"Zwischen den Zeilen" - Ausstellung - Halle - Kunstmuseum Moritzburg
50 Jahre Stadtgeschichte – das sind auch 50 Jahre Veränderung, Zerfall und Wiederaufbau. Bildrechte: Konstanze Göbel

Ausstellung Literaturhaus zeigt Halle "Zwischen den Zeilen"

02. März 2025, 11:19 Uhr

Die Stadt Halle gilt als Stadt der Halloren, als Geburtsstadt von Händel. Mit Halle-Neustadt entstand hier zu DDR-Zeiten eine der größten Satellitenstädte. Halle ist eine "Diva in Grau" – so ein Fotoband der kürzlich verstorbenen Fotografin Helga Paris. Zum siebten Geburtstag des Literaturhauses in Halle wurde gestern eine Ausstellung unter dem Titel "Zwischen den Zeilen" eröffnet. Sie zeigt die Sicht verschiedener Fotografen auf die Stadt – über mehr als fünf Jahrzehnte.

Halle in schwarz-weiß: Der Himmel ist grau, die heruntergekommenen Häuser haben einen traurigen Nachkriegscharme. So kennen Alle das Halle der 1980er-Jahre. Die Aufnahmen aus der fotografischen Sammlung der Moritzburg beginnen aber schon eher. Die Bilder würden Halle vor dem Verfall zeigen, erzählt die Kuratorin Manuela Winter.

Bei Fotografie ist es schon so, dass man genau hinschauen muss.

Manuela Winter Kuratorin

Die Bilder von Ulrich Wüst etwa zeigten das Jahr 1978 und damit "noch nicht den ganz schlimmen Verfall in den Altstädten, aber man sieht schon ganz deutlich anhand von Rissen und bröckelndem Putz, wie der Verfall begann." Viele der Stadtviertel auf Wüsts Bildern gebe es nicht mehr, sie seien dem Plattenbau gewichen, so Winter.

Geschichten von Republikflucht und Zerfall

Der heute 75-jährige Magdeburger Ulrich Wüst hält in seinen Bildern gern "Dinge mit Spuren" fest. In Halle sind seine Bilder zu Dokumentationen geworden. Aus den Fotos der halleschen Künstlerin Eva Mahn schaut den Betrachter eine junge Frau an. Ernst, skeptisch und dennoch entschlossen. Mahns Foto reihen sich ein in das Stadtporträt, erklärt Manuela Winter: "Das ist Conni, Malerin und Putzfrau, und mit Conni wird die Geschichte nicht nur vom Verschwinden der Architekturen erzählt, der Altbauten, sondern Eva Mahn erzählt das Verschwinden der Menschen."

Schwarz-weiß-Fotografie von einer jungen Frau, die vor einer halben Hausrunie trotzig in die Kamera schaut.
Das Foto von Eva Mahn zeigt die Künstlerin Conni, die 1989 in den Westen floh. Bildrechte: Eva Mahn

Die junge Künstlerin auf Mahns Fotos sei 1989, kurz vor der Friedlichen Revolution, in den Westen geflohen, um dort von ihrer Kunst leben zu können, erzählt Kuratorin Winter. Connis Schicksal teilten etwa vier Millionen Menschen, also ein Sechstel der Bevölkerung der DDR.

Niemand weiß, was aus Conni geworden ist. Klar ist aber, was aus den Häusern wurden: Die DDR gab damals 15 Millionen DDR-Mark für den Abriss maroder Bausubstanz aus, um Plattenbauten zu errichten. Halle wurde im Zweiten Weltkrieg durch Zufall kaum zerstört und besitzt noch heute ein einzigartiges, gründerzeitliches Zentrum – anders als Städte wie Chemnitz oder Dessau.

Schwarz-weiß-Foto aus der Ausstellung: ein Blick auf das historische Stadthaus Halle.
Historische Bausubstanz: Das Stadthaus in Halle. Bildrechte: VG Bild-Kunst

Die DDR, eine andere Welt

Einen anderen Blick auf Halle hat die westdeutsche Fotografin Eva-Maria Schön, die in die Stadt kam, um Banner zu fotografieren, erläutert Manuela Winter: "1978 fielen ihr an wichtigen oder markanten Gebäuden die ganzen Stoffbahnen auf, die voll mit sozialistischen Parolen waren. Deswegen fing sie an, das ganz sachlich zu fotografieren.

Schöns Stadtansichten bilden ein Stück Geschichte ab, wie auch die der jüngeren Fotografinnen und Fotografen in der Ausstellung. Auch hier sind die meisten Bilder schwarz-weiß. Auf einigen sind Menschen mit Masken zu sehen: "Bei Hans-Jörg Franke sieht man zum Beispiel anhand der FFP2-Masken, die während Corona-Zeiten ja symbolhaft geworden sind, in welcher Zeit wir uns befinden", erklärt Manuela Winter.

Fotografie aus der Ausstellung in schwarz-weiß: Vor einer einfahrenden Tram sieht man einen Mann mit FFP"-Maske um die Ecke biegen.
Details mit Aussagekraft: Eine Kleinigkeit wie eine FFP2-Maske kann viel über den Hintergrund eines Bildes erzählen. Bildrechte: Hans-Jörg Franke

Versteckter Humor in der Bildern

Jedes Foto von Hans-Jörg Franke zeige ein kleines Detail, das viel aussage. Ältere Menschen mit Rollatoren, Lieferanten, Straßenkünstler, Migranten – für sie alle werde "die Stadt, der Stadtraum zur Kulisse." Manuela Winter resümiert: "Man sieht, Halle lebt, es ist voller Menschen." Was bedeutet nun aber der Titel "Zwischen den Zeilen" für sie? Die Kuratorin erklärt es so: "Bei Fotografie ist es schon so, dass man genau hinschauen muss."

Man sieht, Halle lebt, es ist voller Menschen.

Manuela Winter Kuratorin

Ein Beispiel sei das Werk von Reinhardt Henze, der einen feinen Humor in seinen Bildern transportiere. Von Henze, erklärt die Kuratorin der Ausstellung, gäbe es "zum Beispiel auch eine Serie zum Hochwasser, wo er die Dinge einfach ad absurdum führt. Da ist ein 'Parken verboten'-Schild an einem Baum, aber der steht mitten im Hochwasser. Da kann keiner mehr parken."

Eine Wand in er Ausstellung mit schwarz-weiß-Fotografien von Halle, in Doppelreihe gehängt.
Ein Blick in die Ausstellung im Literaturhaus Halle. Bildrechte: Anne-Sailer

Die Diva Halle ist längst nicht mehr grau. Viele Häuser sind saniert. Der Schleier ist verflogen. Noch immer aber reizt ihr besonderer Charme Fotografinnen und Fotografen – ganz im Sinne der fotografischen Sammlung und der geneigten Besucher.

Mehr Informationen zur Ausstellung:

Sonderausstellung "Zwischen den Zeilen. Halle im Foto"

1. März bis 27. April 2025

Adresse
Literaturhaus Halle
Bernburger Straße 8
06108 Halle (Saale)

Die Öffnungszeiten der Ausstellung und weitere Informationen finden Sie auf der Website des Kunstmuseum Moritzburg.

Redaktionelle Bearbeitung: tis, lm

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 01. März 2025 | 08:15 Uhr

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