RechtsstreitHallenser will rechtlicher Vater sein – Bundesverfassungsgericht verhandelt
Es ist ein hochemotionales und juristisch umstrittenes Thema: Eine Mutter verhindert, dass der Vater des gemeinsamen Kindes in dieser Rolle rechtlich anerkannt wird. Nun ist der Fall vor dem höchsten deutschen Gericht gelandet. Das Urteil wird allerdings erst in einigen Monaten erwartet.
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Das Bundesverfassungsgericht verhandelt seit Dienstag über die Beschwerde eines Mannes aus Halle, der als rechtlicher Vater seines leiblichen Sohnes anerkannt werden will. Die Mutter hatte sich kurz nach der Geburt von dem 44-Jährigen getrennt, einen Termin zur Vaterschaftsanerkennung beim Standesamt nicht wahrgenommen und dann ihren neuen Partner als Vater eintragen lassen.
Vor dem Oberlandesgericht Naumburg scheiterte der leibliche Vater. Das Gericht verwies auf die Rechtslage und den Bundesgerichtshof. Danach kann die Vaterschaft des biologischen Vaters nicht mehr anerkannt werden, wenn zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem nun eingetragenen Vater besteht.
Urteil erst in einigen Monaten erwartet
In den ersten eineinhalb Monaten nach der Geburt habe er jedoch noch mit seiner damaligen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn unter einem Dach gelebt. Inzwischen sehe er sein Kind alle zwei Wochen für drei Stunden. Wenn er rechtlicher Vater werden könne, wolle er auch um das anteilige Sorgerecht kämpfen, sagt der 44-Jährige. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
Fälle wie dieser sind nach Einschätzung der Familienrechtlerin Christine Budzikiewicz von der Universität Marburg in der Praxis zwar nicht besonders häufig, kommen aber vor. "Rechtspolitisch wird diese Konstellation schon länger diskutiert", sagt die Professorin. "Dass hier Reformbedarf besteht, dürfte mittlerweile Konsens unter den Juristen sein".
Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits mit dem Thema befasst und 2018 in einem Beschluss entschieden, dass es darauf ankommt, ob ein leiblicher Vater – als ihm die rechtliche Vaterschaft offenstand – alles getan hat, um diese zu erlangen. Auch unter Hinweis darauf hält der Deutsche Anwaltverein die geltende Rechtslage in der Auslegung des Bundesgerichtshofs für verfassungswidrig.
Kinderpsychotherapeutin zur Bedeutung des leiblichen Vaters
Ines Brock-Harder vom Bundesverband der Kinder- und Jugendpsychotherapie (BKJ) erklärte im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT, dass es für Kinder durchaus wichtig sei, den leiblichen Vater zu kennen und einen Kontakt zu ihm aufbauen zu können. Im Zweifelsfall sei ein realistisches und vielleicht sogar negatives Bild des leiblichen Vaters besser, als eine ausgedachte Idealvorstellung im Kopf zu haben. Dies gelte in aller Regel auch dann, wenn jemand anderes die Rolle des sozialen Vaters gut ausfülle. "Ansonsten ist da immer diese Lücke und die Frage, wo komme ich her", so Brock-Harder.
Die Bindung zu den Eltern und die Kenntnis der eigenen Herkunft spiele eine wichtige Rolle auch für die spätere eigene Bindungsfähigkeit. Das Fehlen dieses Wissens könne zu Leid bis hin zu Depressionen führen.
Bundesregierung will rechtliche Änderungen einführen
Aus diesen Gründen will die Bundesregierung Vereinbarungen über die rechtliche Elternschaft ermöglichen. Dies solle im Rahmen der geplanten Änderungen des Abstammungsrechts geschehen, sagte die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Angelika Schlunck, am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Weitere Schwerpunkte seien die Einführung der Mutterschaft einer weiteren Frau und mehr Rechte für Kinder auf Auskunft über ihre leibliche Abstammung. Eine Entscheidung könnte laut Schlunck jedoch noch bis zum Ende der Legislaturperiode im Sommer 2025 dauern.
dpa, MDR (Leonard Schubert, Moritz Arand, Christoph Dziedo) | Zuerst veröffentlicht am 26. September 2023.
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. September 2023 | 14:00 Uhr
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