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DiskussionsrundeDDR-Kunst: Ostdeutsche Museumsleitungen beklagen mangelndes Interesse

25. Oktober 2024, 10:58 Uhr

Wo stehen ostdeutsche Museen 35 Jahre nach dem Mauerfall? Zu dieser Frage hatte MDR KULTUR am Abend zur Podiumsdiskussion in das Kunstmuseum Moritzburg in Halle geladen. Museumsdirektorinnen und -direktoren des Bauhauses Dessau, des Museums Gunzenhauser in Chemnitz, der Moritzburg in Halle und der Kunstsammlung Jena sprachen über sich veränderndes Publikum, den Umgang mit Kunst aus der DDR und die Kunstfreiheit.

  • Bei einer Diskussionsrunde zur mitteldeutschen Kulturlandschaft zeigten sich Museumsdirektorinnen und -direktoren enttäuscht vom fehlenden Interesse westdeutscher Museen an Kunst aus der DDR.
  • Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle, bezeichnete die Bauhaus-Kritik der AfD als Angriff auf die Kunstfreiheit.
  • Die Museumsdirektorinnen und -direktoren auf dem Podium machten sich außerdem Gedanken über ein Museumsangebot für alle und wie jüngeres Publikum ins Museum geholt werden kann.

Der Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle, Thomas Bauer-Friedrich, beklagt ein fehlendes Interesse westdeutscher Museen an Ostkunst: "Ich würde mir wünschen, dass einfach auch mal jemand aus den alten Bundesländern kommt und sagt: 'Ich finde diese Kunst interessant, ich möchte sie bei uns zeigen. Können wir das mit euch zusammen machen?'" Das sei im Moment nicht gegeben.

Thomas Bauer-Friedrich leitet das Kunstmuseum Moritzburg in Halle und wünscht sich mehr deutschlandweites Interesse für Ostkunst. Bildrechte: imago/VIADATA

Die Äußerung fiel auf einer Veranstaltung im Kunstmuseum Moritzburg in Halle zur mitteldeutschen Kunstlandschaft 35 Jahre nach dem Mauerfall zum Abschluss der Museumsbefragung von MDR KULTUR. Bauer-Friedrich diskutierte gemeinsam mit weiteren Museumsleiterinnen und -leitern über sich veränderndes Publikum, den Umgang mit Kunst aus der DDR und die Kunstfreiheit. Mit dabei waren die Leiterin des Bauhauses Dessau, Barbara Steiner, die Leiterin des Museums Gunzenhauser in Chemnitz, Anja Richter, und der Kurator der Kunstsammlung Jena, Erik Stephan.

Erik Stephan, Barbara Steiner, Anja Richter und Thomas Bauer-Friedrich diskutierten am Donnerstagabend in Halle. Bildrechte: Anne Sailer

Letzterer bestätigte Bauer-Friedrichs Erfahrungen. Anfragen zu Leihgaben für Kunst, die in der DDR entstanden ist, erhielten die Kunstsammlungen Jena vorrangig aus dem europäischen Ausland, nicht von westdeutschen Museen, sagte Erik Stephan. "Solche DDR-Themen, die kann man da auch im Gespräch schwer den Leuten nahebringen." Für jüngere Kunst, die nach der Leipziger Schule entstanden ist, malt Stephan ein positiveres Bild. Diese Kunst funktioniere möglicherweise wieder.

Die Kuratorin des Museums Gunzenhauser in Chemnitz, Anja Richter, zeigte sich dagegen verwundert über die nach wie vor bestehenden Ost-West-Kategorien: "Ich dachte eigentlich, dass wir 35 Jahre nach dem Mauerfall über diese Kategorien einfach hinweg sind." Natürlich arbeite man immer noch daran, dass Künstler, die in der DDR gewirkt haben, über die Grenzen Ostdeutschlands hinaus stärker wahrgenommen werden.

Anja Richter leitet das Museum Gunzenhauser in Chemnitz und ist von der Einteilung in Ost- udn Westkunst irritiert. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

AfD-Kritik am Bauhaus: Museen vernetzen sich

Einig sind sich die Museen dagegen in ihrer Reaktion auf versuchte Einflussnahme auf ihre Arbeit durch rechte Politik. Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle, kritisierte den Antrag der AfD zum Bauhaus als Angriff auf die Wissenschafts- und Kunstfreiheit. Er zeigte sich sorgenvoll angesichts des Vorhabens der Politik, in die Kultureinrichtungen hineinzuregieren: "Wenn jetzt über die Landesregierung Einfluss genommen werden soll auf das, was wir hier machen, ist das natürlich besorgniserregend – das ist eigentlich noch zu harmlos formuliert."

Bauhaus-Direktorin Barbara Steiner hob die Vernetzung zwischen Museen als positive Entwicklung hervor: "Es ist schon so, dass Museen sich stärker verbinden, dass dieser kollegiale Austausch sehr wichtig wird – vor allem in Zeiten wie diesen, die durchaus kritische Zeiten sind und wo es auch sehr viel Verunsicherung gibt." Die gute Nachricht sei, dass Museen und Kulturinstitutionen sich in den letzten Jahren bereits geöffnet hätten.

Barabara Steiner hat als Leiterin des Bauhauses in Dessau zuletzt Kritik von der AfD hören müssen, freut sich aber über die Vernetzung der Museen untereinander. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Zwischen zeitgenössischer Kunst und Kunstgeschichte

Offen natürlich vor allem für das Publikum. Erik Stephan von den Kunstsammlungen Jena sagte, besonders bekannte Kunstwerke würden ein breiteres Publikum anlocken. Er hofft, damit auch Neugier für zeitgenössische Positionen zu wecken: "Weil ich immer noch der klassischen Hoffnung anhänge, dass man bei einem Besuch im Museum schon wieder den Grundstein legt für den nächsten Besuch im Museum."

Erik Stephan leitet die Kunstsammlungen Jena und setzt für mehr Publikum auf bekannte Kunstwerke. Bildrechte: picture alliance / Arifoto Ug/Michael Reichel/dpa-Zentralbild/dpa | arifoto UG

Thomas Bauer-Friedrich vom Kunstmuseum Moritzburg macht sich Gedanken um ein Museumsangebot für alle: "Ich möchte das Museum stärker öffnen für junges Publikum – ohne unser klassisches Publikum zu verlieren." Zeitgenössische Ausstellungen ziehen laut Bauer Friedrich ein jüngeres Publikum an, damit verliere man jedoch in Teilen das alte Publikum. Der hallesche Museumsdirektor zeigt sich motiviert: "Dafür will ich eine Lösung finden."

Für Anja Richter steht im kommenden Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz auf dem Plan, über die Kunst Bezüge in die jüngere Vergangenheit herzustellen: "Ich mache eine Ausstellung zu den 20er-Jahren, wo wir eben auch zurückblicken und fragen: In welcher Zeit sind wir jetzt, hundert Jahre später? Welche Gemeinsamkeiten gibt es? Und wo wollen wir eigentlich nicht wieder hin?"

Kunst zu den Leuten bringen, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen, die Menschen an Diskursen teilhaben lassen, auch an aktuellen und das in allen Altersschichten – die Museen arbeiten daran. Wie immer gibt es wenig Geld und viele Baustellen, aber auch Ideen, tolle Sammlungen, vollgepackte Depots und engagierte Fachleute, das war am Donnerstagabend in Halle zu hören.

Das Publikum folgte der Diskussion um Kunstfreiheit, Ostkunst und Publikumsentwicklung in mitteldeutschen Museen am Donnerstagabend. Bildrechte: Anne Sailer

Weitere Informationen

Zum Abschluss der großen Museumsbefragung 2024 von MDR KULTUR fand am 24. Oktober die Podiumsdiskussion "Die mitteldeutsche Kunstlandschaft heute – 35 Jahre nach dem Mauerfall" im Kunstmuseum Moritzburg in Halle statt.

Gäste auf dem Podium:
Thomas Bauer-Friedrich (Kunstmuseum Moritzburg Halle)
Erik Stephan (Kunstsammlung Jena)
Barbara Steiner (Bauhaus Dessau)
Anja Richter (Museum Gunzenhauser Chemnitz)

Moderation: Andreas Höll (Kunstfachredakteur MDR KULTUR)

Quellen: MDR KULTUR (Anne Sailer)
Redaktionelle Bearbeitung: hro

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 25. Oktober 2024 | 08:40 Uhr