Ein junger Mann schwimmt in einem Becken, eine Kamera nimmt ihn vom Boden des Becken aufs.
Bildrechte: MDR/Steffen Reichert

Schwimmer Lars Kochmann Gehörlosensportler des Jahres: Aus Halle an die sportliche Weltspitze

11. Dezember 2024, 16:43 Uhr

Lars Kochmann aus Halle ist Deutschlands Gehörlosensportler des Jahres. Als Schwerhöriger wechselte der junge Schwimmer aber erst mit 18 Jahren zum Gehörlosensport. Jetzt lernt der Student die Gebärdensprache. In die sportliche Weltspitze ist er aber längst vorgedrungen.

Erstes Frühstück kurz nach dem morgendlichen Training: Lars Kochmann macht sich in seiner Wohnung ein leckeres Müsli und stellt gleich sein iPad auf, um online in die Welt der Gebärdensprache einzutauchen. Intensives "Vokabeln lernen" und das auch hin und wieder noch mehrsprachig, denn es gibt unzählige Gebärdensprachen auf der Welt

Lars Kochmann macht nach, was ihm in den Tutorials gezeigt wird: Gesten mit den Händen, mimische Elemente, besondere Mundbewegungen. "Gehörlosenschwimmer kommen mit einem Grundstock an Gebärden gut zurecht, zudem unterscheiden sich die Sprachen eher wie Dialekte und nicht wie große Sprachfamilien", erklärt der 23-Jährige. "Jetzt lerne ich sie, um mich mit möglichst vielen Sportlern besser verständigen zu können." Denn, so Kochmann: "Auch, wenn man nur die deutsche Gebärdensprache kennt, kann man sich gut mit einem Amerikaner oder Japaner unterhalten."

Ein junger Mann mit kurzen, blonden Haaren sitzt an einem Tisch beim Frühstück und gestikuliert beim Blick in ein Tablet.
Lars Kochmann in seiner Wohnung beim Vokabel-Lernen Bildrechte: MDR/Steffen Reichert

Anders als andere Gehörlose kaum Probleme mit Lautsprache

Kindergarten, Schule, Universität – von Anfang an hat der leidenschaftliche Schwimmer im Gegensatz zu vielen anderen Gehörlosen keine Probleme mit der Lautsprache. Lars Kochmann kann sich mit seinen beiden Hörgeräten verbal einwandfrei ausdrücken. Dank der Technik vermag er die nur etwa 50 Prozent vorhandene Hörfähigkeit komplett zu kompensieren. "Deshalb hatte ich als Kind und Jugendlicher auch kaum Kontakt mit der Gehörlosenkultur", erinnert er sich. 

Als der Spezialist über 50 und 100 Meter Rücken 2018 zum Gehörlosensport kommt, packt ihn der Ehrgeiz. "Bei mir ging es bis 16, 17 nur um den Spaß. Erst mit dem Gehörlosensport habe ich gesagt: Ich will das ein bisschen leistungsorientierter machen, ich will mehr Leistung bringen", blickt der Student zurück. Heute begegnet man Lars Kochmann nahezu täglich im 50-Meter-Becken in der Robert-Koch-Schwimmhalle in Halle, wenn er seine Hörgeräte herausnimmt und im Wasser seine Trainingseinheiten absolviert – zusammen übrigens mit Olympia-Starterin Laura Riedemann, die zuletzt in der deutschen 4 x 100-Lagenstaffel in Paris auf Rang 9 landete. 

Silber, Weltmeister, Weltrekord: Hallenser startet in der Weltspitze durch

Inzwischen ist der Hallenser in der Weltspitze der Gehörlosenschwimmer angekommen. Als nunmehriger Leistungssportler gewinnt Lars Kochmann bei den Deaflympics in Brasilien – den olympischen Spielen der Gehörlosen also – im Jahr 2022 dreimal Silber und einmal Bronze. Er ist inzwischen Weltmeister und sogar Weltrekordhalter.

Ein junger, Brille tragender Mann im schwarzen Shirt sitzt an einem Tisch und gestikuliert mit einer Hand.
Der 23 Jahre alte Student Lars Kochmann wünscht sich mehr inklusive Wettbewerbe, gern auch olympisch. Bildrechte: MDR/Steffen Reichert

Solche Erfolge machen Lars Kochmann zu einem der erfolgreichsten deutschen Gehörlosensportler, was ihn richtig stolz gemacht hat. Sein großes Ziel ist nun Gold bei den kommenden Deaflympics 2025 in Tokio – dafür arbeitet er hart und ausdauernd und ist dabei auch erfolgreich in anderer Hinsicht: Bei den Deutschen Schwimmmeisterschaften im April in Berlin trägt er sich über 100 Meter Rücken als 23. hinter der deutschen Elite in die Ergebnisliste ein. 

Schwimmer wünscht sich mehr inklusive Wettbewerbe

Lars Kochmann ist nicht nur in die Welt der Gehörlosen eingetaucht. Er will auch etwas bewegen. Sein Traum sind mehr inklusive Wettbewerbe. Wobei er sich eher im Gehörlosensport mehr Innovation wünscht. "Es ist wahnsinnig schwierig, Hörende bei Gehörlosenwettbewerben starten zu lassen, umgekehrt ist das überhaupt kein Problem. Leider ist es eine sehr verschlossene Gesellschaft, in der nicht viel Platz für Neues oder Leute von außen ist." 

Sein großer Traum: Olympische Wettbewerbe, bei denen Menschen ohne und mit körperlichen oder geistigen oder eben akustischen Beeinträchtigungen gemeinsam starten. 

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MDR (Steffen Reichert, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR um 2 | 11. Dezember 2024 | 14:00 Uhr

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