Welt-Aids-Tag 2024Hohe Dunkelziffer in Sachsen-Anhalt: HIV-positiv, ohne es zu wissen
Die Dunkelziffer an HIV-Infektionen ist in Sachsen-Anhalt ungewöhnlich hoch. Unter anderem, weil die Aidshilfe im Flächenland Sachsen-Anhalt an ihre Grenzen stößt. Denis Leutloff arbeitet bei der Aidshilfe in Halle und ist selbst HIV-positiv. Er erklärt, warum eine frühe Diagnose so wichtig ist – und warum er mit seiner Geschichte in die Öffentlichkeit geht.
- Seit 2009 weiß Denis Leutloff aus Halle, dass er HIV-positiv ist. Dank medikamentöser Behandlung ist das Virus bei ihm nicht mehr nachweisbar.
- In Sachsen-Anhalt gibt es eine hohe Dunkelziffer an HIV-Infektionen: Zwischen 180 und 260 Menschen im Land sind HIV-positiv, ohne es zu wissen.
- Etwa ein Drittel aller HIV-Diagnosen wird erst gestellt, wenn schon schwere Immunschäden vorliegen. Bei älteren Frauen werden Symptome oft nicht erkannt.
"Ich würde mich nicht als krank definieren", sagt Denis Leutloff. Der 44-Jährige weiß seit 15 Jahren, dass er HIV-positiv ist. Fast genauso lange ist er in Behandlung. Wie bei 96 Prozent aller Menschen mit seiner Diagnose ist das HI-Virus bei Leutloff nicht mehr nachweisbar – das bedeutet, dass er das Virus nicht auf andere übertragen kann. In seinem Alltag, sagt Leutloff, spiele es eigentlich keine Rolle, dass er HIV-positiv sei.
Was ist der Unterschied zwischen HIV und Aids?
HIV steht für Humanes Immundefizienz-Virus, also menschliches Abwehrschwäche-Virus. Das so benannte Virus schwächt das Immunsystem, also die Abwehrkräfte des Körpers. Wenn Krankheitserreger eindringen, kann er sich dann nicht mehr wehren. Es kommt zu einer Reihe von wiederkehrenden und potentiell lebensbedrohlichen Symptomen, wie zum Beispiel Lungenentzündungen oder Krebserkrankungen. Dann spricht man von Aids. HIV-Medikamente unterdrücken das HI-Virus und können so dafür sorgen, dass gar nicht erst Aids entsteht – wenn die Behandlung frühzeitig beginnt.
Dank der frühen Diagnose und Behandlung konnte Leutloff verhindern, dass das HI-Virus sein Immunsystem zu stark angreift. Doch das ist nicht bei allen Menschen mit HIV so: Etwa ein Drittel aller Diagnosen werden laut Aidshilfe erst gestellt, wenn bereits schwere Immunerkrankungen vorliegen. In Sachsen-Anhalt ist der Anteil der Menschen, die gar nicht wissen, dass sie das Virus in sich tragen, besonders hoch.
Hohe Dunkelziffer an HIV-Infektionen in Sachsen-Anhalt
Zwischen 180 und 260 Menschen in Sachsen-Anhalt sind HIV-positiv ohne offizielle Diagnose – also aller Wahrscheinlichkeit nach, ohne es zu wissen. So zeigt es eine Schätzung des Robert Koch-Instituts. Demnach trugen Ende des vergangenen Jahres in Sachsen-Anhalt etwa 1.000 Menschen das HI-Virus in sich, allerdings nur rund 770 von ihnen mit Diagnose. Das ergibt eine Dunkelziffer von etwa 22 Prozent – eine Kennzahl, die auf Bundesebene bei nur etwa acht Prozent liegt.
Damit ist Sachsen-Anhalt eines der Bundesländer mit der höchsten Dunkelziffer an HIV-Infektionen. Nur in Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch mehr Menschen, die HIV-positiv sind, ohne es zu wissen; für Brandenburg schätzt das RKI die Situation ähnlich ein. In Sachsen wissen laut RKI-Statistik von etwa 3.040 Menschen mit HIV rund 450 nicht, dass sie HIV-positiv sind. In Thüringen betrifft das von rund 860 HIV-positiven Menschen etwa 160.
Bedeutet "ohne offizielle Diagnose" wirklich, dass die Menschen von ihrer HIV-Infektion nichts wissen?
Laut Susanne Glasmacher, der Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin, werden positive HIV-Tests beispielsweise von Gesundheitsämtern anonymisiert an das RKI übermittelt. Die Menschen, die in der RKI-Schätzung als HIV-positiv ohne Diagnose auftauchen, wissen demnach in der Regel nicht, dass sie das Virus in sich tragen. Theoretisch ist es laut Glasmacher möglich, dass ein Teil dieser Personen durch einen Selbsttest, dessen Ergebnis nicht an das RKI übermittelt wird, von ihrer Diagnose wissen. Glasmacher schätzt das aber als ein unwahrscheinliches Szenario ein. Demnach würden sich Menschen mit einem positiven HIV-Selbsttest in der Regel an die Aidshilfe oder einen Arzt oder eine Ärztin wenden, um das Testergebnis zu bestätigen und in Behandlung zu kommen.
Denis Leutloff arbeitet seit 2010 bei der Aidshilfe in Halle, ist mittlerweile dort stellvertretender Geschäftsführer. Er erklärt, warum die Dunkelziffer in Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich so hoch ist: "Mit unserer Zahl an Mitarbeitenden kann man in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt einfach nicht so viel erreichen." Aidshilfen sitzen in Sachsen-Anhalt nur in Magdeburg und Halle. In Halle gebe es drei hauptamtliche Mitarbeitende und eine Projektmitarbeiterin, die hauptsächlich im Bereich sexuelle Bildung an Schulen tätig sei. In Magdeburg gebe es insgesamt sieben Mitarbeitende, von denen auch mindestens zwei in Projektstellen beschäftigt seien.
Mit unserer Zahl an Mitarbeitenden kann man in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt einfach nicht so viel erreichen.
Denis Leutloff | Stellvertretender Geschäftsführer Aidshilfe Halle
Mit dieser Zahl an Mitarbeitenden aus den Großstädten heraus auch Menschen im ländlichen Raum zu erreichen, sei schwer. Zusätzlich habe der Sitz der Aidshilfen in den Großstädten auch umgekehrt für viele Menschen aus ländlicheren Regionen weite Anfahrtswege zur Folge. Die Hürden, für einen HIV-Test zur Aidshilfe zu fahren, seien hoch. Zwar können HIV-Tests auch in den Gesundheitsämtern gemacht werden, in kleineren Städten sei dabei aber das Risiko größer, erkannt zu werden. Das habe teilweise zur Folge, dass Menschen darauf verzichteten, sich zu testen – und im Ernstfall so nichts von dem Virus in ihrem Körper wüssten.
Medizinische Versorgung im ländlichen Raum lückenhaft
Bei der medizinischen Versorgung gibt es aus Leutloffs Sicht ähnliche Probleme: Sogenannte Schwerpunktpraxen, in denen Menschen mit HIV professionell behandelt werden können, befinden sich in Sachsen-Anhalt nur in Magdeburg, Halle und Wittenberg. Viele Menschen mit HIV müssen also für ihre Behandlung eine weite Anreise in Kauf nehmen. In der Regel, so Leutloff, haben Menschen mit HIV alle drei Monate einen Termin bei ihrer behandelnden Ärztin oder ihrem behandelnden Arzt. Für die Behandlungstermine müssten sie sich teilweise von der Arbeit krankschreiben lassen oder Urlaub nehmen – und die weiten Fahrtwege auch bezahlen. Viele HIV-positive Menschen entschieden sich deswegen über lang oder kurz dafür, direkt in Ballungsgebiete zu ziehen.
Winfried Obst ist Oberarzt für Infektiologie an der Uniklinik in Magdeburg. Er bestätigt Leutloffs Aussage: "Auf dem Land, im Harz, in der Altmark, da fehlt es an qualifizierten Ärzten, die sich mit dem Thema HIV auskennen." Gleichzeitig fügt Obst hinzu, dass das Bewusstsein für HIV seiner Wahrnehmung nach bei vielen Ärztinnen und Ärzten gestiegen ist. Und dass die weite Anreise für manche Patientinnen und Patienten auch ihre Vorteile habe. Zu ihm nach Magdeburg kämen teilweise Menschen aus Berlin und Niedersachen in Behandlung: "Manche Menschen empfinden es als stigmatisierend, im eigenen Ort in eine Schwerpunktpraxis zu gehen."
Auf dem Land fehlt es an qualifizierten Ärzten, die sich mit dem Thema HIV auskennen.
Winfried Obst | Oberarzt für Infektiologie an der Uniklinik Magdeburg
Das Gesundheitsministerium teilte MDR SACHSEN-ANHALT mit, dort gebe es deshalb bislang keine Beschwerden von HIV-Patientinnen oder HIV-Patienten. Dasselbe gelte für Bitten um Unterstützung bei der Suche nach einem behandelnden Arzt oder einer Ärztin. Der Ministeriumssprecher schreibt weiter: "Wichtig ist, dass der Zugang zu Beratung und Diagnostik für alle in hoher Qualität sichergestellt werden, um wirklich alle Betroffenen erreichen zu können." Um das zu erreichen, unterstütze das Gesundheitsministerium auch die beiden Aidshilfen in Sachsen-Anhalt mit einer fortlaufenden Förderung. Um die müssen sich die Aidshilfen also nicht immer wieder neu bemühen.
Denis Leutloff: Langes Warten nach der Diagnose
Denis Leutloff erzählt, seine Diagnose 2009 sei ein Zufallsbefund gewesen – und ein echter Schock für ihn. Noch am Tag des positiven Testergebnisses sei er zur Aidshilfe gegangen. Dort habe er einen Termin beim Schwerpunktarzt bekommen – allerdings erst drei Monate später.
"Das arbeitet dann in einem", erinnert sich Leutloff.
"Man weiß ja nicht, in welchem Stadium das Virus sich befindet und kennt sich noch nicht so aus." Sein damaliger Freund habe vor dem Arzttermin einmal verzweifelt gesagt: "Wir wissen ja gar nicht, wie lange er noch leben wird!"
Letztendlich sei das Virus noch nicht zu lange in seinem Körper gewesen, die Behandlung war erfolgreich. Allerdings sei auch die Medikation damals eine andere gewesen als heute: "Heute nehmen die meisten Menschen in Behandlung eine Tablette am Tag. Damals musste man vier oder fünf nehmen und das auch immer zur exakt gleichen Zeit", sagt Leutloff. Die damals eingesetzten Medikamente hätten außerdem heftige Nebenwirkungen gehabt. Alles in allem keine leichte Zeit für den damals 30-Jährigen. Ihm habe es geholfen, "etwas in dem Bereich zu verändern", sagt Leutloff.
Mit der eigenen Geschichte an die Öffentlichkeit
Seit Mitte 2010 arbeite er bei der Aidshilfe in Halle. Er hätte sich für sich selbst gewünscht, nicht so lange auf den Arzttermin warten zu müssen. Als Mitarbeiter der Aidshilfe habe er Stück für Stück mitgeholfen, neue Strukturen zu schaffen, erzählt Leutloff nicht ohne Stolz. Heute sei es so, dass Menschen mit einem positiven HIV-Test noch am selben oder spätestens am Folgetag einen Termin bei einer Schwerpunktpraxis bekämen. Zusätzlich habe Leutloff sich nach seiner Diagnose mit anderen HIV-positiven Menschen vernetzt, Akteurinnen und Akteure der Selbsthilfe kennengelernt. "Es war dann relativ schnell klar: Ich muss und möchte mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit gehen", erinnert er sich.
2013 habe er zum ersten Mal bei einer der jährlichen Kampagnen der Aidshilfe zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember mitgemacht. "Es war schon merkwürdig, mein Gesicht so riesengroß auf irgendwelchen Plakaten zu sehen", gibt er zu. Aber er habe viel positives Feedback bekommen. Und immer wieder auch das Gefühl gehabt, mit Kampagnen tatsächlich Veränderung anstoßen zu können. Beispielsweise mit der Aktion "Ich machs ohne", die 2016 thematisierte, dass HIV-positive Menschen in erfolgreicher Therapie auch ohne Kondom übertragungsfrei Sex haben können. Leutloff war Teil der vieldiskutierten Aktion.
Auch bei der Kampagne zum Welt-Aids-Tag in diesem Jahr ist der Hallenser wieder auf einem Plakat der Kampagne zu sehen – in seinem Ju-Jutsu-Anzug. Vor dem Heimspiel der Wild Cats in Halle am 7. Dezember soll es ein Gespräch mit Leutloff zum Thema HIV im Sport und Alltag geben.
Diskriminierung von Menschen mit HIV im medizinischen System
HIV-positive Menschen erlebten in ihrem Alltag nach wie vor Diskriminierung, erzählt Leutloff. Gerade im medizinischen System komme das häufig vor.
Er erzählt von einem eigenen Erlebnis in der Notaufnahme vor mehr als zehn Jahren: Die Nebenwirkungen der HIV-Medikamente seien damals an einem Tag so schlimm gewesen – Leutloff spricht von Erbrechen, Übelkeit und Durchfall – dass er mit seinem damaligen Partner in die Notaufnahme gefahren sei. "Doch der Arzt dort hat nur zu mir gesagt, ich sei selbst Schuld, dass ich HIV-positiv bin." Mit den Nebenwirkungen der Medikation müsse er leben.
"Da fühlt man sich wirklich wie ein Mensch fünfter Klasse", sagt Leutloff. "Und nicht nur das", fügt er hinzu, "wenn einem so etwas passiert, verliert man auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem." Er sei eigentlich der Meinung gewesen, er habe diese Erfahrung für sich gut verarbeitet, so Leutloff. Doch als er im vergangenen Jahr einen Menschen in dieselbe Notaufnahme begleitet habe, sei alles wieder hochgekommen.
Obwohl Symptome da sind: Bei älteren Frauen wird HIV häufig spät erkannt
Wenn Ärztinnen und Ärzte Vorurteile haben oder nicht ausreichend zum Thema HIV informiert sind, hat das immer wieder auch gefährliche gesundheitliche Folgen. Das erzählt Anna Müller, eine Kollegin von Leutloff in der Aidshilfe in Halle. Sie ist dort unter anderem für Frauen mit HIV zuständig. Laut Müller erkennen Medizinerinnen und Mediziner bei Frauen oft viel zu spät, wenn hinter ihren Beschwerden das HI-Virus stecke. Besonders bei älteren Frauen brächten Ärztinnen und Ärzte eigentlich klassische Aids-Symptome wie immer wiederkehrende Pilzinfektionen im Mund aufgrund des geschwächten Immunsystems nicht mit dem Virus in Verbindung. "Da ist häufig kein Bewusstsein dafür da, dass Frauen ab 50 auch Sex haben", so Müller.
Bei Ärztinnen und Ärzten ist häufig kein Bewusstsein dafür da, dass Frauen ab 50 auch Sex haben.
Anna Müller | Mitarbeiterin der Aidshilfe in Halle
Auch Oberarzt Obst aus dem Universitätsklinikum Magdeburg sagt: "Manchmal ärgert man sich so ein bisschen, weil es durchaus passiert, dass Patienten mit Symptomen zu uns kommen, wo man denkt: Da hätte der Hausarzt schon den HIV-Test anbieten können, dann hätte es gar nicht zu diesem Stadium Aids kommen müssen."
Anna Müller von der Aidshilfe ergänzt: Auch die Frauen selbst brächten HIV häufig eher mit der schwulen Community in Verbindung und nicht mit sich selbst. Ende 2023 gab es laut RKI 800 Männer und 200 Frauen mit HIV in Sachsen-Anhalt.
Wie wahrscheinlich ist eine Übertragung beim Sex mit einer HIV-positiven Person?
Die allermeisten HIV-positiven Menschen in Deutschland sind in erfolgreicher medikamentöser Behandlung. Beim Sex übertragen sie das HI-Virus nicht – auch ohne Kondom. Ist eine HIV-positive Person nicht in erfolgreicher Behandlung, besteht beim Sex ein Ansteckungsrisiko. Aber auch das ist geringer als häufig angenommen und unterscheidet sich zwischen den verschiedenen sexuellen Praktiken. Dringt beispielsweise eine HIV-positive Person anal in eine HIV-negative Person ein, hat die Person ohne HIV laut einer Studie aus 2020 ein Ansteckungsrisiko von etwa 1,38 Prozent. Bei vaginalem Eindringen einer Person mit HIV in eine Person ohne HIV liegt das Ansteckungsrisiko demnach nur bei etwa 0,08 Prozent. Beim Küssen oder Händeschütteln kann das HI-Virus ohnehin nicht übertragen werden.
Müller kann noch weitere Beispiele benennen, in denen Frauen mit HIV im medizinischen System Benachteiligung erfahren. So sei die gängige Medikation nach den Richtlinien für Frauen häufig viel zu hoch dosiert, was auch eventuell auftretende Nebenwirkungen verstärke. Und: "Erst seit zwei Jahren dürfen Frauen mit HIV, die in erfolgreicher Therapie sind, vaginal gebären." Zuvor sei immer ein Kaiserschnitt gefordert gewesen, obgleich schon deutlich länger bekannt gewesen sei, dass diese Frauen das Virus nicht auf ihr Kind übertrugen.
Das sind Symptome von HIV
HIV-Symptome können sehr unterschiedlich sein und auch bei anderen Krankheiten auftreten. Treten Symptome in zeitlicher Nähe zu einem HIV-Risiko auf, macht laut Deutscher Aidshilfe ein Test Sinn. Kurz nach einer HIV-Infektion können Grippe-Symptome auftreten – etwa Fieber, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß oder Lymphknotenschwellung. Nach kurzer Zeit folgt eine lange Phase ohne Symptome. Der Körper wird trotzdem weiter geschädigt.
2023 hoher Anstieg an Neudiagnosen in Sachsen-Anhalt
2023 gehörte Sachsen-Anhalt laut RKI-Statistik zu den Bundesländern mit dem höchsten Anstieg bei den HIV-Neudiagnosen. So wurden im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt insgesamt 99 Diagnosen gestellt. Im Jahr zuvor hatte die Zahl noch bei 56 gelegen und 2021 bei 41. Bundesweit waren 2023 ähnlich viele Neudiagnosen gestellt worden wie im Vorjahr.
Sowohl von Seiten der Aidshilfe Halle als auch vom Gesundheitsministerium gibt es aber Entwarnung bezüglich der gestiegenen Zahlen: So weist ein Sprecher des Ministeriums auf eine verringerte Zahl von Neudiagnosen in den Vorjahren hin, die die "Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen" mitverursacht hätten. Ganz im Gegenteil interpretiert das Ministerium die in Sachsen-Anhalt gestiegene Zahl an Neudiagnosen positiv: "Laut Robert Koch-Institut weisen die aktuellen Daten darauf hin, dass der Ausbau von zielgruppenspezifischen Testangeboten und ein früherer Behandlungsbeginn auch in Deutschland Erfolge gezeigt haben."
Denis Leutloff von der Aidshilfe Halle weist außerdem auf die Geflüchteten aus der Ukraine hin. Die Diagnosen der HIV-positiven Menschen unter ihnen würden teilweise als Neudiagnosen eingeordnet.
Sorgen ums Geld bei der Aidshilfe
Aus Sicht der Aidshilfe gibt es noch einiges zu tun, bis Menschen mit HIV nicht mehr unter gesellschaftlichen Vorurteilen leiden müssen. Denis Leutloff engagiert sich neben seiner Arbeit in der Aidshilfe auch ehrenamtlich für andere Menschen mit HIV.
Seine Nummer ist für viele HIV-positive Menschen eine der ersten, die sie nach ihrer Diagnose wählen – auch, wenn er längst nicht mehr im Büro ist. "Die Fragen", sagt er, "kommen den Leuten meist nicht zu unseren Geschäftszeiten." Er zitiert einen Mediziner aus einer der beiden Schwerpunktpraxen in Halle. Der Arzt habe gesagt, dass sich in den vergangenen Jahren im Bereich HIV medizinisch nicht viel geändert habe. "In der Gesellschaft aber schon! Und das ist eben auch den Aidshilfen zu verdanken."
Die Aidshilfe selbst ist ein Verein und als solcher von Fördermitteln abhängig. Die kommen für die Aidshilfe in Halle unter anderem vom Land Sachsen-Anhalt, von der Stadt Halle, vom Saalekreis. Auch über Projektmittel und Spenden finanziere die Aidshilfe hin und wieder. Mit Blick auf die aktuell klammen Kassen der Kommunen und des Landes und das politische Klima machen sich die Mitarbeitenden Sorgen, ob die Förderungen in den nächsten Jahren weiter bestehen bleiben.
Aktuell sie die Finanzierung der Aidshilfe Halle noch stabil. Die gesellschaftliche Atmosphäre erschwere aktuell aber immer wieder die Arbeit der Aidshilfe. So schlage den Mitarbeitenden an Schulen teilweise Misstrauen entgegen, weil manche Lehrkräfte eine angebliche "Frühsexualisierung" vermuteten. Erst im Oktober hatte das Land Nordrhein-Westfalen massive Kürzungen bei der dortigen Aidshilfe geplant. Seitens das Gesundheitsministeriums sind aktuell keine solchen Kürzungen geplant, wie ein Sprecher MDR SACHSEN-ANHALT auf Anfrage mitteilte.
Der Landeshaushalt für die Jahre 2025 und 2026 werde allerdings aktuell gerade noch verhandelt.
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MDR (Alisa Sonntag) | Erstmals veröffentlicht am 01.12.2024
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Dezember 2024 | 19:00 Uhr
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