Von Null auf schönWie Halle sein Stadtbad im Jugendstil saniert
2025 beginnt ein für Mitteldeutschland einmaliges Experiment: die denkmalgerechte Sanierung und Modernisierung eines der größten historischen Stadtbäder Deutschlands. Ähnliche Versuche in anderen Städten waren bisher an den enormen Kosten gescheitert.
- Das Stadtbad in Halle ist ein Denkmal von europäischem Rang und war eines der größten und modernsten seiner Zeit.
- Doch laut der ehemaligen Leiterin Elke Scharnowski wurde das Bad lange vernachlässigt und nicht ausreichend saniert.
- In Halle widmet sich nun ein Förderverein der Zukunft des Stadtbades. Doch der muss auch mit Rückschlägen kämpfen.
Als einziges erhaltenes Jugendstilbad in Sachsen-Anhalt ist das Stadtbad Halle ein Denkmal von europäischem Rang. Ab 2025 sollen Teile des Bades umfassend saniert und modernisiert werden. Dafür haben viele Hallenserinnen und Hallenser lange gekämpft, auch, um die Schließung des Bades zu verhindern. Eine der ersten, die sich für das einzigartige Ensemble in Halles Innenstadt einsetzte, war Elke Scharnowski. Von 1983 bis 2005 leitete die heute 84-Jährige das Haus und musste mit ansehen, wie das Denkmal immer mehr verfiel und ganze Bereiche geschlossen werden mussten.
Als ich anfing, war das Stadtbad in einem sehr schlechten Zustand, weil jahrzehntelang kaum etwas für den Erhalt gemacht worden war.
Elke Scharnowski | Ehemalige Leiterin des Stadtbades Halle
Das Stadtbad sei in einem sehr schlechten Zustand gewesen, als sie 1983 dort zu arbeiten begann. Damals, sagt Scharnowski, sei jahrzehntelang kaum etwas für den Erhalt des Bades getan worden. "Es dauerte auch nicht lange, da kam aus der Kuppel in der Frauenhalle das Fensterglas nach unten in das Becken. Die wunderschönen historischen Stichkappenfenster wurden dann einfach mit Blech zugemacht!"
1916 war das Bad eines der modernsten seiner Zeit
1916 wurde das Stadtbad Halle nach zweijähriger Bauzeit als eines der größten und modernsten Bäder seiner Zeit feierlich eröffnet. Neben zwei getrennten Schwimmhallen für Männer und Frauen erwartete die Besucher ein irisch-römisches Dampfbad sowie großzügige Wannen- und Duschbereiche.
Die Männerschwimmhalle verfügte über das erste wettkampftaugliche 25-Meter-Becken Deutschlands, in dem nicht nur Generationen von Kindern das Schwimmen lernten, sondern sich bald auch die sportliche Elite traf. Ab den 1920er Jahren fanden im Stadtbad große nationale Wettkämpfe statt und nach Gründung der DDR trainierten hier die Schwimmer und Wasserspringer des SC Chemie Halle, unter ihnen der Olympiasieger von 1980 im Wasserspringen, Falk Hoffmann.
Ein Bad, in dem der Putz von der Decke bröckelt
Als Elke Scharnowski 1983 ihren Dienst im Stadtbad antrat, war von der einstigen Pracht nicht mehr viel zu sehen. Noch heute erinnert sie sich lebhaft an das mulmige Gefühl ihres ersten Arbeitstages, nachdem ihre Vorgängerin nach nur wenigen Monaten entnervt das Handtuch geworfen hatte. Nun sollte Elke ein Haus mit rund 50 Mitarbeitern führen, in dem der Putz von der Decke bröckelte und im Winter oft die Heizung ausfiel.
Wir waren eine verschworene Gemeinschaft, die alles getan hat, um das Stadtbad offen zu halten.
Elke Scharnowski | Ehemalige Leiterin des Stadtbades Halle
Doch die anfängliche Skepsis wich schnell einer großen Liebe zu dem alten Haus und den Menschen, die hier arbeiteten. Das Stadtbad war damals nicht nur eine der meistbesuchten Erholungseinrichtungen der Saalestadt, hierher kamen die Hallenser auch auf Rezept zur Krankengymnastik oder um sich in den Wannenbädern, bei der Fußpflege und beim Friseur schön zu machen. Scharnowski erinnert sich: "Wir waren eine verschworene Gemeinschaft, die alles getan hat, um das Stadtbad offen zu halten."
Besonders schön seien die Weihnachtsfeiern mit den Badgästen gewesen. Gemeinsam hätten sie Kerzen auf die Schwimmbretter geklebt, Glühwein ausgeschenkt. Eine Frau habe Weihnachtslieder gesungen. "Wir saßen am Beckenrand und hatten Tränen in den Augen, weil die Akustik in der Schwimmhalle einfach fantastisch war", erinnert sich Scharnowski.
Bürgerinitiative soll Stadtbad Halle retten
Mit viel Eigeninitiative und kreativen Ideen haben Elke Scharnowski und ihre Mitarbeiter nach der Wende versucht, das alte Haus trotz drohender Schließung attraktiver zu machen: mit einem Gesundheitsangebot mit Massagen, Unterwasserbehandlungen und Elektrotherapie sowie Poolpartys und Konzerten. Mit Hilfe der Wüstenrot Stiftung konnten sogar Teile der Außenfassade und der Schwimmbadtechnik erneuert werden.
Doch als Elke 2005 in Rente geht, weiß sie, dass ihr Bad noch nicht gerettet ist. Das Stadtbad sei von allen Betreibern immer stiefmütterlich behandelt worden, findet sie: "Es war das Aschenputtel unter den Bädern, das vor allem funktionieren sollte, aber es wurde nur das Nötigste gemacht!"
Im Oktober 2012 musste die Frauenhalle des Stadtbades geschlossen werden, weil die Kuppel einzustürzen drohte. Scharnowski hatte bereits eine Bürgerinitiative zur Rettung des Stadtbades gegründet, der sich viele Hallenser und Sportvereine anschlossen. 2014 konnte die Frauenhalle wieder eröffnet werden und die Bürgerinitiative, die sich nun Förderverein Zukunft Stadtbad Halle (Saale) nannte, entwickelte mit Fachleuten ein Gesamtkonzept für die denkmalgerechte Sanierung des Stadtbades und den Umbau zu einem modernen Gesundheitsbad mit Wellnessangeboten.
Mit diesem Zukunftsplan konnten die Stadtbadretter auch die Politik überzeugen. 2019 bewilligten der BUND und das Land Sachsen-Anhalt mehr als 19 Millionen Euro Fördermittel für die Sanierung. Sehr zur Freude von Elke Scharnowski: "Es war wunderbar zu sehen, welche Möglichkeiten sich plötzlich in den Gesprächen auftaten, die wir mit den Vertretern der Politik führen durften." Sie seien begeistert gewesen von der Idee der Gesamtsanierung als Gesundheitsbad mit dem irisch-römischen Dampfbad als Alleinstellungsmerkmal.
Preise steigen, Fördermittel reichen nicht
Doch inzwischen ist die Umsetzung des Plans vom Gesundheitsbad mit Hallenbad und irisch-römischem Dampfbad wieder in weite Ferne gerückt. Denn ein Jahr nach der Förderzusage bricht die Corona-Pandemie aus, zwei Jahre später fällt Russland in die Ukraine ein. In der Folge kommt es zu Unterbrechungen der Lieferketten und steigenden Energiekosten, die Baupreise explodieren. Für eine umfassende Sanierung des Bades reichen die zugesagten Mittel nicht aus und auch das 2015 geschlossene irisch-römische Dampfbad fällt den gestiegenen Kosten zum Opfer.
Damit der Traum vom Gesundheitsbad irgendwann doch noch wahr wird, müssen Elke Scharnowski und der Förderverein weiterkämpfen. Geplant ist ein Diskussionsforum, an dem sich alle Hallenserinnen und Hallenser mit ihren Ideen zur künftigen Nutzung des Stadtbades beteiligen können.
Damit wollen die Stadtbadretter auch verhindern, dass das Thema Gesundheitsbad während der dreijährigen Sanierung in Vergessenheit gerät. Das Stadtbad lasse sie nicht los, sagt Elke Scharnowski: "Mein größter Wunsch ist es, dass nicht nur die beiden Schwimmhallen wieder in alter Schönheit erstrahlen, sondern dass unsere Idee vom Gesundheitsbad der Zukunft mit einer irisch-römischen Sauna endlich Wirklichkeit wird!"
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MDR (Tom Kühne, Alisa Sonntag)
Dieses Thema im Programm:Der Osten – Entdecke, wo du lebst | 12. November 2024 | 21:00 Uhr
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