Streit um LadenöffnungKeine verkaufsoffenen Advents-Sonntage in Halle
Verkaufsoffene Sonntage werden vor allem im umsatzstarken Advent von Händlern gerne genutzt. Kirchen und Gewerkschaften pochen hingegen auf die Sonntagsruhe. Auch deshalb sieht das Ladenschlussgesetz strenge Kriterien vor. Offene Geschäfte dürfen demnach nur Beiwerk bei anderen Anlässen sein. Nach einer Klage setzt Halle deshalb in diesem Jahr die Sonntagsöffnung im Advent aus. Stattdessen will die Stadt juristisch verwertbare Zahlen sammeln – die die Lutherstadt Wittenberg bereits hat.
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In diesem Jahr wird es in Halle keinen verkaufsoffenen Sonntag mehr geben. Hintergrund ist eine Klage der Gewerkschaft Verdi gegen die Ladenöffnung.
Stadt Halle will für belastbare Zahlen sorgen
Ursprünglich wollten die Innenstadthändler am ersten und dritten Advent parallel zum Weihnachtsmarkt ihre Geschäfte öffnen. Doch angesichts der Klage sehen sie keine Chance, den Rechtsstreit zu gewinnen, sagt der Sprecher der Citygemeinschaft, Wolfgang Fleischer. Stattdessen werden an den Adventssonntagen nun im Auftrag der Stadt von einem Institut Besucherzählungen in Halle durchgeführt. Sie sollen belegen, dass vor allem der Weihnachtsmarkt die Gäste in die Stadt zieht – und nicht die geöffneten Geschäfte selbst. Laut Ladenöffnungszeitengesetz bedingen Sonderöffnungen "besondere Anlässe". Über die genaue Auslegung wird seit Jahren, auch in Sachsen-Anhalt, juristisch gestritten. So hatte Verdi zuletzt die Sonntagsöffnung zum Halleschen Ostermarkt verhindert.
Was sagt das Gesetz?
Das Ladenöffnungszeitengesetz Sachsen-Anhalt (LÖffZeitG LSA) schreibt in §7 vor, dass Geschäfte in Gemeinden maximal an vier Sonntagen oder Feiertagen im Jahr geöffnet werden dürfen – zwischen 11 und 20 Uhr, maximal fünf Stunden lang. Voraussetzung ist ein "besonderer Anlass", der die Ladenöffnung zur Begleiterscheinung werden lässt.
Damit wird auch dem besonderen Schutz des Sonntags Rechnung getragen, der in Artikel 140 des Grundgesetzes noch auf Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung verweist. Dort heißt es: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt."
Was sagen die Gerichte?
Am 1. Dezember 2009 gab das Bundesverfassungsgericht einer Beschwerde der evangelischen und katholischen Kirche gegen das Berliner Ladenschlussgesetz teilweise statt. Demnach lässt sich aus dem grundgesetzlichen Status des Sonntags eine die Religionsfreiheit konkretisierende Schutzpflicht ableiten. Im Urteil heißt es deshalb: "Der verfassungsrechtlich garantierte Sonn- und Feiertagsschutz ist nur begrenzt einschränkbar." Es obliegt nach Ansicht des Gerichts somit dem Gesetzgeber, dieses Verfassungsrecht auf Ruhe mit dem der freien Berufswahl sowie der freien Entfaltung in Einklang zu bringen (Artikel 12, Artikel 2). Somit geht es auch um den "besonderen Anlass", den das Ladenöffnungszeitengesetz vorsieht. Hier reicht es laut Bundesverfassungsgericht nicht aus, dass durch die Händler ein bloßes Umsatzinteresse und durch die Kunden ein Einkaufsinteresse besteht. Außerdem müssen die genehmigten Ausnahmen als solche erkennbar sein. Die Sonderöffnung an Feier- und Sonntagen darf nicht auf eine Gleichstellung mit den Verhältnissen an Werktagen hinauslaufen.
Mit seinem Urteil vom 11. November 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht die Kriterien weiter definiert. Demnach darf die Sonntagsöffnung nur als Beiwerk zu anderen, größeren Veranstaltungen stattfinden, die selbst einen beachtlichen Besucherstrom anziehen. Im Umkehrschluss heißt das: Nicht die Ladenöffnung selbst darf einen Besucherstrom auslösen.
Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalts forderte im März 2018 schließlich per Beschluss eine Prognose der Besucherströme – einmal für die anlassgebende Veranstaltung und einmal für die Besucher, die allein wegen der Sonntagsöffnung kämen.
Lutherstadt Wittenberg kann bereits auf Daten verweisen
Nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen der Lutherstadt Wittenberg und der Gewerkschaft Verdi einigten sich beide darauf, künftige Sonntagsöffnungen mit belastbaren Zahlen zu untermauern. Um juristisch auf der sicheren Seite zu sein, beauftragte die Lutherstadt rund um den Töpfermarkt Ende September 2019 ein Meinungsforschungsinstitut damit, die Besucherzahlen zu ermitteln. So wurden an einem verkaufsoffenen Sonntag, einem normalen Sonntag, einem normalen Sonnabend sowie einem Dienstag unter der Woche Besucher der Innenstadt befragt, gezählt und die Daten schließlich hochgerechnet.
Ergebnis: Die mit Abstand meisten Gäste hatte Wittenberg zum Töpfermarkt mit geöffneten Geschäften am Sonntag. Damit ist aus Sicht der Stadt der vorgeschriebene "besondere Anlass" belegt. Die Befragung der Gäste ergab zusätzlich, dass zwei Drittel wegen des Töpfermarktes die Innenstadt aufgesucht hatten, die geöffneten Geschäfte demnach also zweitrangig waren. Mit diesen Daten in der Hinterhand erließ die Lutherstadt schließlich noch einen Tag vorm Reformationsfest eine Allgemeinverfügung, die die Ladenöffnung an jenem Feiertag zeitlich und räumlich begrenzt erlaubte.
Verkaufsoffene Adventssonntage im restlichen Land
Sofern nicht noch weitere Klagen anhänglich werden, sind für die Adventszeit in Sachsen-Anhalt noch einige verkaufsoffene Sonntage vorgesehen. Die Lutherstadt Wittenberg erlaubt den Händlern am 1. sowie 3. Advent ihre Geschäfte von 13 bis 18 Uhr zu öffnen. In Dessau ist einzig der 3. Advent vorgesehen. Die Stadt Stendal verwies auf MDR-Anfrage auf den 4. Advent. Und in der Landeshauptstadt Magdeburg dürfen die Geschäfte am 1. und 4. Advent öffnen.
Quelle: MDR/ap
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 28. November 2019 | 08:10 Uhr
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