Verletzungen durch FeuerwerkHalle: So haben Handchirurgen im Klinikum Bergmannstrost die Silvesternacht erlebt
Für die Ärzte in der Plastischen Chirurgie gehört die Silvesternacht zu den arbeitsreichsten im Jahr. So war es am Klinikum Bergmannstrost in Halle auch diesmal wieder. Die Handchirurgen mussten Verletzungen behandeln, die durch den Umgang mit Feuerwerk entstanden sind. Das Protokoll der Silvesternacht.
- Die Handchirurgen aus dem Klinikum Bergmannstrost in Halle waren in der Silvesternacht im Dauereinsatz.
- Die meisten Verletzten in Folge von Feuerwerkstechnik sind junge Männer.
- Chirurg Dr. Stefan Weber spricht sich für ein Verbot von Pyrotechnik aus.
Es ist 22 Uhr, da haben Oberarzt Stefan Weber und die beiden Assistenzärztinnen Pia Hölbing und Anna Storz schon den ersten Patienten mit einer Böllerverletzung operiert und an Schwester Marianne und Pfleger Martin auf der Station vier übergeben. Der 18-Jährige hatte sich mit einem Böller schwer an der Hand verletzt. Der nächste Notfall für die Handchirurgen im Klinikum Bergmannstrost ist bereits angekündigt.
Ursache: Polenböller
Es ist noch nicht 23 Uhr, als der Rettungsdienst einen 17-Jährigen aus Bad Dürrenberg im Schockraum übergibt. Zitternd und mit schmerzverzerrtem Gesicht hält er seine rechte Hand mit dem durchgebluteten, dicken Mullverband in die Höhe. Ein Polenböller, informiert die Rettungsassistentin bei der Übergabe.
"Ist Ihnen kalt?", fragt Assistenzärztin Pia Hölbing. "Nein", antwortet der Junge namens Cornel mit bebendem Kiefer. "Das ist durch die Schmerzen. Es tut so weh." Nach dem Unfall steht er unter Schock. "Ihre Blutsättigung ist gut, der Blutdruck ist auch in Ordnung", sagt Anna Storz mit beruhigender Stimme.
Böller vom großen Bruder
Inzwischen ist Cornels Mutter Christin Schumann im Krankenhaus angekommen. Völlig aufgelöst erzählt sie, dass es das zweite Silvester ist, das sie ohne ihre Söhne feiert, dass Cornel mehrfach versucht hatte, sie anzurufen und sie beim Rückruf von einem Freund erfahren hat, dass ihr Jüngster sich einen Finger weggesprengt habe.
"Ich habe erst einmal Freunde organisiert, die mich hergefahren haben", erzählt sie aufgeregt, den Tränen nah. Nein, die Söhne haben ihr noch nie Sorgen bereitet. Ihr ältester Sohn habe die Polenböller besorgt und Cornel sich arglos einen genommen, der dann später sofort beim Anzünden in einem großen Feuerball explodiert sei.
Kugelbombe mit großer Sprengkraft
Nachdem Anna Storz den Verband von der Hand gewickelt hat, wirft Oberarzt Stefan Weber einen Blick auf die Verletzung. Sie muss operiert werden. Inzwischen sind über die Notaufnahme weitere Männer mit Feuerwerksverletzungen eingetroffen. Einer hat eine Kugelbombe gezündet, die sofort in die Luft ging.
Verbrennungen an der Hand und Verletzungen an den Augen waren die Folge. Der Augenarzt in Nordhausen habe Salbe verschrieben, aber Schlimmeres ausgeschlossen, berichtet der Patient und versichert, er habe mit Feuerwerk nie was am Hut gehabt, habe nur einem Freund einen Gefallen tun wollen. Als die Ärzte die verbrannte Haut abtragen, kann er die Schmerzen nur schwer aushalten.
98 Prozent der Verletzten sind männlich, und fast die Hälfte ist unter 25 Jahre alt.
Dr. Stefan Weber | Handchirurg Klinikum Bergmannstrost Halle
Inzwischen ist Cornel auf dem Weg in den OP. Das Team dort hat alles vorbereitet. Stefan Weber wirft einen Blick auf die Röntgenaufnahme, die zeigt, dass das letzte Glied des Zeigefingers schief sitzt.
"Wir werden versuchen, das Fingerglied zu retten", kündigt der Chirurg an, der erst seit zwei Monaten am Klinikum Bergmannstrost arbeitet. Aus seiner vorherigen Tätigkeit in Berlin ist er mit Verletzungen dieser Art bestens vertraut, hat auch eine wissenschaftliche Arbeit darüber verfasst. "Die meisten Opfer von Feuerwerkstechnik sind Männer", weiß er. "98 Prozent der Verletzten sind männlich, und fast die Hälfte ist unter 25." Vielen sind die Gefahren der Pyrotechnik nicht bewusst.
Fünf Tote in Deutschland
"Ich wäre für ein Verbot“, sagt Dr. Stefan Weber vehement. "Gerade Jugendlichen erscheint Pyrotechnik oft harmlos, weil sie erlaubt ist und verkauft wird", begründet er seine Auffassung. Jahr für Jahr werden Ärzte mit den Folgen der Sprengkörper konfrontiert.
In diesem Jahr starben deutschlandweit fünf Menschen in der Neujahrsnacht an den Folgen von unsachgemäßem Umgang mit Feuerwerk – ausnahmslos Männer. Das Klinikum Bergmannstrost ist neben der Otto-von-Guericke-Universität auf schwere Verletzungen der Hände spezialisiert und versorgt Patienten aus dem gesamten Land und darüber hinaus.
Glück im Unglück für Cornel
Unter dem Röntgengerät stabilisieren Stefan Weber und Pia Hölbing Cornels Zeigefinger. Stefan Weber begutachtet zufrieden die fertige Arbeit. Als er die Blutsperre löst, nimmt der Finger eine rosa Farbe an. Die Durchblutung scheint zu funktionieren, der Patient hat offensichtlich Glück gehabt: Sein Finger kann in der Spezialklinik in Halle gerettet werden.
Nach Silvester kommen die Kinder, die nicht explodierte Böller gefunden haben, und diejenigen, die erst einmal ihren Rausch ausgeschlafen haben.
Dr. Stefan Weber | Handchirurg Klinikum Bergmannstrost
Für die Handchirurgen ist die Nacht noch nicht vorbei. Vor dem OP wartet der nächste Patient mit einer Böllerverletzung, und in der Notaufnahme ist bereits noch ein junger Mann eingeliefert worden. Seine linke Hand blutverschmiert, die Fingerkuppen zerfetzt.
"Er hat nicht so viel Glück gehabt", schätzt Stefan Weber nach der ersten Begutachtung. "Die Verletzungen sind deutlich schwerer." Während er die Wunde begutachtet und versorgt, wirft er einen Blick voraus. Auch der Neujahrstag ist traditionell arbeitsreich für die Handchirurgen. Weber sagt: "Dann kommen die Kinder, die nicht explodierte Böller gefunden haben, und diejenigen, die erst einmal ihren Rausch ausgeschlafen haben."
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MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Januar 2025 | 19:00 Uhr
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