Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Die Influencerin Hannah Abdullah erhebt auf TikTok Vorwürfe gegen die Lehrerin in Halle. Bildrechte: MDR/TikTok Screenshot

Virales TikTok-VideoRassismus-Vorwurf gegen Lehrerin in Halle – N-Wort fiel 2022 schon einmal

21. Juni 2024, 16:53 Uhr

Bei TikTok werden Rassismus-Vorwürfe gegen eine Lehrerin eines halleschen Gymnasiums laut, das Video geht viral. Die Lehrerin soll das N-Wort auf verletzende Weise im Unterricht benutzt haben. Das Landesschulamt prüft die Anschuldigungen. Nach MDR-Recherchen ist es nicht der erste Vorfall.

Die Rassismus-Vorwürfe gegen eine Lehrerin des Giebichenstein-Gymnasiums in Halle weiten sich aus. Wie MDR SACHSEN-ANHALT aus Elternkreisen erfahren hat, hatte bereits ein Vorfall im Frühjahr 2022 Eltern sowie die Antidiskiminierungsstelle des Landes auf den Plan gerufen.

Auch damals hatte der Gebrauch des N-Wortes für Irritationen gesorgt. Nach MDR-Informationen soll ein Schüler damals angesichts einer roten CO2-Ampel darauf hingewiesen haben, dass es Zeit zum Lüften sei. Die Lehrerin soll daraufhin sinngemäß geantwortet haben, dass sie das Fenster nicht öffne, sie sei doch nicht sein N. Die Antidiskriminierungstelle hatte dem MDR bereits am Dienstag neben dem aktuellen Vorwurf einen weiteren von vor zwei Jahren bestätigt.

Warum das N-Wort nicht benutzt werden sollte

Die Bezeichnung "N." ist laut Duden stark diskriminierend und sollte vermieden werden. Der Begriff "N." soll alle südlich der Sahara lebenden Afrikanerinnen und Afrikaner kategorisieren und wurde während der Kolonialzeit von weißen Männern erfunden, die People of Color als minderwertig ansahen. Das N-Wort ist somit Teil der Geschichte von Versklavung und Kolonisierung, von Brutalität und Mord. Über die Rassen-Theorien des 18. Jahrhunderts gelangte das N-Wort in den deutschen Sprachgebrauch. Diese Theorie sollte die Unterdrückung und Versklavung der Menschen in den Kolonien rechtfertigen.

Lehrerin schon vor zwei Jahren über N-Wort aufgeklärt?

In Reaktion darauf soll es laut Elternkreisen ein Gespräch mit der Lehrerin, der Schulleitung, der Antidiskriminierungsstelle, der Klassenlehrerin und vier Vertreterinnen und Vertretern der Elternschaft gegeben haben. Die Antidiskriminierungsstelle bestätigt das Treffen. Nach MDR-Informationen soll die Pädagogin dabei aufgeklärt worden sein, warum das Wort verletzend, diskriminierend und rassistisch ist.

Was ist die Antidiskriminierungsstelle?Die Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt ist die zentrale und unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die Benachteiligungen in verschiedenen Lebensbereichen erfahren haben. Sie berät Menschen, die sich aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt fühlen.
Grundlage der Arbeit ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 zur Umsetzung des Menschenrechtsschutzes in der Europäischen Union verabschiedet wurde.

Vor wenigen Tagen soll die Frau das Wort dennoch erneut vor einer Klasse benutzt haben. Das hatte die Influencerin Hannah Abdullah publik gemacht. Sie berichtet in mittlerweile vier Videos auf der Social-Media-Plattform Tiktok von einer bewusst verletzenden und notorischen Nutzung des N-Wortes im Unterricht durch die Lehrerin. Mit bis dato 2,2 Millionen Aufrufen und 349.000 Likes bei TikTok hat das erste Video eine für die Plattform extrem hohe Aufmerksamkeit erreicht.

Influencerin ging selbst auf die Schule

Die Influencerin, die selbst als Lehrerin in Berlin arbeitet und Videos über ihren Alltag postet, hatte nach eigenen Angaben ebenfalls das Giebichenstein-Gymnasium besucht. Der mutmaßliche rassistische Vorfall, der ihre Video-Serie ausgelöst hat, soll allerdings ihren Bruder betreffen und sich Mitte Juni zugetragen haben.

Die Lehrerin in Halle soll das N-Wort im Deutschunterricht zunächst in einem geschichtlichen Kontext, jedoch da bereits provokant verwendet haben. Nach dem Unterricht habe sie Abdullahs Bruder, der der einzige schwarze Jugendliche in der Klasse sein soll, zu sich gerufen und bekräftigt haben, dass sie sich das Wort nicht verbieten lasse und soll es dann auch noch einmal verwendet haben.

Landesschulamt prüft die Vorwürfe

Dem Landesschulamt sei der Vorfall bekannt, so Sprecher Tobias Kühne am Mittwoch auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Eine entsprechende Beschwerde sei zwischen 12. und 13. Juni per Mail eingegangen und werde nun als Dienstaufsichtsbeschwerde behandelt.

Auch der frühere Vorfall aus dem Jahr 2022 sei dem Landesschulamt mittlerweile berichtet worden, teilte Kühne dem MDR am Freitag mit. Vor zwei Jahren sei hingegen keine Meldung an die Behörde ergangen, weshalb das Landesschulamt auch nicht tätig geworden sei. Die besagte Äußerung rund um das Lüften werde nun aber in die Aufklärung des jüngsten Vorwurfes mit einbezogen.

Landesschulamt: Beleidigungsabsicht fraglich

Sollte die Aussage von 2022 so gefallen sein, handle es sich dabei mindestens um einen unangemessenen Sprachgebruch, so Kühne weiter. Ob eine Beleidigungsabsicht damit verbunden war, sei fraglich.

Derzeit läuft die Aufklärung noch. Es seien bereits Gespräche mit der Schulleitung, Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern geführt worden. Sie hätten allerdings noch kein eindeutiges Bild ergeben, sagte Kühne bereits am Mittwoch. "Die in der Beschwerde geäußerten Vorwürfe wurden teils anders dargestellt oder ihnen wurde gänzlich widersprochen. Diese Widersprüche sind Anlass, die Aufklärung vertieft fortzusetzen."

Influencerin wird Stimmungsmache vorgeworfen

Die Untersuchung werde gründlich, unvoreingenommen und mit aller Ernsthaftigkeit vom Landesschulamt durchgeführt. Sollten sich die Vorwürfe gegen die Lehrkraft bestätigen, würden angemessene dienstrechtliche Konsequenzen gezogen.

In der Antwort des Landesschulamtes scheint auch deutliche Kritik am Vorgehen der Influencerin durch: Man werde sich bei der Aufklärung nicht durch "vorverurteilende Stimmungsmache" gegen die Lehrkraft, die Schulleitung und die Schule in den sozialen Medien beeinflussen lassen, schreibt Kühne. Es handle sich um die erste Beschwerde mit derartigen Vorwürfen gegen die Lehrkraft, die das Landesschulamt erreicht habe.

Der Schuleiter des Giebichenstein Gymnasiums, Thomas Gaube, dem Hannah Abdullah in ihrem Video Untätigkeit unterstellt, sieht keine eigenen Versäumnisse. "Der Vorwurf, dass ich etwas verschleppt habe, trifft nicht zu", sagte Gaube am Mittwoch MDR SACHSEN-ANHALT. Zu den Vorwürfen gegen die Lehrerin könne er sich nicht äußern, das Verfahren liege beim Landessschulamt.

Lehrerin ist weiterhin im Dienst

Die Lehrerin ist laut Landesschulamt weiterhin im Dienst, sie unterrichte momentan aber nicht regulär. Denn derzeit fänden die Schulfahrten statt. Wie Sprecher Kühne bestätigte, wurde gegen die Frau auch Anzeige bei der Polizei erstattet. "Die Frage einer möglichen strafrechtlichen Relevanz wird also parallel zur Arbeit des Landesschulamtes geklärt werden."

Mehr zum Thema Rassismus

MDR (Daniel Salpius) / Erstmals veröffentlicht am 19. Juni 2024

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. Juni 2024 | 14:30 Uhr