Blick über Häuser in Halle Neustadt. Im Hintergrund stehen Wohnblöcke 4 min
Kunst im Plattenbaugebiet: In Halle-Neustadt findet am Wochenende das "Wohnkomplex"-Festival statt. Mehr dazu im Audio von Anne Sailer. Bildrechte: Anne Sailer
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Halle-Neustadt feiert sein 60. Jubiläum. Anlass genug für eine Gruppe von Kunstschaffenden, eine Plattenbauwohnung zu übernehmen und ein Kultur-Festival auszurichten. Anne Sailer hat mit den Organisatoren gesprochen.

MDR KULTUR - Das Radio Do 12.09.2024 06:15Uhr 03:49 min

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60 Jahre Halle-Neustadt "Wohn_komplex": Kunstfestival im Plattenbau

12. September 2024, 03:06 Uhr

Die Stadt Halle feiert in diesem Jahr den 60. Jahrestag der Grundsteinlegung von Halle-Neustadt. Teil des Jubiläumsprogramms ist auch das Festival "Wohn_komplex" vom 12. bis 15. September 2024. An verschiedenen Orten in Halle-Neustadt finden Diskussionen, Filmvorführungen, Kunst-Aktionen, Theatervorführungen, Ausstellungen, Workshops und Stadtspaziergänge statt. Die Aktionen thematisieren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Stadtteils. Aktuell wird eine Wohnung zum Kunstraum

Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums von Halle-Neustadt haben Künstler eine Wohnung "gekapert" und zeigen eine Ausstellung mit dem Titel "Wohnung 28". Dort sind Arbeiten von Elske Rosenfeld, Johannes Weilandt und Hansjürgen Mannweiler zu sehen. Alle befassen sich mit dem ehemaligen Arbeiterviertel, der berüchtigten DDR-Satellitenstadt. Die Arbeiten werfen einen neuen, aber auch einen historischen Blick auf ein Quartier im ständigen Wandel.

Mehhrere Radierungen liegen auf dem Boden ausgebreitet
Arbeiten aus der Ausstellung "Wohnung 28". Noch ist die Schau in Halle im Entstehungsprozess. Bildrechte: Anne Sailer

Plattenbau in Halle unter Denkmalschutz

Um in die Wohnung in der sechsten Etage zu kommen, nimmt man den Aufzug, geht vorbei an einer Fensterverglasung aus den 1960er-Jahren und weiter die Treppe hoch. Der Plattenbau ist mittlerweile denkmalgeschützt. Johannes Weilandt ist in Halle-Neustadt aufgewachsen. Der Künstler schaut aus dem Fenster. Man sieht die S-Bahn, die in den 1960er-Jahren gebaut wurde und direkt zum heutigen Friedhof des Viertels führt. Was man nicht mehr sieht, ist der Passendorfer Friedhof. Die Ruhestätte wurde wegen des Baus der Zugtrasse weggerissen und die Gräber für Halle-Neustadt wurden umgebettet.

Gegen das Vergessen

Die meisten Gräber wurden auf den Neustädter Friedhof verlegt. Dieser liegt außerhalb der Stadt hinter einer vierspurigen Ausfallstraße. Mit seiner Videoarbeit will Johannes Weilandt an die Toten dieses Friedhofs erinnern. Auf dem Friedhof habe beispielsweise der Arbeiter Paul Müller gelegen. Wie Johannes Weilandt berichtet, hatte sich Müller 1920 den rechten Umsturzversuchen entgegengestellt und war im Zuge des Kapp-Putsches ermordet worden. Das sei vor allem wichtig zu erwähnen, weil nach der Wende die Paul-Müller-Straße kommentarlos in "An der Feuerwache" umbenannt worden sei.

Eine Frau posiert auf einer Plattenstraße mit Spaten
Aus der Videoarbeit von Johannes Weilandt: Schauspielerin Karoline Stegemann auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs Passendorf. Bildrechte: Johannes Weilandt

Ich möchte mit meiner Arbeit erörtern: Was ist der Unterschied zwischen Erinnern und Vergessen?

Johannes Weilandt, Künstler

Er wolle mit seiner Arbeit erörtern, was der Unterschied zwischen Erinnern und Vergessen ist, erklärt Weilandt. Die Installation konfrontiert den Friedhof mit dem Begriff der "Ankunftsstadt" und beleuchtet Berührungen mit dem Tod in Arbeitswelt und Zeitgeschichte.

In der Ausstellung "Wohnung 28" ist eine weitere Videoinstallation zu sehen. Die Arbeit von Elske Rosenfeld heißt "Statements for the Future" und ist eine Videozusammenstellung historischer Aufnahmen mit Manifesten und Forderungen politischer Gruppen aus den Jahren 1989 und 1990.

Ausstellungen und Stadtteilfest in Halle-Neustadt

Die Kuratorin der Ausstellung und Organisatorin des Stadtteilfestes, Sabine Strobel, hat noch einen dritten Künstler entdeckt: Auch die Werke von Hansjürgen Mannweiler werden zu sehen sein. Dieser war in den 1960er-Jahren Zeichenlehrer an verschiedenen Schulen in Halle-Neustadt. Seine Bilder spiegeln die Aufbauphase von Halle-Neustadt. Entdeckt hat ihn Strobel bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit in der Geschichtswerkstatt von Halle-Neustadt.

Eine junge Frau steht auf einem Balkon und blickt auf benachbarte Wohnhäuser
Kuratorin Sabine Strobel blickt auf die Neustadt in Halle. Bildrechte: Anne Sailer

Mit dem Stadtteilfest "Wohn_komplex" wollen die Kuratoren alle Halle-Neustädter und ihre Gäste einladen, einen neuen Blick auf ihr Stadtviertel zu werfen. Und noch ein Wagnis möchten Sabine Strobel, Absolventin der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, und ihre Mitkuratoren eingehen: Sie wollen mit den Anwohnern ins Gespräch kommen.

Redebedarf über rechtsextreme Gewalt

Es bestehe Redebedarf, beispielsweise über die 1990er-Jahre, meint Strobel. Damals war rechtsextreme Gewalt im ganzen Viertel normal. Menschen lebten in Angst. Dieses Image hat Halle-Neustadt bis heute nicht verloren. Doch nun soll gesprochen werden. Gerade heutzutage sei das wichtig, meint Strobel.     

Mehr Informationen

Festival "wohn_komplex"

12. bis 15. September 2024

Adresse:
Tangermünder Str. 17
06124 Halle (Saale)

Mehr zum Programm des Festivals erfahren Sie hier.

Redaktionelle Bearbeitung: tis

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. September 2024 | 06:15 Uhr

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