Jugendliche im Stadthaus Erster Jugenddialog in Halle: "Ich war von mehr jungen Leuten ausgegangen"
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12. September 2024, 17:31 Uhr
In Halle sind zum ersten Mal junge Erwachsene mit der Stadtverwaltung zum Jugenddialog zusammengekommen. Es ging um Sicherheit, das Nachtleben und neue Sportplätze, über die Jugendliche sich Gedanken machen – aber auch um ein grundsätzliches Kommunikationsproblem.
- In Halle haben rund 30 Menschen zwischen 14 und 27 Jahren am ersten Jugenddialog im Stadthaus teilgenommen.
- Aktuelle Streitpunkte sind das Nachtleben in Halle und Infos, die Jugendliche gerne auf Social Media sehen würden.
- Was davon im Stadtrat besprochen wird, sollen zunächst die Fachbereiche prüfen. Der Jugenddialog soll fortgesetzt werden – möglicherweise in lockererer Atmosphäre.
Nach gut einer Stunde rutschten die ersten Jugendlichen unruhig auf ihren Stühlen herum: Sie sind zum ersten Jugenddialog in Halle gekommen, doch der kam erstmal gar nicht zustande. Denn zuerst hielten Bürgermeister Egbert Geier und andere Vertreterinnen und Vertreter aus den städtischen Fachbereichen eine umfangreiche Präsentation zu Themen, die sie als wichtig erachteten: In welchen Gremien Jugendliche mitentscheiden können oder wo in den nächsten Jahren ein neuer Skateplatz und Parcours gebaut werden sollen.
Als die jungen Erwachsenen endlich zu Wort kommen, wird schnell klar, was sie beschäftigt: "Wo sollen und können wir unsere Freizeit verbringen? Wo können wir auch mal lauter sein, wo es sicher, kostenlos oder zumindest niederschwellig ist?", fragt Nele, 17 Jahre.
Nachtleben in Halle bleibt weiterhin Streitpunkt
Denn beliebte Treffpunkte wie der August-Bebel-Platz sind nach wie vor ein Thema: "Aus Sicht der Anwohner seid ihr Jugendlichen die Störenfriede", machte Tobias Teschner, Chef des Fachbereichs Sicherheit der Stadt Halle, klar. Die Jugendlichen fühlten sich wiederum von den dort abgestellten Ordnungskräften gestört.
Aus Sicht der Anwohner seid ihr Jugendlichen die Störenfriede.
Ähnlich ist es auf der Ziegelwiese. "Die Polizei da vor Ort gibt uns eher das Gefühl, kontrolliert statt beschützt zu werden", meint ein Schüler. Besser sei es, für mehr Toiletten, Bänke und Beleuchtung zu sorgen, damit die Ziegelwiese ein attraktiverer Treffpunkt für den Abend wird. Das sei jedoch mit den Naturschutzregeln der Grünanlage schwer zu vereinbaren, gab der Baubeigeordneter René Rebenstorf zu bedenken.
Die Polizei da vor Ort gibt uns eher das Gefühl, kontrolliert statt beschützt zu werden.
Wie soll es also auf der Ziegelwiese weitergehen? Dazu wollten die Anwesenden kein klares Stimmungsbild abgeben. Stattdessen schlugen sie nach einigem Knirschen vor, online abstimmen zu lassen, damit mehr Jugendliche teilnehmen könnten. Doch genau da ist der Knackpunkt, der die Diskussion hitzig werden ließ: Es gibt bisher keine Plattform, über die die Stadt die breite jugendliche Bevölkerung erreicht.
Jugendliche fordern: Stadt soll mehr auf Social Media setzen
"Wie soll ich mich im Internet über etwas informieren, wenn ich nicht mal weiß, dass es da was gibt?", kritisierte eine Lehramtsstudentin. "Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die Stadt einen eigenen Kanal für alle News und Angebote für junge Leute hätte. Denn auf Instagram ploppen die News einfach auf", sagte sie. Damit das auch wirklich ansprechend wird, könne die Stadt zum Beispiel mit Medienstudierenden der Uni Halle zusammenarbeiten.
Grundsatzreferent Oliver Paulsen reagierte eher verhalten: "So einen Social-Media-Auftritt aufzubauen bedeutet sehr viel Arbeit und Zeit." Doch die Teilnehmenden blieben dabei: Die Stadt müsse zuerst lernen, die jungen Leute auf direkterem Wege zu erreichen.
Stadt entwickelt Vorschläge intern weiter
Die Beigeordnete für Kultur und Sport, Dr. Judith Marquardt, schrieb fleißig mit, was die Jugendlichen am Mikro zu sagen hatten: Die Öffnungszeiten für die Turnhallen und Saaleschleusen seien zu kurz, außerdem fehle es an Fußballplätzen und einer Kletterhalle. Die Jugendlichen schlugen auch vor, enger mit den Vereinen zusammenarbeiten. "Denn je nachdem, ob man am Bebel, in der Südstadt oder in Halle-Neustadt wohnt, hat man andere Bedürfnisse", sagte ein 18-Jähriger.
Die einzelnen Fachbereiche der Stadt wollen die Ergebnisse der Diskussion nun im Nachgang intern auswerten. Welche Themen vielleicht in den Stadtrat kommen, sei zu prüfen, sagte Bürgermeister Geier. "In dieser Anfangsphase wird es wenig Sinn machen, sich im Detail zu verlieren." Vielmehr gehe es um die großen Linien – heißt: niederschwellige Kommunikationswege und bei Dauerbrennern wie dem Bebel-Platz einen Kompromiss zwischen Jugendlichen, Anwohnern und Sicherheitskräften finden.
Auf der Wiese statt im Festsaal? – Jugendliche wünschen sich Dialog auf Augenhöhe
In den knapp drei Stunden angeregter Diskussion ist klargeworden: Der Jugenddialog braucht eine lockere Atmosphäre. "Wir fänden es wichtig, mehr auf Augenhöhe miteinander zu reden", sagten zwei Studentinnen. Das bestätigte der 14-jährige Samuel: "Als ich hier reinkam, hab ich erstmal ganz viele wichtige Leute im Anzug gesehen und dachte mir so: Oh, okay – ich war eigentlich von mehr jungen Leuten ausgegangen."
Als ich hier reinkam, hab ich erstmal ganz viele wichtige Leute im Anzug gesehen und dachte mir so: Oh, okay – ich war eigentlich von mehr jungen Leuten ausgegangen.
Darum will sich der Bürgermeister bemühen: "Wir wollen von euch lernen und Dinge hören, die wir dann in unsere Arbeit einfließen lassen können." Der Jugenddialog soll ab jetzt jedes halbe Jahr stattfinden.
Geier bat auch um Verständnis, dass sich das Format noch im Aufbau befinde. Vielleicht würde der Austausch künftig besser funktionieren, wenn er nach Themen, Altersgruppen oder Stadtvierteln strukturiert wäre. Und ein klarer Verbesserungsvorschlag der Jugendlichen: Sich da zu versammeln, wo sich junge Menschen sowieso gern aufhalten. Vielleicht sitzen sie das nächste Mal also in Kleingruppen nebeneinander auf der Wiese statt im prunkvollen Festsaal.
MDR (Hanna Kazmirowski, Maren Wilczek)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. September 2024 | 07:40 Uhr
Shantuma vor 3 Wochen
Der Infokanal wird aber schlicht untergehen.
Und wenn man Reichweite generieren will, dann muss man sich durchaus spezialisieren.
Dies widerspricht aber den unterschiedlichen Interessen von Jugendlichen.
D.h. man macht es so wie früher, ohne Litfaßsäule und ohne IG.
Man trifft sich, wo man sich immer trifft, dann gibt es Mundpropaganda und es geht los.
Heute muss anscheinend auch die Mundpropaganda digitalisiert werden und dies führt am Ende dann auch zu Missbrauch!
Jeder kennt doch die Geschichten von den ungeplanten Mega-Geburtstagsparties. Wenn nicht, dann sollte man nicht über Dinge sprechen, die man nicht kennt und begreift.
Anita L. vor 3 Wochen
Früher hieß dieses Instagram Litfaß und da musste man auch nicht erst umständlich "recherchieren". Es ging in der Diskussion ja wohl auch nicht um wissenschaftliche Studien, Unterrichtsvorbereitungen oder die nächste Facharbeit, sondern um einen Infokanal der Stadt. Himmel. Wenn Sie die nächste Zugverbindung suchen, lesen Sie doch auch nicht mehr im Kursbuch nach...
Thommi Tulpe vor 3 Wochen
Mittlerweile bin ich fast 60 Jahre alt. Erinnere ich mich an meine Kinder- und Jugendzeit, erinnere ich mich daran, dass wir uns als Kinder und Jugendliche auch in Parks, auf Spiel- und öffentlichen Plätzen trafen, sicher auch für Lärm sorgten, welcher manchen Anwohner auch genervt hat, sicher auch diese Orte selten in einem sauberen Zustand verlassen hatten. Ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, dass uns "Freund Volkspolizist" über Gebühr kontrollierte oder dass unser Lärm Anwohner zu hörbar lauten Beschwerden hinreißen ließ. Die meisten Beschwerden gab es, dann aber tatsächlich massiv, wenn wir durch private Gärten streiften, die in meiner damaligen Wohngegend zumeist gleich hinter dem Haus waren, und in diesen privaten Gärten Erdbeeren, Äpfel oder sonstiges Obst "mausten".
Ich denke, wir "Alten" sollten unsere Einstellung zu Kindern und Jugendlichen ernsthaft überprüfen! Wir waren schließlich auf mal jung und sicher selten so, wie sich das die damals Alten gewünscht hätten!?