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MDR SACHSEN-ANHALT Do 05.12.2024 14:30Uhr 02:25 min

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Freiwilliges Engagement Hallenserinnen nähen mit Geflüchteten

09. Dezember 2024, 09:21 Uhr

Gemeinsam reparieren, nähen oder stricken: Dafür trifft sich eine Gruppe Frauen jede Woche in Halle – seit mittlerweile neun Jahren. Nebenbei lernen sie Deutsch und viel über andere Kulturen.

In einem Hinterzimmer des Welcome-Treffs in Halle packen Sabine Blocher und Martina Schöpke Kisten voller Stoffe, Garne und Knöpfe aus. Alles kommt neben die modernen Nähmaschinen, die schon am Strom angeschlossen sind. Wie viele und wer genau an diesem Donnerstag kommt, wissen die Beiden meistens nicht. Mal sind es nur zwei, ein andermal zehn, sagen sie. Denn der Näh-Treff ist komplett frei, unverbindlich und offen für alle. Es ist einer von vielen Programmpunkten in der Woche, die die Freiwilligen-Agentur Halle an diesem Begegnungsort anbietet.

Bei der Integration im Kleinen mithelfen

Geboren wurde das Näh-Projekt im Winter 2015/16: Sabine Blocher suchte damals eine Möglichkeit, den Geflüchteten zu helfen, die in Deutschland und Halle ankamen. "Ich hab' einfach gedacht: Wenn ich irgendwo hinkommen würde mit einem Koffer und Kleidung und da würde was kaputt gehen, dann müsste ich es irgendwie reparieren", erklärt sie. So habe sie mit der Freiwilligen-Agentur die Idee entwickelt, dass die Leute bei ihnen alles vorfinden, um Kleidung zu flicken oder Gardinen zu ändern. "Ich fand' das völlig überzeugend und hab gedacht ja, das mache ich", erinnert sich Sabine Blocher.

Frauen sitzen um Nähmaschinen
Die drei Freiwilligen des Näh-Treffs (v. r.): Sabine Blocher, Laura Bannach und Martina Schöpke. Bildrechte: MDR/Hanna Kazmirowski

Sie wollen sich mit ihrem Hobby einbringen

Seitdem wird der Näh-Treff jeden Donnerstag angeboten, jeweils für drei Stunden. Sich mit ihrer Handarbeit einzubringen, war für die Mitgründerin das Naheliegendste, weil sie das schon immer gern gemacht hat: "Ich wusste, ich kann das, das macht mir Spaß." Bei ihrer Mitfreiwilligen Martina Schöpke war es etwas anders. Für sie sei immer klar gewesen, dass sie als Rentnerin etwas Ehrenamtliches machen möchte, erzählt sie – am liebsten in einem ganz neuen Bereich. Bis vor fünf Jahren arbeitete sie in der Betreuung von Menschen mit Behinderung. "Und dann bin ich einfach mal zur Freiwilligenagentur gegangen und hab mich kundig gemacht, was so gemacht wird und da haben sie mir dieses Projekt vorgeschlagen."

Als die Jüngste in der Runde hat sich die 25-Jährige Laura Bannach den Näh-Damen angeschlossen. Sie hat sich eine Menge türkisblauer Wolle mitgebracht. "Ich komme vom Dorf, da kennt man irgendwie nur so seine Leute. Aber hier hat man andere Kulturen", sagt sie. So könne sie auf niederschwellige Weise andere, fremde Leute kennenlernen – gerade als eher schüchterne Person schön. Solange sie in Halle ist und es ihre Zeit erlaubt, wolle sie dabeibleiben.

Damit gehören die drei Hallenserinnen zu den 700.000 bis 800.000 Menschen in Sachsen-Anhalt, die in diversen Bereichen ehrenamtlich aktiv sind. Das sind laut Zahlen des Statistischen Landesamts von 2019 etwa 37 Prozent der Bevölkerung. Im kommenden Jahr wird es neue Zahlen dazu geben, wie sich das Engagement bundesweit entwickelt hat.

Ein Rückzugsort für geflüchtete Frauen

Ursprünglich war der Näh-Treff in erster Linie für geflüchtete Frauen gedacht, damit sie kostenlos Kleidung flicken und einen Wohlfühl- und Rückzugsort ohne Männer und Kinder haben können. Mittlerweile ist das Angebot offen für alle; männliche Teilnehmer gibt es trotzdem fast keine. Auch so hat sich der Näh-Treff weiterentwickelt: Heute ist es auch ein Raum des gegenseitigen Lernens und des Austausches. Wenn sie so zusammen um den großen Tisch herumsitzen, ist genug Zeit, um sich zu unterhalten: über ihre Familien, ihre Länder, interessante Kochrezepte oder auch einfach Tipps und Tricks zum Nähen.

Ich war schon immer sparsam und hatte nie so viel Bekleidung wie manch andere. Aber als ich dann gesehen habe, mit was für Kleidern die Frauen hier ankamen, die wir direkt entsorgt hätten, da kam für mich ein Umdenken.

Martina Schöpke, freiwillige Näherin

Die Sprache sei dabei kein Problem, versichert Sabine Blocher, die als freiberufliche Übersetzerin arbeitet. Auch wenn nicht alle Teilnehmerinnen flüssig Deutsch sprechen, verstehe sich die Handarbeit von selbst, sagt sie. "Man zeigt auf die Nähmaschinen, man zeigt auf das Material, man hält Sachen hoch… Also verständigen können wir uns mit allen." Manche Frauen kämen sowieso, um dort Deutsch zu hören und zu lernen. Interviewfragen wollte trotzdem keine so gerne beantworten.

Voneinander lernen und den Horizont erweitern

Und auch die Freiwilligen bereichere der Kontakt zu den anderen Frauen: "Ich war schon immer sparsam und hatte nie so viel Bekleidung wie manch andere. Aber als ich dann gesehen habe, mit was für Kleidern die Frauen hier ankamen, die wir direkt entsorgt hätten, da kam für mich ein Umdenken," sagt Martina. Deshalb nähe sie nun oft alte Sachen in etwas Neues um – zum Beispiel Handtücher zu Putzlappen, Tischdeckenstücke zu Täschchen oder bestickten Weihnachtsbaumschmuck.

Denn auch dafür eignet sich der Näh-Treff: Man kann entweder mit einem bestehenden Handarbeitsprojekt ankommen oder etwas ganz Neues anfangen. So lässt es sich auch einfach mal reinschnuppern: Wer aus anderen Gründen zum Welcome-Treff kommt, kann sich spontan mit dazu setzen. Materialien dafür gibt es jedenfalls ausreichend: Die Freiwilligen-Agentur hat fünf Nähmaschinen angeschafft und stellt Garne, Knöpfe, Stoffe, Bänder und Gummis. Zusätzlich kämen Spenden von Menschen aus Halle.

Mit all den Jahren ist den Damen im Welcome-Treff klar geworden: Handarbeit verbindet die Menschen, egal woher sie kommen. Und: Ehrenamtliches Engagement ist Geben und Nehmen zugleich.

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MDR (Hanna Kazmirowski, Max Schörm) | Erstmals veröffentlicht am 07.12.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. Dezember 2024 | 14:30 Uhr

8 Kommentare

Der Pegauer vor 6 Wochen

Da sollten die Nähzirkelteilnehmerinnen aufpassen, in welchen Kreisen sie sich bewegen und ihrem Hobby nachgehen und die Aussage von Roma Maria Mukherjee aufgreifen, die diese im Frühjahr vergangenen Jahres auf Twitter veröffentlicht hatte: „Rechtsextreme Frauen unterwandern aktuell aktiv auch die textile Hobbyszene (z. B. zum Thema Stricken). Bitte setzt euch aktiv damit auseinander, wer was anbietet und wer Angebote bietet.”

Volker von Alzey vor 6 Wochen

Der einzige der hier schon wieder etwas von Hass und Hetze schreibt, sind Sie . Haben Sie nicht mal eine andere Platte ? Das ist doch nur noch Peinlich

M H Dessau vor 6 Wochen

Finde ich gut!

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