Katja Müller (Die Linke) im Interview Stadtratsvorsitzende: Maßnahmen gegen Wiegand gemeinsam angehen

18. Februar 2021, 19:15 Uhr

In Halles Stadtrat formiert sich wegen der Impfaffäre Widerstand gegen Oberbürgermeister Bernd Wiegand. Die Vorsitzende, Katja Müller (Die Linke), plädiert im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT dafür, dass die Stadtvertreter gemeinsam Maßnahmen prüfen. Ihre Fraktion würde einem Abwahlverfahren zustimmen. Auch die Fraktionen von SPD und Grünen streben Konsequenzen an. Wiegand selbst sieht in seiner vorzeitigen Impfung weiter kein Problem. – Hier das Interview mit Katja Müller zur Impfaffäre und der Aufklärung durch den Oberbürgermeister im Wortlaut:

MDR SACHSEN-ANHALT: Es gab Erklärungsversuche, halbherzige Entschuldigungen. Aber noch immer liegt einiges im Dunkeln, wie das abgelaufen ist. Was macht denn die Aufklärung für die Stadträte so schwierig?

Katja Müller: Ja, ich würde sagen: in erster Linie die Blockadehaltung des Oberbürgermeisters. Das bekommen sowohl wir im Stadtrat mit als auch Journalistinnen und Journalisten. Es werden Fragen nicht beantwortet – auch jetzt: ein umfangreicher Fragenkatalog, der von Fraktionen eingereicht wurde, wo uns auch zu gestern, zur gestrigen Stadtratssitzung, eine umfangreiche Antwort versprochen wurde. Wenn man sich die Antworten durchliest, dann muss man doch nach wie vor erheblich an einer Aufklärung zweifeln.

Es steht ja vieles im Raum: Disziplinarverfahren, Suspendierung, Rücktritt. Wie sollte der Stadtrat ihrer Meinung nach mit dem OB weiter verfahren?

Na ja, das ist in erster Linie tatsächlich auch eine Sache der Fraktion. Da bin ich jetzt als Stadtratsvorsitzende auch erstmal nicht vordergründig am Zug. Das ist was, was die Fraktionen miteinander besprechen müssen und dort auch Maßnahmen miteinander abstimmen müssen. Das geht auch nur gemeinsam. Allein wird man da wenig Möglichkeiten haben, als einzelne Fraktion. Ich persönlich denke allerdings auch: Ja, Maßnahmen gegen den OB im Hinblick auf ein Abwahlverfahren, auf eine Disziplinarmaßnahme oder auch gegebenenfalls eine Suspendierung, sollten auf jeden Fall geprüft und eindringlich miteinander besprochen werden.

Wenn Sie das jetzt so sagen: Warum hat ihre Fraktion aber noch keinen Abwahlantrag Antrag gestellt – vielleicht weil sie selbst verstrickt ist? Ihr Fraktionsvorsitzender Bodo Meerheim, der hat sich ja auch vorab impfen lassen.

Nein, das ist jetzt definitiv nicht der Grund. Meine Fraktion ist sehr fest gewillt, einem Abwahlverfahren zuzustimmen. Es ist nur so, dass ein Abwahlverfahren natürlich auch sehr hohe Hürden hat. Das heißt: Es muss ein Quorum erreicht werden, es muss überhaupt erst einmal durch den Stadtrat durchkommen. Dafür braucht es von 56 Stadträtinnen und Stadträte, insgesamt 42, die so einem Verfahren zustimmen würden. Das heißt, es bedarf natürlich jetzt auch erst mal diverser Absprachen und diverser Diskussionsrunden, um das gemeinsam auch auf den Weg zu bringen.

Verteilung der Sitze der Stadträtinnen und Stadträte von Halle

  • DIE Linke: 10
  • CDU: 10 
  • Grüne: 9 
  • AfD: 8 
  • SPD: 6 
  • Hauptsache Halle: 4
  • MitBürger: 3
  • FDP: 3 
  • Die PARTEI: 2
  • Freie Wähler: 1

Für wie groß halten Sie den politischen Imageschaden für die Stadt? Und wie lässt sich das vielleicht auch wieder gutmachen?

Ja, ich halte ihn für sehr groß, leider. Wie sich das wieder gutmachen lässt, das weiß ich nicht. Das Mindeste wäre eigentlich gewesen, dass der Oberbürgermeister auch eben von Anfang an transparent mit der Sache umgegangen wäre, also eben auch Fragen beantwortet hätte, eben genau nicht diese Blockadehaltung zutage legt. Sie hatten es eben selber angesprochen: Ich habe mit meiner Fraktion selber einen Fall mit unserem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Doktor Meerheim. Uns war natürlich klar, dass sozusagen das Eingeständnis und auch eine Entschuldigung dafür das Mindeste ist, um überhaupt wieder Vertrauen herstellen zu können. Und das hätte auch der Oberbürgermeister tun müssen, gleich am Anfang. Ich bin der Meinung: Inzwischen ist der Zug leider abgefahren, weil sich die ganze Sache nicht mehr nur um das Vergehen, um das Geimpftsein des Oberbürgermeisters an sich dreht. Sondern seit mittlerweile einer Woche geht es eben auch sehr massiv um den Umgang mit dem ganzen und der ist in der Tat ein Problem.

Die Fragen stellte Susi Brandt.

MDR/Susi Brandt, André Plaul

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. Februar 2021 | 19:00 Uhr

14 Kommentare

ElBuffo am 20.02.2021

Was wollen Sie denn mit Katastrophenschutz? Der OB ist doch vom Amrs wegen oberster Katastrophenschützer der Stadt. Lehrer und Erzieher wurden aus unerfindlichen Gründen weiter hinten eingereiht. Ganz vorne stehen diejenigen, die für die Aufrechterhaltung systemrelevanter Bereiche am entbehrlichsten wären, sich am einfachsten schützen ließen und ansonsten das meiste davon hätten, dass ihre Kontaktpersonen geimpft sind.

ElBuffo am 20.02.2021

Das waren dann wohl mehr als alle anderen Berwerber.
Ansonsten wäre es hinterher freilich besser gewesen die Dosen dann eben verfallen zu lassen, wenn da weder der Verordnungsgeber noch das Land konkrete Vorgaben für jeden nur denkbaren Einzelfall gemacht haben.

Sachkundiger Zuschauer am 20.02.2021

Liebe Leute, bei aller Aufregung und auch berechtigter Kritik..... Einmal tief Luft holen! Es war nicht gut aber es war auch nicht verboten! Es mag auch moralisch verwerflich anmuten aber ein Oberbürgermeister der seine Verantwortung ernst nimmt, möchte und sollte vielleicht auch sicher gehen, dass er gesund bleibt, auch um seine Aufgaben für die Bürger der Stadt weiter wahr nehmen zu können. Warum spielt es plötzlich keine Rolle mehr, was der Mann bisher für Halle geleistet hat? Seid Ihr sicher, dass ein OB beliebig austauschbar ist und daß das Eurer Stadt in jeder Hinsicht gut tut? Gerade in Krisen ist Beständigkeit im Management von elementarer Bedeutung, das sollte allgemein bekannt sein. Den OB jetzt aus Prinzip vom Hof zu jagen ist beschämend und kurzsichtig! Um so erschreckender, dass sich die selbst betroffenen Fraktionen für dieses Spiel in die erste Reihe stellen.

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