Generationen im DialogKlima-Aktivismus in Halle: "nichts für ängstliche Leute"
Clara Lecke ist aktiv bei "Fridays for Future" in Halle und erfährt Hass im Netz. Christoph Kuhn war bereits in der DDR Teil einer Umweltgruppe und berichtet, welche anderen schweren Folgen das haben konnte. Das Projekt "Grüne Generationen" von Studierenden der Uni Halle bringt die Klima-Aktivisten aus zwei Generationen ins Gespräch über ihr Engagement, Hindernisse und Hoffnungen.
Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Studierende schreiben" in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstanden.
- Eine "Fridays for Future"-Aktivistin aus Halle erfährt Rückhalt im persönlichen Umfeld, aber berichtet von Hass im Netz.
- Der Einsatz für die Umwelt galt in der DDR als Kritik am System. Welche Folgen das hatte, schildert ein Mitglied einer halleschen Umweltgruppe.
- Die Aktivisten aus beiden Generationen kommen in Dialog, weshalb sie sich trotz Hindernissen weiter für die Umwelt engagieren.
"Weil wir die Erde von unseren Kindern geliehen haben", steht auf dem Banner der "Parents for Future". Sie sind, wie viele andere auch, dem Aufruf von Fridays for Future zum Globalen Klimastreik im September 2022 gefolgt. Die Ortsgruppe Halle zählte 1.500 Demonstrierende.
Eine von ihnen ist Clara Lecke. Die 18-Jährige ist seit einem Jahr bei "Fridays for Future" Halle aktiv. Ihre Eltern unterstützen ihren Aktivismus und auch Freundinnen reagieren positiv darauf, erzählt sie.
Hasskommentare im Netz gegen Klima-Aktivisten
Im Netz allerdings sehe das anders aus: "Geht arbeiten", "Ihr seid widerlich", "verblödet" oder "Als Gehirn verteilt wurde, hattet ihr wohl keine Zeit" lauten Kommentare unter Beiträgen der Ortsgruppe in den Sozialen Medien. Bei Aktivistinnen kommen "dann schnell Kommentare über das Aussehen" hinzu, ergänzt Lecke. In den sozialen Medien berichtet die Ortsgruppe Halle, dass aus den Kommentaren im Netz auch tätliche Angriffe auf Demonstrierende folgen. Aktivisten in anderen Städten erhalten demnach sogar Morddrohungen.
Stephan Feller ist davon nicht überrascht. Er ist einer der Sprecher beim "Klimabündnis Halle" und aktiv bei den "Scientists for Future". "Ein kleiner, aber lauter Teil" schreibe solche Kommentare. Dennoch sei er optimistisch, dass "ein großer Teil der Bevölkerung den Aktivismus als berechtigt ansieht", sagt Feller.
Für Feller ist es wichtig, auf einer lokalen Ebene aktiv zu werden. Daher hoffe er auf eine "bessere Gesprächskultur", um zum Beispiel den Austausch mit der Stadtverwaltung in Halle zu verbessern. Als Dialogformat habe das Klimabündis die Pläne für den Klimaschutzrat mitangestoßen, berichtet Feller.
Repressionen gegen Umwelt-Aktivismus in der DDR
Auf diese Unterstützung konnten Umweltaktivisten und -aktivistinnen in der DDR nicht bauen. "Wir sind eher belächelt worden", schildert Christoph Kuhn die Reaktionen seines Umfeldes. "Sie sagten: Ihr seid naiv, es ändert sich in dem Staat ja sowieso nichts." Kuhn war aktiv in der "Ökologischen Arbeitsgruppe" (ÖAG) in Halle und setzt sich heute noch für Umweltbelange ein. Anfeindungen habe er damals nicht erlebt. Dennoch wusste er von klein auf, "dass wir mit unserer Haltung in der Schule vorsichtig sein mussten."
Sie standen Stunden, Tage vor dem Haus.
Matthias Waschitschka | DDR-Umweltaktivist
Den Zustand der Umwelt zu kritisieren oder Schäden an Industriestandorten wie in Bitterfeld zu dokumentieren, wurde als Kritik am System der DDR aufgefasst. Das hatte Folgen: Kuhn und andere Mitglieder der ÖAG durften nicht zu einem Kongress nach Berlin fahren. Sein Mitstreiter Matthias Waschitschka konnte nicht wie gewünscht Biologie studieren. Der heutige Mitarbeiter der CDU-Fraktion im Stadtrat berichtet von Observationen durch die Staatssicherheit: "Sie standen Stunden, Tage vor dem Haus." Auch von Verhaftungen und Verhören spricht Waschitschka. Das habe ihn jedoch ermutigt, weiterzumachen, in der Gewissheit, "auf der richtigen Seite zu stehen".
Ein Spitzel in den eigenen Reihen
"Also, für ängstliche Leute war das nichts", fasst Christoph Kuhn zusammen, "wir wussten, dass wir mit unserem Tun beobachtet werden." Doch erst nach dem Mauerfall habe er erfahren, dass der Sprecher und Mitbegründer der ÖAG, Henry Schramm, die Gruppe ausspähte. Kuhn schätzte dessen Engagement sehr und habe nach einem geheimen Treffen sogar mit Schramm gescherzt, "wer heute berichten sollte". Dass gerade Henry Schramm als Inoffizieller Mitarbeiter aktiv war, wollte er zunächst nicht wahrhaben. "Wieder gut machen", sagt Kuhn, könne es Schramm nicht, "diese Zeit ist vorbei."
In diesem Video schildern Christoph Kuhn und Clara Lecke die Reaktionen auf ihren Aktivismus:
Dialog der Generationen
"Also, warum resigniert man nicht?", fragt Christoph Kuhn. "Fridays for Future"-Aktivistin Clara Lecke, die ihm gegenüber sitzt, antwortet: "Ich fühle mich besser damit, wenigstens etwas zu versuchen."
Im Projekt "Grüne Generationen" sprechen beide über ihre Motivation, wieso sie sich trotz Widerständen weiter für die Umwelt einsetzen. Das Storytellingformat von Studierenden der Universität Halle ist für beide Seiten der erste intensive Austausch mit Aktivisten einer anderen Generation. Besonders Clara Lecke ist davon überrascht: Bisher habe sie meist nur "Gemecker" erfahren. Der Dialog mit Christoph Kuhn sei für sie "die erste positive Erfahrung mit Menschen aus einer anderen Generation".
Über die AutorinValerie Börner absolvierte zunächst den Bachelor der Europastudien in Chemnitz. Seit 2021 studiert sie Multimedia und Autorschaft an der Uni Halle. Ihre Themen findet sie irgendwo zwischen Biografien, Sozialen Bewegungen, Aktivismus und Ostdeutschland.
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MDR (Maren Wilczek)
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