In Halle "Reil78": Vom besetzten Haus zum sozialen Projekt
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07. November 2024, 18:46 Uhr
Mit der Besetzung des ehemaligen Kinderheims in der Reilstraße 78 in Halle begann 2001 ein subkulturelles, soziales und politisches Projekt. Noch heute treffen sich dort Menschen mit verschiedensten Ideen. Die Stadt Halle wollte es an die Besetzer verkaufen, die CDU versuchte, diesen Stadtratsbeschluss mit Stimmen der AfD zu kippen. Nun ist die Tinte unter dem Kaufvertrag getrocknet. Ein Besuch.
- Das ehemals besetzte Kinderheim in der Reilstraße 78 in Halle ist heute zu einem sozialen Projekt geworden.
- Viele Menschen finden in der "Reil78" einen Zufluchtsort.
- Nachdem frühere Besetzer das Gebäude gekauft haben, wollen sie es jetzt sanieren.
Die Fassade ist bunt und an der Tür stehen Sprüche, die klarmachen, wer hier nicht willkommen ist. Polizei und Co.? Sollen draußen bleiben. Ebenso "Sexistisch Übergriffige, Nazidreck und Schwurbler". An der Tür steht ein freundlicher junger Mann. Arthur möchte er genannt werden.
Später am Tisch mit Robin, Rosa und anderen erklärt er dann die Willkommenskultur des "Reil78". Prinzipiell sei es ein offenes Projekt, jeder könne kommen, wenn er oder sie eine tolle Idee habe. Arthur erzählt MDR SACHSEN-ANHALT: "Wer einen Film zeigen oder einen Vortrag, ein Konzert oder ähnliches organisieren möchte, kann sich ans Plenum wenden."
Baseballschlägerjahre: "Wir waren nicht immer schnell genug"
Im Plenum werde dann entschieden, welche Veranstaltung stattfinden kann. Der Verein ist basisdemokratisch und versteht sich politisch als links. Da benötigen Entscheidungen auch mal viel Zeit. Zudem soll das Haus eine Art Schutzraum für Menschen sein, die sich verfolgt fühlen. Robin – auch er heißt eigentlich anders – ist seit 2008 hier und erinnert sich gut an die Zeit, in der er das besetzte Haus für sich entdeckt hat.
Robin erzählt: "Ich habe Freunde mitgenommen, und für die Leute war es unglaublich wichtig, in einen antifaschistischen Raum zu kommen. Die kommen wie ich aus der Pampa in Sachsen-Anhalt und haben Bekanntschaften mit Neonazis gemacht." Er habe auch noch das Ende der Baseballschlägerjahre mitbekommen, erzählt er – jener Zeit Ende der 1990er Jahre also, als Neonazis mit Baseballschlägern durch die Straßen liefen und Leute attackiert haben. Nicht immer sei man schnell genug gewesen, erinnert sich Robin.
Auch für Sabrina ist das Haus in der Reilstraße 78 ein Zufluchtsort. Sie erzählt, dass sie aus einem "total spießigen Elternhaus" komme. Der Ton in dem Haus beeindrucke sie, sagt Sabrina. Hier könne man politische Diskussionen führen, niemand werde ausgegrenzt. Außerdem könne man sich ausleben, künstlerisch tätig werden oder auch handwerkeln. Man könne alles tun und sich ausleben.
Eine Gemeinschaft zum Anderssein
Politische Meinungen im Dialog zu schärfen – das ist den jungen Menschen hier wichtig, sagen sie. Dabei stellen sie sich klar gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus. "Wer sich hier ausprobiert, kann sich selbst finden", meint Rosa. Dabei sind aus dem ehemals besetzten Haus auch schon größere Projekte entstanden. So habe hier die Mobile Opferhilfe ihre ersten Schritte gemacht und sei jetzt ein Verein außerhalb des Hauses. Es gibt Theaterprojekte, viele Leute verlassen das Projekt mit neuen Erfahrungen, mit Skills zu Streitkultur, Humanität und Akzeptanz.
So lief der Verkauf des Gebäudes
Seit 2001 war das Objekt in der Reilstraße 78 in Halle besetzt, bis die Stadt dem langjährigen Betreiber des soziokulturellen Zentrums anbot, das Haus zu kaufen. Die CDU hatte versucht, den Verkauf zu verhindern. Bei einer Petition zeigten zudem mehr als 15.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ihre Unterstützung für das soziokulturelle Zentrum. Am 25. September 2024 lehnte der Stadtrat den Antrag der CDU, der den Verkauf an die Betreiber verhindern sollte, ab und die Stadt konnte die ausgesetzten Verhandlungen wiederaufnehmen. Im Oktober unterzeichneten die bisherigen Nutzer und die Stadtverwaltung den Kaufvertrag.
Die "Reile" wird renoviert
Nun wird das Haus langsam renoviert, der Geist aber bleibt. Ein Haus, dessen Nutzer sich als alternativ und links bezeichnen. Die Betreiber merken schon, dass das politische Klima immer rauer wird, sie sich gegen Angriffe mehr und mehr schützen müssen. Die meisten Angriffe seien, so Arthur, zum Glück nur verbal. Dennoch ist das Haus besonders geschützt.
Fotos dürfen im Gebäude nicht gemacht werden. Auch nicht von der Küche. In der stehen gerade ein paar junge Leute, ein appetitmachender Duft einer Tomatensoße liegt in der Luft. Hier gibt es gleich Abendbrot. "Essen gegen Hand" heißt es und ist für Bedürftige und Menschen mit wenig Geld. Das Haus in der Reilstraße 78 in Halle ist nicht nur ein politischer, sondern auch ein sozialer Raum.
MDR (Anne Sailer, Mario Köhne)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. November 2024 | 08:30 Uhr
steka vor 4 Wochen
Finde ich toll. was wird eigentlich aus dem "Hasi" ? Mit vile krawall und Polizei den Auszug erzwungen und nun, still ruht der See ? Die Sadtobereb haben ihre Macht gezeigt und nun kanns in Ruhe in sich zusammenfallen.
Volker S. vor 4 Wochen
Einfach nur krank.