Markus Matthias Krüger, Senke, 2022, Acryl und Öl auf Leinwand, 50x 40 cm, Privatsammlung, Foto Galerie Schwind Leipzig, VG Bild-Kunst. Bonn 2024: Mystisch verschlungene Bäume säumen den Blick von der Steilküste aufs Meer. 4 min
Die Kunsthalle Talstraße zeigt in der neuen Ausstellung "Sehnsucht Romantik" mit teils wunderbaren Bildern das Romantische in der Malerei im Wandel von Zeitgeist und Zeit. Ulrike Thielmann hat die Ausstellung besucht. Bildrechte: Galerie Schwind Leipzig, VG Bild-Kunst. Bonn 2024

Kunstverein Talstraße Halle Auf Caspar David Friedrichs Spuren: neue Schau "Sehnsucht Romantik"

11. August 2024, 03:00 Uhr

Halle reiht sich ein ins Caspar-David-Friedrich-Jubiläumsjahr: Am 5. September 1774 – vor 250 Jahren – wurde der berühmteste Maler der deutschen Romantik geboren. Während man im Dresdner Albertinum der Ausstellungseröffnung zu Ehren Caspar David Friedrichs Ende August entgegenfiebert, spürt man in der Kunsthalle Talstraße schon ab Sonntag der deutschen Romantik in der Malerei nach – von Caspar David Friedrich bis zur zeitgenössischen Kunst.

Caspar David Friedrich war nie in den Alpen – aber im Harz. Und wahrscheinlich auch in Halle. Nach dem Abschluss seiner Harzreise, im Juli 1811, muss es dazu gekommen sein, bevor er im Herbst des Jahres Goethe in Jena aufsuchte.

Das klärt die neue Schau in der Kunsthalle Talstraße gleich in ihrem Auftakt und zeigt aus der Eremitage in St. Petersburg Caspar David Friedrichs zwei "Schwestern auf dem Söller am Hafen" von 1820 – aufgrund des Krieges leider nur als Reproduktion. In dem Bild montiert Friedrich Halles fünf Türme zu den Schiffsmasten des Greifswalder Hafens, "gotisiert" gar die Türme, macht sie mittelalterlicher als sie sind.

Caspar David Friedrich: "Zwei Schwestern auf dem Söller am Hafen", um 1820, 74x52cm, Öl auf Leinwand, Staatliche Eremitage, Sankt Petersburg: Ein historisches Gemälde der Romantik in dunkel gehaltenen rötlich-braunen Tönen. Zwei weiblich gelesene Personen in dunkler Kleidung stehen an einer Brüstung und blicken auf ein Segelschiff neben einer Kirche mit vier Türmen plus Glockenturm.
Caspar David Friedrich verlegte für das Gemälde "Zwei Schwestern auf dem Söller am Hafen" kurzerhand Halles fünf Türme. Bildrechte: Staatliche Eremitage, Sankt Petersburg

Die Rückschau aufs Mittelalter sei aus heutiger Sicht untrügliches Merkmal der deutschen Romantik, erklärt Matthias Rataiczyk, Kurator der neuen Schau "Sehnsucht Romantik" und Leiter des Kunstvereins Talstraße, der auch die Kunsthalle betreibt.

Goethes Zeichnungen von Halle

Dass Goethe ebenfalls Halle und den Petersberg kannte, bezeugen zwei Zeichnungen von ihm in der Ausstellung. Der Frühromantiker besuchte mehrmals "Reichardts Garten" des romantischen Komponisten Johann Friedrich Reichardt, gegenüber der Kunsthalle Talstraße an der Saale unterhalb der Burg Giebichenstein gelegen.

Als "Herberge der Romantik" ist der Garten mit Protagonisten wie Ludwig Tieck, Brentano und Novalis in die Kunstgeschichte eingegangen. Halle ist nicht nur Händel-Stadt, sondern auch eine Stadt der deutschen Romantik.

2023, Nachtaufnahme der Kunsthalle "Talstrasse" in Halle
Seit zehn Jahren bringt der Kunstverein Talstraße Ausstellungen in die Kunsthalle. Bildrechte: Kunsthalle Talstraße Halle

Romantik des Harzes

An historischem Ort also geht der Kunstverein Talstraße jenen Spuren nach, die Caspar David Friedrich und die Romantik in der bildenden Kunst hinterlassen haben: von der regionalen des 19. Jahrhunderts bis hin zur zeitgenössischen.

Friedrichs Harzreise – in sein berühmtes Gemälde vom Watzmann montierte er beispielsweise eine Ansicht des pittoresken Trudensteins nahe Schierke – inspirierte zahlreiche nachfolgende Maler und Anhänger.

Da sind der in Ilsenburg ab 1840 wirkende Georg Heinrich Crola, der 1802 in Stolberg im Harz geborene "Harzmaler" Ernst Helbig oder auch der 1858 in Halberstadt gestorbene Carl Hasenpflug. Ihre Werke aus den umliegenden Museen zusammenzutragen war für Matthias Rataiczyk eine besondere Aufgabe.

Carl Hasenpflug, Bodetal, Öl auf Leinen, 1837, 93,2x71,6cm, Städtisches Museum Halberstadt
Von Caspar David Friedrichs Harzreise inspiriert, malte Carl Hasenpflug ebenfalls romantische Blicke in die Mittelgebirgsnatur. Bildrechte: Städtisches Museum Halberstadt

Friedrichs Nachfolger in der Moderne

Romantik indessen ist nicht nur blauer Dunst, Täler im Nebel und Eichen im Schnee, sondern immer auch Psychogramm einer suchenden Seele. Die von Caspar David Friedrich war dem alten Goethe zu düster, was er publikumswirksam unters Volks brachte – zumal Friedrich als glühender Patriot auch politisch, mit dem Pinsel gegen Napoleon, austeilte.

Die Schau im Kunstverein Talstraße präsentiert zahlreiche Maler und Malerinnen des 20. Jahrhunderts und von heute, die die verschiedenen Ebenen der romantischen Malerei in ihren Werken vereinen, darunter Otto Dix mit einem abstrahierten Winterblick auf den Giebichenstein, Conrad Felixmüller mit dem expressiv-bunten "Frühlingsabend in Klotzsche" von 1926 oder auch Surrealist Max Ernst mit einem "Blauen Sonnenaufgang".

Max Ernst, Blauer Sonnenaufgang, um1950, Farbkreide auf blauem Tonpapier, Sammlung Frank Brabant, VG Bild-Kunst. Bonn 2024: In Blautönen ist ein Sonnenaufgang aus grafischen Strukturen gezeichnet.
Kaum merklich erhebt sich die Sonne zum Aufgang in Max Ernsts "Blauer Sonnenaufgang" von 1950. Bildrechte: Sammlung Frank Brabant, VG Bild-Kunst. Bonn 2024

Caspar David Friedrichs Anhänger

Unter den zeitgenössischen Künstlern bezieht sich wiederum der aus Gardelegen stammende Maler Markus Matthias Krüger formal auch auf Max Ernst, die Leipzigerin Nina K. Jurk malte die Schemen wohl nur noch vereinzelt stehender Nadelbäume, Sten Gutglück interpretiert Friedrichs berühmte Rückenansichten seiner Ehefrau.

Nina K. Jurk, Serie Landschaft, Wald, Öl auf Lnwd. 30x40cm, 2023, Foto. Akantus Galerie im Westwerk Leipzig, VG Bild-Kunst, Bonn 2024: Wie durch Milchglas sind nur Schemen von Nadelbäumen in zarten Pastelltönen zu sehen.
Wie durch Milchglas sind in Nina Jurks Gemälde nur Schemen von Nadelbäumen in zarten Pastelltönen zu sehen. Bildrechte: Akantus Galerie im Westwerk Leipzig, VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Überraschenderweise, wenn auch schlüssig, finden auch Bilder von Wolfgang Mattheuer und Uwe Pfeifer in den Reigen der Anhänger Caspar David Friedrichs. Mit teils wunderbaren Bildern verhandelt die Schau das Romantische in der Malerei im Wandel von Zeitgeist und Zeit.

Uwe Pfeifer. Poetischer Moment, 1973, Öl auf Hartfaser, 61x85.3cm, Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, VG Bild-Kunst. Bonn 2024: Eine Frau blickt den Kopf auf die Hände gestützt aus dem Fenster eines sozialistischen Mehrparteienhaus. In der Abenstimmung spiegeln sich Straßenlaternen an den zahlreichen Autos auf dem Parkplatz.
Nachdenklich schaut die Protagonistin in Uwe Pfeifers "Poetischem Moment" auf das Meer aus parkenden Autos im Schein der Straßenlaternen. Bildrechte: Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, VG Bild-Kunst. Bonn 2024

Weitere Informationen

"Sehnsucht – Romantik"
11. August bis 3. November 2024

Adresse:
Kunsthalle "Talstrasse"
Talstraße 23
06120 Halle (Saale)

Öffnungszeiten:
Mi–Fr | 13–18 Uhr
Sa, So | 13–17 Uhr
Feiertage | 13–17 Uhr

Eintritt: 8 Euro, 6 Euro ermäßigt
Kostenfrei für Mitglieder des Kunstvereins "Talstrasse", Studierende der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Fachbereich Kunstgeschichte, Mitglieder des ADKV

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