Ein Jahr nach der Tat Babyleiche in Halle: Tatverdächtige wieder auf freiem Fuß

14. Dezember 2022, 06:54 Uhr

Fast ein Jahr lang tappten Polizei und Staatsanwaltschaft in Halle im Dunkeln. Doch nun haben die Ermittler die mutmaßliche Mutter eines Babys gefunden, das im Dezember 2021 tot entdeckt worden war. Ein Richter verhängte am Dienstag einen Untersuchungshaftbefehl. Die Frau wurde allerdings unter Auflagen zunächst wieder freigelassen.

Die 38-jährige Frau aus Halle, die vor einem Jahr ihr neugeborenes Kind ausgesetzt haben soll, ist wieder auf freiem Fuß. Sie war am Montag unter dringendem Tatverdacht festgenommen worden.

Nach Polizeiangaben hat die Frau beim zuständigen Ermittlungsrichter am Amtsgericht Halle eingeräumt, ihr neugeborenes Kind am späteren Fundort abgelegt zu haben. Der Richter erließ zwar einen Untersuchungshaftbefehl, der unter jedoch unter Auflagen nicht vollstreckt wurde. Welche das sind, sagte der Polizeisprecher nicht. Den Angaben zufolge besteht keine Fluchtgefahr.

Ermittler suchten fast ein ganzes Jahr

Das tote Baby war vor knapp einem Jahr am 27. Dezember 2021 von einer Passantin gefunden worden. Die Obduktion ergab, dass das kleine Mädchen noch lebte, als es am Zaun eines Wertstoffhofes in Halle abgelegt worden war.

Fast ein Jahr haben Ermittler der Soko "Engel" nach der Frau gesucht, gut 1.000 Zeugen befragt, Spuren ausgewertet. Noch vor zwei Monaten hieß es, es gäbe keine heiße Spur zur Mutter, aber Ermittlungsansätze.

Hinweis kommt aus der Bevölkerung

Der entscheidende Hinweis kam laut Staatanwaltschaft aus der Bevölkerung. Demnach habe ein Zeuge der Polizei von der raschen Gewichts- und Wesensveränderung der Beschuldigten berichtet. Zu der Frau passten außerdem weitere Ergebnisse einer DNA-Analyse zum Alter und zur Haar- und Augenfarbe. Zudem sei das Telefon der Beschuldigten zum Zeitpunkt der Tat am Tatort eingeloggt gewesen.

Weitere Erkenntnisse wurden aus einem T-Shirt am Tatort gezogen, so die Staatsanwaltschaft. Dieses sei in einem Sozialkaufhaus in Halle gekauft worden. Eine Mitarbeiterin des Sozialkaufhauses fertigte mit der Polizei ein Phantombild an, das ebenso zu der Beschuldigten passte. Das seien die vier wesentlichen Ermittlungsergebnisse, die zu der Frau geführt hätten, sagte der Sprecher.

Hilfe: Babys in Sachsen-Anhalt anonym abgeben

Mütter haben in Sachsen-Anhalt mehrere Möglichkeiten, ihre Babys anonym in die Obhut von Jugendamt oder Kliniken zu geben.

Zum einen haben Mütter die Möglichkeit einer sogenannten "vertraulichen Geburt". Das bedeutet, dass Kinder medizinisch sicher und vertraulich zur Welt gebracht werden können. Dabei werden die Mütter von einer Beraterin, die an die gesetzliche Schweigepflicht gebunden ist, beraten und begleitet – vor und auch nach der Geburt. Die Mütter geben ihre Identität dafür nur einmalig gegenüber der Beraterin preis, die die persönlichen Daten aufnimmt und dafür sorgt, dass diese sicher hinterlegt werden. Mit 16 Jahren kann das Kind die Identität seiner Mutter erfahren.

Außerdem können Neugeborene in vier Babyklappen in Sachsen-Anhalt anonym abgelegt werden. Müttern, die sich aus großer persönlicher Not heraus nicht in der Lage sehen, für ihr Kind Sorge zu tragen, wird damit die Möglichkeit gegeben, ihr Neugeborenes in die Obhut von Ärzten, Krankenschwestern und dem Jugendamt zu geben.

Links zu den Babyklappen in Sachsen-Anhalt:

  • Halle
  • Magdeburg
  • Dessau-Roßlau
  • Bitterfeld-Wolfen

Kind kam lebend zur Welt

Der Leichnam des Säuglings war kurz nach Weihnachten 2021 durch eine Passantin am Zaun eines Entsorgungsbetriebes in Halle gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben wegen Totschlags und prüft derzeit, einen Haftantrag gegen die Frau zu stellen.

Bei einem möglichen Prozess könnte das Ergebnis einer vorherigen Obduktion des Kindes eine entscheidende Rolle spielen. Laut Staatsanwaltschaft habe das Kind demnach nach der Geburt gelebt. Ob es noch lebte, als es vor dem Wertstoffhof abgelegt wurde, könne man nicht mit Sicherheit sagen, so der Sprecher.

dpa, MDR (Oliver Leiste, Daniel Salpius, Annekathrin Queck) | zuerst veröffentlicht am 13.12.2022

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Dsas Radio wie wir | 13. Dezember 2022 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

hilflos am 13.12.2022

Nun, die Frau muß sich ja wirklich in einer Ausnahmesituation befunden haben.
Leute geht es noch? Das Kind hat gelebt und wird ohne Konsequenzen weggeworfen...

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