Diskussion über StadtzentrumWie mehr Menschen in die Innenstadt von Halle gelockt werden sollen
In den Innenstädten sind bundesweit immer weniger Menschen unterwegs – so auch in Halle. Damit sich dieser Trend nicht weiter fortsetzt, haben sich Bürgerinnen und Bürger am Mittwoch getroffen und Vorschläge ausgetauscht. Dabei wurde zum Beispiel über digitale Angebote, zu hohe Mieten und ein Begrünungskonzept gesprochen. Die Stadt Halle will den Einzelhandel mit einem Wettbewerb stärken.
- Die Hallenserinnen und Hallenser haben am Mittwochabend über die Zukunft ihrer Innenstadt diskutiert.
- Es braucht vor allem Maßnahmen gegen den Klimawandel, findet die Fachbereichsleiterin für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, Sabine Odparlik.
- Eine Ladeninhaberin aus Halle wünscht sich dagegen mehr digitale Angebote und eine vielfältigere Innenstadt. Um den Einzelhandel zu stärken, hat die Stadt einen Wettbewerb ins Leben gerufen.
Mal schnell im Internet bestellen oder an den Stadtrand ins große Einkaufszentrum fahren – für viele Menschen gehört das zum Alltag. Das wirkt sich auch auf die Innenstädte aus. Die Besucherzahlen sind laut Deutschlandstudie aktuell um fast 30 Prozent zurückgegangen. Aber wie kann die Zukunft der Innenstädte gestaltet werden, damit das Stadtzentrum lebenswert bleibt? Darüber haben Halles Bürgerinnen und Bürger bei einer Veranstaltung im Dorint-Hotel unter anderem mit der Stadt Halle diskutiert.
Die Fachbereichsleiterin für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung der Stadt Halle Sabine Odparlik findet, dass neben einem guten Sicherheitskonzept, Sauberkeit und Service wie zum Beispiel genügend Toiletten, auch die Anpassung der Innenstadt an den Klimawandel eine große Herausforderung ist. Die Sommer seien sehr heiß. Deshalb müsse man dafür sorgen, dass die Menschen in der Innenstadt trotz Wärme gut leben, wohnen und arbeiten können. Das betrifft laut Odparlik aber auch alle Touristen, die Halle besuchen.
Stadt muss sich an den Klimawandel anpassen
"Ganz wichtig ist es in unserer steinernen Innenstadt, wo sich Hitzeinseln bilden und die Wärme nicht abfließen kann, Begrünungselemente zu schaffen." Das sei aber nicht einfach, weil in Halle viele Gebäude unter Denkmalschutz stünden. "Aber man merkt schon, wenn man unter einem Baum steht, welchen Unterschied das macht." Deshalb spricht sich die Fachbereichsleiterin für Flächenbegrünung, Dachbegrünung und andere Schattenspender aus und zwar überall dort, wo es keine Bäume gibt.
Das im Januar dieses Jahres vom Stadtrat beschlossene Grün- und Freiraumkonzept sieht vor allem die Begrünung des Innenstadtrings vor. Aber auch auf dem Marktplatz, wo keine Bäume gepflanzt werden könnten, müsse man Lösungen zur Begrünung finden, so Odparlik. Das Gleiche gelte für die der Einkaufsstraßen. Ein gutes Beispiel dafür sei die obere Leipziger Straße. Dort stehen Bäume. Wenn man im Sommer, an einem Sonntag, dorthin ginge, dann würde man eine belebte Straße sehen, weil die Menschen dort unter den Bäumen säßen und einfach den Sommer genießen, anstatt unter der Hitze zu ächzen.
Innenstadt digital erlebbar machen
Ladeninhaberin und Immobilienmaklerin Rebecca Kiehne aus Halle wünscht sich für eine erlebbare Innenstadt die Verknüpfung von realer und digitaler Welt. Sie möchte in der Innenstadt Informationspunkte an touristischen Hotspots schaffen, und zwar mit digitalen Kommunikationssäulen. Dort soll es die Möglichkeit geben, einen QR-Code mit dem Handy einzuscannen, so dass die Besucher und Touristen der Innenstadt digitale Angebote bekommen. Ein Beispiel für Halle wäre ein digitaler Georg Friedrich Händel:
"Ich könnte mir vorstellen, dass der Händel plötzlich in 3D dasteht und über sein Wirken und Schaffen selbst berichtet.", erklärt Kiehne. Das sei einfach greifbar für Touristen und könne sicher noch ausgeweitet werden, indem man eine komplette Händelroute bis zum Händelhaus entwickele. "Davor kann man wieder einen QR-Code machen, wo er dann über sein Geburtshaus erzählt. Das geht sicher auch mit anderen Persönlichkeiten wie zum Beispiel August Hermann Francke und an verschiedensten Orten."
Orte schaffen, mit denen sich die Menschen identifizieren
Damit sich die Menschen mit ihrem Stadtgebiet identifizierten, brauche man eine Kernidee, wie zum Beispiel "Wissenschaft" für den Universitätsplatz, so Rebecca Kiehne. "Da hat man die Schule als Teilbereich, dann hat man Gastronomie speziell auf die Studenten ausgerichtet und man hat Parkanlagen. All das zusammengefasst ergibt ein Bild, dass man dann auf unterschiedliche Kernbereiche adaptieren kann. Solche Kernbereiche können dann Handwerk, Kultur oder Musik sein." Wenn die Leute sich mit ihrem Ort identifizieren, gingen sie gerne dort hin. Es sei möglich mehrere solcher Identitätsorte zu schaffen, in dem man kleinere Kieze in einer Stadt bildet.
Weg vom einfachen Einkaufserlebnis hin zum Erleben der Innenstadt
Rebecca Kiehne würde gern neben den Einkaufsmöglichkeiten auch Handwerksbetriebe ins Stadtzentrum holen. Auch Malschulen und Näh-Cafés kann sie sich vorstellen. Derzeit würden solche Angebote aus der Innenstadt gedrängt, weil die Mieten zu hoch seien. Es brauche Konzepte, um das Zentrum auch für diese Mieter attraktiv zu machen. Dafür müsse man mit den Eigentümern sprechen, um niedrigere Mieten auszuhandeln, damit letztendlich vielfältigere Angebote gemacht werden können. Eine leere Innenstadt würde auch keinem Investor weiterhelfen.
"Tatsächlich haben meine Recherchen ergeben, dass die Mieten hier bei 75 Euro pro Quadratmeter liegen, und das für einen etwa 70 Quadratmeter großen Landen. Das sind über 5.000 Euro Kaltmiete für einen so kleinen Laden. Das steht in keinem Verhältnis und das kann sich ein ganz normaler Laden einfach nicht leisten." Angemessen wären ihrer Ansicht nach Mieten zwischen fünfzehn und zwanzig Euro pro Quadratmeter. Für ihren eigenen Laden bezahle sie 8,50 Euro pro Quadratmeter in Innenstadtlage.
Halle will Einzelhandel mit Wettbewerb stärken
Die Stadt Halle möchte über das Bundesprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren" den sogenannten inhabergeführten Einzelhandel stärken. Dazu soll laut Fachbereichsleiterin Odparlik noch in diesem Jahr der Wettbewerb "Werde dein eigener Chef" initiiert werden. Dafür sollen kreative Menschen nachhaltige Ladenkonzepte entwickeln. Eine Jury wählt zwei Konzepte aus, die dann von der Stadt zwei Jahre lang finanziell, über Mietzuschuss, unterstützt werden. Der Inhaber kann sein Ladenkonzept testen, ausprobieren und verbessern. Zudem sollen die Ladenbesitzer mit einem Coaching begleitet werden.
Sabine Odparlik hofft, dass weitere Menschen motiviert werden, solche Läden zu eröffnen und Immobilienbesitzer bereit sind, die Mietpreise anzupassen. Damit würden auch andere Mieter eine Chance bekommen, neue Läden zu eröffnen. Wenn auf diese Weise ein nachhaltiges, kleinteiliges Angebot in der Innenstadt erfolgreich realisiert werden kann, dann bringe das einerseits Wirtschaftskraft und möglicherweise leiste das einen Beitrag zu einem ökologischeren Konsum.
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MDR (Andreas Manke, Annekathrin Queck)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. März 2023 | 08:30 Uhr
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