Bildmontage: Ein Gehirn liegt auf einer Computertastatur, Symbolfoto künstliche Intelligenz
Die Cyberagentur des Bundes in Halle fördert die Forschung an Computer-Gehirn-Schnittstellen mit 30 Millionen Euro. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Christian Ohde

30 Millionen Euro Cyberagentur: Mensch und Maschine sollen effektiv kommunizieren – mit der Kraft der Gedanken

von Marcel Roth, MDR SACHSEN-ANHALT

25. Dezember 2023, 17:47 Uhr

Die Cyberagentur des Bundes in Halle fördert die Forschung an einem Prototypen, der Hirnsignale selbstständig interpretieren kann. 30 Millionen Euro bekommt ein Startup-Unternehmen aus Cottbus dafür. Dahinter steckt ein neuer Ansatz, Schnittstellen zwischen Computer und Gehirn weiterzuentwickeln. Er könnte auch KI-Methoden beeinflussen.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

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Elon Musk, der X-Besitzer, Tesla- und SpaceX-Chef arbeitet mit seiner Firma Neuralink an einem Computerchip fürs Gehirn. Im kommenden Jahr will Neuralink elf Menschen einen solchen Chip ins Gehirn einsetzen. Die Menschen sollen so Geräte steuern oder kommunizieren können. In der Hirnforschung ist Musk durchaus umstritten.

In der Medizin wird schon längst daran geforscht, dass Gelähmte einen Roboterarm steuern oder Stumme wieder sprechen können. Auch Forscher in Deutschland sind dabei erfolgreich. In den USA docken solche Computer-Hirn-Schnittstellen vor allem operativ direkt ans Gehirn an – hierzulande wird an nicht-invasiven Methoden gearbeitet. So könnten auch Menschen ohne Einschränkung die Technologie ohne schwere Eingriffe nutzen.

Und so will es auch das Cottbusser Start-Up "Zander Labs" machen, das im Dezember eine Forschungsförderung der Cyberagentur des Bundes erhalten hat. 30 Millionen Euro überweist die Cyberagentur in den nächsten vier Jahren nach Cottbus. An dem Projekt sind auch Fraunhofer-Institute in Dresden und Ilmenau, Unternehmen in München und im niederländischen Haarlem sowie die Unis in Cottbus, Wien und Würzburg beteiligt.

Gedankenlesen mit KI?

Der Kopf hinter der Idee ist Thorsten Zander. Er ist Professor an der Brandenburgischen Technischen Uni Cottbus-Senftenberg. In einem Experiment hat er schon nachweisen können, dass Menschen Maschinen sogar steuern können, ohne dass sie sich dessen bewusst waren. Ziel seines Projekts mit der Cyberagentur ist jetzt, die Interaktion zwischen Mensch und Maschine komplett neu zu gestalten, sagt Zander. "Dafür entwickeln wir neue Systeme, die sich intuitiv an ihre Nutzer anpassen, indem sie dessen Hirnaktivität auslesen und verstehen." So sollen Menschen besser mit Computersystemen kommunizieren oder sie steuern können.

Nach Angaben der Cyberagentur ist das Projekt mit 30 Millionen Euro die größte Forschungsfinanzierung Europas. Ähnliche Forschungsprojekte werden in der Regel mit ein bis drei Millionen Euro gefördert. Das Projekt war das erste, mit dem die Cyberagentur nach ihrem holprigen Start 2021 an die Öffentlichkeit gegangen ist.

KASTEN Brain Computer Interface

Der Forschungsauftrag der Cyberagentur gilt sogenannten passiven Brain Computer Interface. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen in den Neurotechnologien müssen sich Nutzer dabei nicht aktiv bestimmte Dinge vorstellen, sondern können einfach die gewünschte Handlung durchführen.

Einige Hirnsignale lassen sich zum Beispiel mit einer EEG-Haube oder einer Art Bügel hinter den Ohren auslesen. Die Signale kann ein Computer dann mit Hilfe von KI-Methoden, also maschinellem Lernen, interpretieren. "Wir entwickeln neue Formen der künstlichen Intelligenz, die direkt vom menschlichen Hirn lernen und sich damit verbessern", sagt Zander. Neuro-adaptive Technologie nennt er das. So können Maschinen direkt vom Gehirn lernen und vorausschauend aktiv werden.

Die Revolution, die wir anstreben, erlaubt es, dass Maschinen in Echtzeit Hirndaten erfassen und interpretieren. Dadurch erhalten sie einen Einblick in die momentane individuelle Wahrnehmung des Nutzers.

Thorsten Zander

Ohne explizite Eingaben des Benutzers können sich Computersysteme automatisch an bestimmte Aspekte der Denkweise des Benutzers anpassen. Besonders spannend dabei: Die KI-Software hat so die gleichen ethischen Werte wie der menschliche Geist. Wissen, Werte, Ziele und Fertigkeiten des Menschen könnten in eine Maschine übertragen werden, sagt Zander. KI könne so unmittelbar vom Gehirn lernen.

Neuro-Ethiker: "Gedankenlesen ist das noch nicht"

Der Prototyp, den Zander und sein Team nun im Auftrag der Cyberagentur entwickeln, soll quasi auf jeden Kopf passen und nicht individuell sein. Ist das Gedankenlesen? Andreas Schönau von der Cyberagentur sagt, er sei vorsichtig, den Prototypen als Gedankenleser zu bezeichnen. "Denn dafür ist das Gehirn zu komplex. Es ist auch schwierig zu verstehen, was überhaupt mentale Zustände und Gedanken sind."

Höchstwahrscheinlich könne man nie Gedanken lesen, sagt Schönau. Er ist Neuro-Ethiker und hat für die Cyberagentur das Vergabeverfahren zu diesem Forschungsauftrag begleitet. Fünf Bieter-Teams seien beteiligt gewesen. Mit einem ersten Prototypen rechnet die Cyberagentur in etwa vier bis fünf Jahren.

Schönau glaubt, dass der Forschungsauftrag an "Zander Labs" die Forschung jetzt enorm voranbringen werde. "Ich finde das großartig, weil es der nächste Schritt ist, um das Wissenschaftsfeld in der Neurotechnologie außerhalb der Medizin und ohne Gehirnimplantate zu revolutionieren." Hat das Projekt Erfolg, wäre das großartig, sagt Schönau: "Weil Maschinen mit Gedanken viel effizienter gesteuert werden können."

Schönau vergleicht das Ganze mit der Effizienz beim Tippen mit einer Tastatur: Wenn sich per Gedankenkraft genauso schnell oder schneller Buchstaben auf einen Bildschirm zaubern lassen wie beim Tippen mit den Fingern, wäre das ein Erfolg.

Cybersicherheit für das Gehirn

Schönau arbeitet bei der Cyberagentur im Referat "Mensch-Maschine-Interaktion". Sie gehört zur Abteilung "Sichere Gesellschaft" bei der Cyberagentur. Sie hat die Aufgabe, für Deutschlands zukünftige Cybersicherheit zu sorgen. Und die erstreckt sich wohl auch auf das menschliche Gehirn. Auch wenn Neuro-Ethiker Schönau nicht glaubt, dass Maschinen komplexe Gedanken lesen können: Die ethische Frage bleibe, wie sich Privatsphäre gewährleisten lässt. "Auch wenn wir mentale Zustände nicht komplett auslesen oder verstehen können, möchte man vielleicht nicht, dass so ein System einen die ganze Zeit überwacht."

Ungeklärt sei auch noch die Frage, wer bei Fehlern haftet: der Mensch, die KI, der Programmierer oder zum Beispiel der Hersteller des Roboterarms? "Wer ist dafür verantwortlich, dass ein Roboter die Tasse vom Tisch gehauen hat? Der Roboter selbst? Der Entwickler der Software? Oder die Person, weil sie quasi falsch gedacht hat?", sagt Schönau.

MDR (Marcel Roth)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. Januar 2024 | 12:00 Uhr

3 Kommentare

steka am 26.12.2023

Langsam bekomme ich den Eindruck, die "künstliche Intelligenz" ist zu einer neuen Reeligion geworden, zum "Erlöser". Aber es gibt auch immr mehr Katastrophen mit Ausfall von Srom, Funknetzen, Kabelverbindungen, Hackerangriffen, Kriege. Wie überlebensfähig ist denn unsere Wirtschaft noch ohne diese Technik, fahren dann noch Züge ohne elektronische Stellwerkstechnik, kann man noch tanken ohne Computertechnik, funktioniert die moderne Waffentechnik noch bei Cyberangriffen und ohne Verbindung zu den Browsern ? Und wie geht es weiter, Soldaten von außen durch Cyber gesteuert ?

Erichs Rache am 26.12.2023

"Ungeklärt sei auch noch die Frage, wer bei Fehlern haftet: der Mensch, die KI, der Programmierer oder zum Beispiel der Hersteller des Roboterarms? "Wer ist dafür verantwortlich, dass ein Roboter die Tasse vom Tisch gehauen hat? Der Roboter selbst? Der Entwickler der Software? Oder die Person, weil sie quasi falsch gedacht hat?", sagt Schönau. "


Solnage "nur" eine Tasse vom Tisch gehauen wird, ist es ein relativ "kleiner" Schadensfall". Wer haftet, wenn Menschen dabei verletzt oder zu Tode kommen?

DanielSBK am 27.12.2023

Links Grüne Utopie von "KI" und Klimawahn eines entmündigten Bürgers ... Nein Danke!

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