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Am dritten Jahrestag des Anschlags von Halle erinnern verschiedene Veranstaltungen an die Opfer. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

9. Oktober 2019Anschlag auf Synagoge: Gedenken am dritten Jahrestag

10. Oktober 2022, 10:22 Uhr

Zum dritten Jahrestag des Anschlags von Halle riefen die Jüdische Gemeinde, die Stadt und zivilgesellschaftliche Initiativen zum Gedenken auf. Am Sonntag erinnerten verschiedene Veranstaltungen an die Ermordeten und setzten ein Zeichen der Solidarität mit Hinterbliebenen und Überlebenden.

Am Sonntag, den 9. Oktober, jährte sich der rechtsextreme Anschlag von Halle zum dritten Mal. Die Jüdische Gemeinde, die Stadt, Kirchgemeinden und verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen hatten Veranstaltungen organisiert, zum Gedenken an die Ermordeten, Kevin S. und Jana L., zum gemeinsamen Erinnern und zur Solidarität mit betroffenen Überlebenden. Ein Überblick, was an dem Gedenktag in Halle passierte.

10:00 Uhr: Gottesdienst und Gedenken in der Marktkirche

Beim Gottesdienst in der Marktkirche "Unser Lieben Frauen" wurde am Sonntagmorgen der Opfer des Anschlags gedacht.

11:00 Uhr: Gemeinsames Erinnern im Welcome-Treff

Der Welcome-Treff in der Geiststraße 58, ein Begegnungsort für geflüchtete und engagierte Menschen in Halle, bot von 11 bis 14 Uhr die Möglichkeit für gemeinsames Erinnern, Gespräche und Information. "Uns ist es wichtig, dass die Gäste des Welcome-Treffs eine Möglichkeit haben, einen Ort zu besuchen, den sie schon kennen und wo sie vielleicht auch das Gefühl haben, dass sie willkommen sind und dass sie sich wohlfühlen", erklärte Projektleiterin Julia Burghardt MDR SACHSEN-ANHALT.

Auch für Menschen, die aus der Ukraine nach Halle gekommen sind, gab es die Möglichkeit, sich in ihrer Muttersprache über den Anschlag zu informieren.

Burghardt sagte: "Wir wollen an dem Tag zurückblicken und darüber reden, aber auch nach vorne blicken und überlegen: Was wollen wir machen? Was braucht Halle? Was wünschen wir uns für Halle, damit das besser wird und nicht wieder passiert?"

12:00 Uhr: Gedenken der Jüdischen Gemeinde und der Stadt

Auch vor dem ehemaligen Kiez-Döner wurden Kränze niedergelegt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Das offizielle Gedenken der Jüdischen Gemeinde zu Halle und der Stadt fand am Mittag im Hof der Synagoge in der Humboldtstraße 52 statt. Um 12:03 Uhr, dem Zeitpunkt, zu dem der Anschlag 2019 begonnen hatte, gab es eine Schweigeminute. Anschließend sprachen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bürgermeister Egbert Geier Worte des Gedenkens. An den Gedenktafeln vor der Synagoge und dem ehemaligen Kiez-Döner wurden Kränze niedergelegt.

Zudem wurde das Denkmal "neun-zehn-neunzehn" der Künstlerin Lidia Edel vorgestellt. Edel hat die Tür der Synagoge, die den Schüssen des Attentäters standgehalten und so die Menschen im Gotteshaus geschützt hatte, in ein Kunstwerk umgewandelt.

Für die Jüdischen Gemeinden im Land habe sich seit dem Anschlag viel verändert, sagte der Vorsitzende der Gemeinde in Halle, Max Privorozki, einer MDR-Reporterin. Sehr viele Projekte seien gestartet, darunter ein Modellprojekt für den Religionsunterricht Judentum an Schulen, der seit September tätige Polizeirabbiner oder die jüdischen Kulturtage.

Bürgermeister Egbert Geier erklärte: "Jüdisches Leben muss sichtbar sein, es muss Teil des gesellschaftlichen Lebens sein. Erinnerungskultur, Sichtbarmachung, aktives Tun – das sind drei wichtige Säulen in der Bekämpfung des Antisemitismus. Die Stadt Halle engagiert sich hier nach Kräften."

12:03 Uhr: Stadtweites Innehalten

Um 12:03 Uhr, der Uhrzeit, zu der der Anschlag 2019 begann, läuteten überall in Halle die Kirchenglocken. Auch die Busse und Straßenbahnen der Halleschen Verkehrs-AG hielten an. Fahrgäste in den Fahrzeugen und an den Haltestellen wurden mit einer Durchsage über das Gedenken informiert.

12:30 Uhr: Gedenkandacht in der Marktkirche

Um 12:30 Uhr, nach dem Glockengeläut, fand in der Marktkirche "Unser Lieben Frauen" eine Gedenkandacht an den Anschlag statt.

13:00 Uhr: Gedächtniscup "Nie wieder – gemeinsam gegen das Vergessen"

Das Fußballturnier des Fanprojekts für (H)alle, des Waldorf Jugendtreffs, des Humanistischen Regionalverbands Halle-Saalkreis und des Teams Streetwork fand in diesem Jahr zum dritten Mal statt. Jeweils acht Jugend- und Erwachsenenmannschaften traten bei dem Turnier auf dem Kunstrasenplatz auf dem Sandanger an, sagte der Sozialarbeiter des Fanprojekts Adrian Scholz MDR SACHSEN-ANHALT. Die Grundidee des Gedächtniscups sei, "dass Fußball ein wunderbar verbindendes Element hat und Leute zusammen bringt, die sich sonst vielleicht im Alltag nicht treffen würden." Das hätten die ersten beiden Turniere bereits erfolgreich gezeigt.

In diesem Jahr gab es laut Scholz außerdem ein Rahmenprogramm, bei dem verschiedene Projekte und Initiativen ihre Arbeit vorstellten. "Wir wollen damit auch einen pädagogischen Sinn verfolgen", erklärte Scholz. Die vielen Jugendlichen, die bei dem Turnier zusammen kommen, hätten gleichzeitig die Gelegenheit, Stellen kennenzulernen, an die sich sich in Problemlagen wenden können.

13:00 Uhr: Kundgebung am Steintor und Gedenkrundgang

Das "Antirassistische Netzwerk" rief zu einer Kundgebung am Steintor auf. Von dort aus war demnach ein Gedenkrundgang zur Synagoge, zur Magdeburger Straße und zum "Tekiez", dem früheren "Kiez-Döner", geplant, wo ab 15 Uhr die Kundgebung der "Soligruppe" stattfand.

14:00 Uhr: Performances im Neuen Theater

Die Performance "Keep me in mind" der Regisseurin Christina Friedrich erzählt von dem Schicksal mehrerer Shoah-Überlebender. Friedrich hat deren Geschichten selbst recherchiert. Bei der Performance wurden sie in Form von Umschlägen mit Zeichnungen und Schauspielern, die sie als Boten erzählen, weitergetragen. Die Performance fand mehrfach in Durchläufen von je 30 Minuten statt.

15:00 Uhr: Kundgebung am "Tekiez"

Die "Soligruppe 9. Oktober" veranstaltete von 15 bis 18 Uhr eine Kundgebung vor dem "Tekiez", dem ehemaligen "Kiez-Döner". Die Veranstaltung unter dem Motto "Wir sind hier und erinnern" wurde der Gruppe zufolge gemeinsam mit Betroffenen, Überlebenden und Angehörigen rechter Anschläge in Deutschland gestaltet.

Die "Soligruppe" hat sich um Ismet Tekin gegründet. Tekin ist einer der ehemaligen Betreiber des Kiez-Döners, wo der Attentäter Kevin S. erschoss. Tekin war selbst in den Schusswechsel geraten. Er setzt sich dafür ein, den Laden als Ort der Erinnerung zu erhalten. Zeitweise wurde aus dem Imbiss das Frühstückscafé "Tekiez", das jedoch im Mai schließen musste. Tekin und die Soligruppe hoffen dennoch, den "Tekiez" nicht aufgeben zu müssen.

19:00 Uhr: Carillonspiel und stilles Erinnern auf dem Marktplatz

Am Abend klangen laut Mitteilung des Stadtmuseums vom Carillon des Roten Turms fünf Stücke in Gedenken an den Anschlag.

Das Bündnis "Halle gegen Rechts" hatte für den Abend gemeinsam mit dem Friedenskreis Halle e.V. und dem Evangelischen Kirchenkreis Halle-Saalkreis eine stille Gedenkveranstaltung in der Nähe des Geoskops angekündigt.

19:30 Uhr: Dokumentarfilm im "Puschkino"

Der Dokumentarfilm zur Performance "Keep me in mind", die nachmittags im Neuen Theater gezeigt wurde, hatte am Abend Premiere im "Puschkino". Anschließend fand ein Gespräch mit der Regisseurin Christina Friedrich, dem Künstler Michael Bauchli, dem Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby und dem Intendanten des Neuen Theaters, Matthias Brenner, statt.

Gedenkbanner in der gesamten Stadt

Das Bündnis "Halle gegen Rechts" organisierte laut Sprecher Valentin Hacken in diesem Jahr keine eigenen Veranstaltungen, sondern wollte vor allem dafür sorgen, dass der Jahrestag öffentlich sichtbar ist. "Das machen wir mit Großflächenbannern und Plakatkampagnen", sagte Hacken. Diese standen demnach an 15 Orten in der Stadt. Das Bündnis hatte zudem auf seiner Website eine Übersicht der Veranstaltungen.

"Wir hoffen, dass es Menschen aus der ganzen Stadt sind, die sich beteiligen werden und dass klar wird, dass dieser Anschlag kein Fernsehereignis ist, das sich zufällig in dieser Stadt abgespielt hat, sondern dass es tatsächlich etwas mit diesem Ort zu tun hat", erklärte Hacken. Das bedeute auch, sich zu fragen, wie man solidarisch mit denjenigen sein könne, die der Attentäter versucht hat zu ermorden.

Zudem machte "Halle gegen Rechts" auch darauf aufmerksam, dass der Anschlag am 9. Oktober 2019 nicht nur in Halle, sondern auch im Landsberger Stadtteil Wiedersdorf verübt wurde. "Landsberg-Wiedersdorf ist immer noch eine Leerstelle im Gedenken", sagte Hacken. "Als Bündnis versuchen wir dem dieses Jahr besser gerecht zu werden." Daher spreche ein Motiv der Plakate des Bündnisses Solidarität mit den Betroffenen in Landsberg aus.

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MDR (Maren Wilczek, Anne Gehn-Zeller, Lucas Riemer) | Zuerst veröffentlicht am 07.10.2022

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 09. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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