Serie: Ein Jahr Corona in Sachsen-Anhalt Junge Corona-Erkrankte: "Mir ist wichtig, dass man aufeinander Rücksicht nimmt"

07. März 2021, 13:40 Uhr

Am 10. März 2020 wurden in Sachsen-Anhalt die ersten Corona-Fälle offiziell bestätigt. Ein Jahr danach startet MDR SACHSEN-ANHALT eine Reihe, in der Menschen zu Wort kommen, die wir schon zu Beginn der Pandemie sprachen. Wir wollen wissen, wie sich der Alltag seitdem verändert hat und wie die Menschen jetzt in die Zukunft blicken. Teil 5 mit Julia Rüstenberg aus Halle.

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Im Mai 2020 hat sich Julia Rüstenberg mit dem Coronavirus infiziert. Bei einem Familientreffen zum Muttertag bemerkte die 26-Jährige aus Halle, dass sie sich angeschlagen fühlte, Kopfschmerzen hatte. Ein Coronatest fiel positiv aus. "Dann ging das ganze Chaos los", sagt sie rückblickend. Sie musste allen Bescheid sagen, damit sich diese, genau wie sie selbst, in Quarantäne begeben konnten.

Rüstenberg hat sich im Nachhinein große Vorwürfe gemacht, dass sie ihre Familie besucht hatte. Sie steckte jedoch keine weitere Person an – nicht einmal ihren Freund, mit dem sie zusammenlebt. "Ich war offenbar jemand, der weniger infektiös war", sagt sie. MDR SACHSEN-ANHALT hat bereits im vergangenen Juli, wenige Monate nach ihrer Erkrankung, mit der Hallenserin gesprochen. Wie ist es ihr seitdem ergangen?

Durch Corona erschwerter Start ins Berufsleben

Wenige Wochen nach ihrer Corona-Erkrankung standen für Julia Rüstenberg die Abschlussprüfungen bei ihrer Ausbildung an. Wie sie es geschafft hat, trotz Krankheit dafür zu lernen und die Prüfungen zu bestehen, erstaunt sie im Nachhinein selbst. Doch nach der Ausbildung als Betriebswirtin für das Hotel- und Gaststättengewerbe dauerte es ein halbes Jahr, einen Job zu finden. "Ich wollte gerne in den Hotelbereich", sagt sie. "Aber dann wurde ja alles geschlossen und dann waren kaum noch Stellen da. Und sie haben auch keinen eingestellt."

Sie hat sich dann in andere Bereiche orientiert. Aber auch das sei schwierig gewesen. Denn viele hätten abgewartet und niemanden eingestellt. Seit Januar 2021 hat Rüstenberg einen Job im Personalbereich. Sie ist froh, endlich wieder arbeiten zu können. Keiner ihrer damaligen Mit-Azubis habe eine Stelle im Hotelbereich gefunden.

Noch sechs Monate nach Infektion weniger leistungsfähig

Im Nachhinein, sagt Rüstenberg, sei es vielleicht sogar ganz gut gewesen, dass sie so lange keine Arbeit gefunden habe. Denn so hatte sie Zeit, um wieder richtig gesund zu werden. Noch sechs Monate nach ihrer Corona-Infektion hat sie die Folgen der Krankheit gespürt. "Es hat wirklich ein halbes Jahr gedauert, bis ich wieder so leistungsfähig war wie vorher." Die Treppen zu ihrer Wohnung im obersten Stock eines mehrgeschossigen Hauses habe sie zum Beispiel lange Zeit nur mit Pausen geschafft. "Es war einfach zu anstrengend, ich habe keine Luft gekriegt", beschreibt sie.

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Negative Kommentare von anderen

Mittlerweile geht es Julia Rüstenberg wieder gut. Was sie aber stört: dass viele ihre Erfahrung mit der Corona-Infektion nicht ernst nehmen. Selbst andere, die auch infiziert waren, hätten ihr gesagt: "Ich weiß gar nicht, was du hast. Mir ging es hervorragend." Rüstenberg sagt dazu: "Das ist wirklich immer unterschiedlich. Man kann das nicht pauschalisieren, finde ich. Das ist von Mensch zu Mensch anders."

Es ist mir wichtig, dass man in der Gesellschaft mehr aufeinander Rücksicht nimmt.

Julia Rüstenberg

Es tue ihr weh, wenn andere sagten, das Coronavirus sei eine Lüge. "Das finde ich schlimm", sagt Rüstenberg. Einige Menschen seien bei dem Thema sehr angriffslustig. "Das liegt vielleicht auch am Lagerkoller", vermutet sie. Sie wünscht sich mehr Höflichkeit und Rücksicht aufeinander. Das gelte auch für Kommentare im Internet – zum Beispiel unter dem Beitrag mit ihr im vergangenen Jahr. Sie sei schließlich auch weiterhin höflich zu Menschen, die Verschwörungstheorien teilten, auch wenn sie selbst diese Theorien nicht gut finde.

Die Bedeutung von Familie

Die Corona-Pandemie hat für Rüstenberg aber auch einen positiven Nebeneffekt. Die Zeit habe ihr verdeutlicht, wie bedeutend ihre Familie für sie sei. "Mir ist noch einmal bewusst geworden, was ich an meiner Familie habe. Wie wichtig es ist, dass man zusammenhält und füreinander einsteht. Und auch in der Partnerschaft, wie wichtig so eine Partnerschaft ist und vor allem, wie wichtig es ist, über alles zu reden, was einem auf dem Herzen liegt." Das habe sie aus der Corona-Zeit für sich mitgenommen.

Julia Rüstenberg findet die Maskenpflicht in Innenräumen und auch die Regelung, dass nur eine bestimmte Personenzahl zeitgleich im Supermarkt sein dürfe, sinnvoll. Auch mit dem vielen Zuhause-Sein komme sie gut zurecht. "Mir ist nicht langweilig", sagt sie. Aber dass sämtliche Läden und Restaurants noch immer geschlossen seien, findet sie schwer nachvollziehbar. Es habe etwa von Restaurants sehr gute Hygienekonzepte gegeben. Die lange Schließung bedrohe viele Existenzen, fürchtet sie.

Hoffnung für 2021: wieder mehr soziales Leben

Für 2021 hofft Julia Rüstenberg daher, dass die Läden wieder aufmachen können und das soziale Leben wieder in Schwung kommt. Sie denkt, dass es im Frühling und Sommer, wenn man mehr Zeit draußen verbringt, bereits von allein wieder etwas besser wird. Aber: "Ich habe die Befürchtung, dass es noch eine ganze Weile so weitergehen wird. Es ist schwierig, aber wir müssen uns irgendwie damit arrangieren." Sie hofft außerdem, dass ihre Familie weiterhin gesund bleibt und auch sie sich nicht noch einmal mit dem Coronavirus infiziert.

Maria Hendrischke
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Über die Autorin Maria Hendrischke arbeitet seit Mai 2017 für MDR SACHSEN-ANHALT – in Halle und in Magdeburg. Ihre Schwerpunkte sind Nachrichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts, Politik sowie Erklärstücke und Datenprojekte. Ihre erste Station in Sachsen-Anhalt war Magdeburg, wo sie ihren Journalistik-Bachelor machte. Darauf folgten Auslandssemester in Auckland und Lissabon sowie ein Masterstudium der Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt Politik in Erfurt und Austin, Texas. Nach einem Volontariat in einer Online-Redaktion in Berlin ging es schließlich zurück nach Sachsen-Anhalt, dieses Mal aber in die Landeshauptstadt der Herzen – nach Halle. Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt sind die Klausberge an der Saale. Aber der Harz ist auch ein Traum, findet sie.

MDR, Maria Hendrischke

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. März 2021 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

ossi1231 am 08.03.2021

Es tue ihr weh, wenn andere sagten, das Coronavirus sei eine Lüge. "Das finde ich schlimm", sagt Rüstenberg.

Sich angeschlagen fühlten und Kopfschmerzen haben, das wars?

Wohl niemand sagt pauschal "Coronavirus sei eine Lüge" aber etliche finden es sei vergleichbar mit dem MERS-CoV 2014 und nicht mehr.

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