen die ursprüngliche Position der Leiche von anderen Einsatzkräften verändert worden, bevor die Spurensicherung eintraf.

Der Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019

Am 9. Oktober 2019 hatte der Attentäter gewaltsam versucht, in Halle einen antisemitischen Anschlag auszuüben. Der Versuch scheiterte. Der 28-jährige tötete eine Frau auf offener Straße und einen Mann in einem Döner-Imbiss.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten zweifachen Mord und 68-fachen Mordversuch vor. Das Urteil soll voraussichtlich am 18. November verkündet werden. Es verhandelt das Oberlandesgericht Naumburg in den Räumen des Landgerichts Magdeburg.

Quelle: MDR/jh

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 09. September 2020 | 07:00 Uhr

1 Kommentar

ossi1231 am 10.09.2020

"Im Kiez-Döner sei bei der Suche nach möglichen Spreng- und Brandvorrichtungen die ursprüngliche Position der Leiche von anderen Einsatzkräften verändert worden, bevor die Spurensicherung eintraf. " ... das erstemal seit Wochen das hier das Wort Spurensicherung fällt.

Mehr aus dem Raum Halle und Leipzig

Mehr aus Sachsen-Anhalt