Sammlungsankauf Kunstmuseum Moritzburg erweitert Sammlung mit ostdeutscher Kunst
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05. Juni 2024, 16:35 Uhr
Das Kunstmuseum Moritzburg Halle hat eine bedeutende Sammlung mit ostdeutscher Kunst angekauft. Die private Sammlung Scarselli umfasst 91 Werke, über die Hälfte sind erst nach 1990 entstanden. Mit diesem Konvolut ergibt sich für das Museum ganz neues Potenzial zur Darstellung der Entwicklung der Kunst nach der Wende, auch wenn vorerst der Raum dafür fehlt.
- Bisher endete die Dauerausstellung des Kunstmuseums Moritzburg Halle mit dem Jahr 1990.
- In Bezug auf ostdeutsche Kunst nach 1990 weisen viele Museen Lücken auf.
- Vorerst gibt es nicht genügend Raum im Museum, um die komplette neue Sammlung zu zeigen.
Das Kunstmuseum Moritzburg Halle hat eine bedeutende Sammlung mit ostdeutscher Kunst angekauft. Es handelt sich um die private Sammlung des italienischen Gastronomieunternehmers Giovanni Scarselli. Sie umfasst 91 Gemälde, Plastiken und Grafiken, darunter Werke von Elisabeth Ahnert, Theo Balden, Fritz Cremer, Konrad Henker, Heinz Plank, Wolfgang Peuker, Uwe Pfeifer, Theodor Rosenhauer oder Horst Sakulowski.
Der damals in Weimar ansässige Scarselli ließ sich zu Lebzeiten für seine Kunstsammlung von dem Galeristen Klaus Hebecker und der Kunsthistorikerin Susanne Hebecker beraten. Wie das Kunstmuseum Moritzburg mitteilte, schreiben die nun mit Hilfe der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und der Saalesparkasse angekauften Arbeiten die Museumssammlung in Halle über das Jahr 1990 hinaus fort. Sie ergänzten bestehende Lücken fast passgenau.
Dauerausstellung der Moritzburg nun auch mit Werken nach 1990
Die Sammlungserweiterung sei eine "Sternstunde für das Museum", sagte Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich: Bisher habe die Präsentation "Wege der Moderne" mit dem Jahr 1990 geendet, weil man danach keine schlüssige Erzählung aus dem Museumsbestand heraus habe anbieten können. Denn das konzeptuelle, strategische Sammeln habe nach der Wiedervereinigung tragischerweise aufgehört. Nun würden sich für das Museum neue Potenziale ergeben.
Mehr als die Hälfte der neu hinzugekommenen Werke sind erst nach 1990 in ostdeutschen Ateliers entstanden, sagte MDR KULTUR-Redakteur Wolfgang Schilling: In den ersten Jahren nach der Wende seien die hierzulande sowieso eher bescheidenen Ankaufsetats dafür genutzt worden, Lücken hinsichtlich der westlichen Moderne zu schließen. Ostdeutsche Kunst sei da einfach nicht angesagt gewesen.
Das älteste Bild stammt von dem Weimarer Künstler Alexander Olbricht aus dem Jahr 1908, 14 Arbeiten entstanden zwischen 1927 und 1945, 28 Arbeiten zwischen 1946 und 1989 sowie 48 Arbeiten nach 1990. Patricia Werner, Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, betonte: "Ein Weg zum Verständnis der Menschen in Ostdeutschland und ihrer Geschichte führt über ostdeutsche Kunst." Deshalb wolle man mit dieser Förderung dazu beitragen, dass Werke ostdeutscher Künstlerinnen und Künstler im gesamtdeutschen Kontext sichtbarer würden.
Wie es mit der ostdeutschen Kunst in Halle weitergeht
Um alle neuen Werke zu zeigen, fehle momentan der Platz im Museum, so Bauer-Friedrich zu MDR KULTUR. Man wolle aber einzelne Positionen in die ständige Präsentation integrieren, bis eine Lösung gefunden sei. Der Ankauf sei jedenfalls ein klares Bekenntnis des Museums zur Qualität und Bedeutung der ostdeutschen Kunst. Die Sammlungserweiterung stehe deshalb auch in engem Zusammenhang mit Ausstellungen wie u. a. der Willi-Sitte-Retrospektive (2021), Doris Ziegler (2023) oder der Tagung "Ostdeutsche Kunst: Bestandsaufnahme und Perspektiven" (2023).
Mehr über den Sammler Giovanni Scarselli Der Sprachwissenschaftler und Geschäftsmann Giovanni Scarselli, 1945 geboren, kam in den 1980er-Jahren in die DDR – wegen der Weimarer Klassik, wie es in der Pressemitteilung des Kunstmuseums Moritzburg heißt. Scarselli heiratete eine Thüringerin und ging mit ihr zunächst zurück in seine Heimat. Nach der Wende kehrte das Paar zurück und eröffnete in Weimar die erste Gelateria, das "Venezia". Bei der Beschäftigung mit bildender Kunst nach dem Krieg bemerkte er laut Museum den Widerspruch zwischen seiner Wahrnehmung und der öffentlichen Bewertung der ostdeutschen Kunstgeschichte. Er kam zu der Erkenntnis, dass die politischen Urteile die ästhetischen verhinderten. Auch deshalb ließ sich Scarselli für seine Kunstsammlung von dem Galeristen Klaus Hebecker und der Kunsthistorikerin Susanne Hebecker beraten. Giovanni Scarselli starb 2019.
Quellen: dpa, MDR KULTUR (Wolfgang Schilling), Kunstmuseum Moritzburg
Redaktionelle Bearbeitung: jb
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Juni 2024 | 17:10 Uhr