Sven Liebich im Gerichtssaal des Landgericht Halle 2 min
Der Prozess gegen Liebich läuft seit 13. Juni. Sehen Sie hier das Video zum ersten Prozesstag. Bildrechte: picture alliance/dpa/Heiko Rebsch

Landgericht Halle Rechtsextremist Sven Liebich: Urteil im Berufungsprozess Anfang August erwartet

15. Juli 2024, 16:57 Uhr

Im Berufungsverfahren gegen Sven Liebich vor dem Landgericht Halle droht dem Rechtsextremisten eine Gefängnisstrafe. Die Staatsanwaltschaft fordert zwei Jahre Haft. Die Verteidigung will dagegen einen Freispruch. Die Verhandlung ist am Montag fortgesetzt worden. Das Urteil wird Anfang August erwartet.

Am Landgericht Halle ist am Montag der Berufungsprozess gegen den Rechtsextremisten Sven Liebich fortgesetzt worden. Wie eine Sprecherin des Landgerichtes mitteilte, hat Liebich bis zum Nachmittag im Wesentlichen sein angekündigtes "letztes Wort" vorgetragen. Er habe signalisiert, dass er am nächsten Prozesstag noch voraussichtlich bis zum Mittag brauchen werde, um seine Ausführungen zu beenden.

Das Recht des letzten Wortes Laut § 258 der Strafprozessordnung steht dem Angeklagten in einem Gerichtsprozess im Strafrecht das sogenannte letzte Wort zu, nachdem die Beweisaufnahme und die Schlussvorträge abgeschlossen sind. Erst danach beginnt die Urteilsfindung.

Die Verhandlung wird laut Gericht am 29. Juli fortgesetzt. Nach Angaben der Sprecherin ist damit zu rechnen, dass das Urteil am 2. August gesprochen wird, dem aktuell letzten geplanten Prozesstag.

Staatsanwaltschaft fordert Haft für Liebich

Die Staatsanwaltschaft hatte Ende Juni zwei Jahre Haft gefordert – unter anderem wegen Volksverhetzung und übler Nachrede. "Im Ergebnis der Beweisaufnahme halte ich sämtliche Taten als erwiesen und für strafbar", sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Er halte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren daher für angemessen. 

Liebich handle aus Überzeugung, so der Staatsanwalt. Eine Strafe auf Bewährung wäre aus seiner Sicht daher unangebracht. "Er hatte schon einige Warnschüsse und nichts ist passiert", hieß es. Der Nebenkläger bekräftigte dies in seinem Plädoyer und warf Liebich unter anderem vor, den Prozess nicht ernst zu nehmen. 

Verteidigung setzt sich für Freispruch ein

Liebichs Verteidigung dagegen wies die Forderungen zurück und fordert einen Freispruch. Zur Begründung hieß es, Liebich habe in den letzten Jahren "eine positive Verhaltungsänderung" vorgelegt. Er habe sich ruhiger benommen und seine politischen Aktivitäten zurückgeschraubt.

Prozess läuft seit Mitte Juni

Das Gericht verhandelt seit dem 13. Juni über eine Anklage der Staatsanwaltschaft Halle. Diese wirft Liebich über ein Dutzend Taten vor. Es geht unter anderem um Vorwürfe der Volksverhetzung, der Billigung eines Angriffskrieges und der üblen Nachrede.

So soll Liebich auf einer Demonstration zum Hass gegen in Deutschland lebende Flüchtlinge aufgestachelt haben. Auch einen Baseballschläger mit der Aufschrift "Abschiebehelfer", den Liebich zeitweise im Internet angeboten hatte, stuft die Staatsanwaltschaft als Volksverhetzung ein.

Amtsgericht Halle verurteilte Liebich zu Haft

In erster Instanz war Liebich zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Das Amtsgericht Halle befand ihn im Juli vergangenen Jahres in 17 Punkten für schuldig. In das Strafmaß wurde eine Bewährungsstrafe einbezogen, die Liebich im Oktober 2022 erhalten hatte. Sowohl Liebich als auch die Staatsanwaltschaft Halle hatten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Nun ist der Prozess neu aufgerollt worden.

Der Angeklagte Sven Liebich bei der Personenkontrolle vor dem Gerichtssaal im Landgericht Halle.
Liebich wurde in erster Instanz zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Unterschied zwischen Berufung und Revision Bei der Berufung verhandelt das nächsthöhere Gericht (Landgericht) und überprüft den Fall vollständig. Das Landgericht ist dabei nicht an das Urteil des Amtsgerichts gebunden und kann ganz anders entscheiden. Es können auch neue Zeugen geladen und neue Beweisanträge gestellt werden. Ein schärferes Urteil kann nur gesprochen werden, wenn auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat.

Mit einer Revision können alle Urteile – egal ob vom Landgericht oder Amtsgericht – angefochten werden. Es wird aber nicht vollumfänglich neu verhandelt, sondern das Urteil aus der vorherigen Instanz nur auf Rechtsfehler geprüft.

Liebich bestreitet strafbares Verhalten

Am ersten Prozesstag hatte sich Liebich zu allen Taten bekannt, bestritt aber rundum ein strafbares Verhalten. Vor allem berief er sich auf die Meinungsfreiheit. Er warf der Staatsanwaltschaft vor, ihn durch Dutzende Verfahrenseinstellungen in der Vergangenheit in seiner Rechtsauslegung bestärkt zu haben. Ohne dies zu belegen, unterstellte er der Justiz zudem ein geplantes Vorgehen gegen ihn.

Die Vorsitzende Richterin zielte in ihrer Befragung vor allem darauf ab, warum Liebich einen Teil der Taten begangen hatte, obwohl er zuvor bereits im Frühjahr 2020 in gleich zwei Verfahren der Volksverhetzung schuldig gesprochen wurde.

Liebich will einer Haftstrafe entgehen. Er gab an, aktuell seine kranke Mutter zu pflegen. Überprüft wurde diese Angabe bislang nicht. Liebich will sich außerdem seit März dieses Jahres nicht mehr an Demonstrationen beteiligt haben und hat eine Gewerbeuntersagung gegen ihn durch die Stadt Halle akzeptiert. Den fraglichen Online-Shop betreiben Geschwister Liebichs weiter.

Letzter Prozesstag am 2. August geplant

Ursprünglich hatte das Landgericht für den Prozess sechs Verhandlungstage angesetzt, sodass das Urteil für Freitag, den 28. Juni anberaumt war. Nachdem Liebich nach den Plädoyers einen großen Ordner auspackte und ankündigte, dass sich das Verfahren um mehr als zehn Stunden in die Länge ziehen könnte, wurden weitere Termine bis zum 2. August angesetzt.

Seit Jahren verschiedene Gerichtsverfahren gegen Liebich

Sven Liebich wollte sich auf Anfrage nicht zum Verfahren äußern. Liebich beschäftigt seit Jahren die Gerichte und wurde mehrfach rechtskräftig verurteilt. Auch in Leipzig steht noch ein Berufungsverfahren aus. Hier war er wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft Halle und die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg haben zudem 2023 drei weitere Anklagen gegen Liebich erhoben. Das Amtsgericht hat noch nicht über eine Eröffnung der Verfahren entschieden, sagte ein Gerichtssprecher MDR SACHSEN-ANHALT.

Verfassungsschutz stuft Liebich als Rechtsextremisten ein

Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz führt Liebich seit Jahren als Rechtsextremisten. Er versuche mit verschiedenen öffentlichen Aktionen "die Mitte der Gesellschaft für seine rechtsextremistischen Ideen zu begeistern", heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Themen waren in der Vergangenheit die Corona- und Migrationspolitik sowie der Krieg in der Ukraine.

Unser Podcast "Extrem rechts" befasst sich mit dem Rechtsextremisten Sven Liebich:

MDR (Thomas Vorreyer, Cornelia Winkler, Daniel Salpius, Kalina Bunk, Maren Wilczek), dpa | Erstmals veröffentlicht am 06.05.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. Juli 2024 | 11:00 Uhr

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