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Andreas Herzig arbeitet seit 40 Jahren auf dem Südfriedhof Halle. Das Sterben der Bäume seit 2020 bereitet ihm Sorgen. Bildrechte: Robin Osthoff

Studierende schreiben für den MDRWie sich der Klimawandel auf dem Südfriedhof Halle auswirkt

18. November 2022, 15:40 Uhr

Der Südfriedhof in Halle ist die grüne Lunge der Südstadt. Mehr als 26.000 Gräber und unzählige Bäume stehen auf dem Friedhof. Nicht nur im waldreichen Harz, auch mitten in Halle sind die Folgen des Klimawandels an den Bäumen bemerkbar. Friedhofsleiter Andreas Herzig und sein Team stehen vor großen Herausforderungen, um die Bäume des Südfriedhofs am Leben zu erhalten. Ein Gastbeitrag eines Studenten aus Halle.

von Robin Osthoff, Student Multimedia und Autorschaft

Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Studierende schreiben" in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstanden.

Seit über 40 Jahren arbeitet Andreas Herzig auf dem Südfriedhof in Halle. Für den 61-Jährigen ist der Friedhof ein wichtiger Teil seines Lebens.

Doch die vergangenen Jahre beschreibt der Friedhofsleiter als Albtraum. Seit 2020 sind auf seinem Friedhof mehr als 700 Bäume abgestorben oder mussten gefällt werden. "Vor allem Nadelbäume wie Lärchen und Fichten waren betroffen, aber auch über 100 Jahre alte Buchen und Eichen hat es erwischt. Das hat mich besonders traurig gemacht", erzählt er.

Warum sterben so viele Bäume?

Schuld am Baumsterben ist der Klimawandel. Bei der extremen Hitze und Trockenheit haben die Nadelbäume keine Chance, sagt Jens Lüdeke. Er ist Professor für urbanen Raum und Landschaft an der Hochschule für Technik in Berlin und setzt sich seit Jahren mit den Auswirkungen des Klimawandels in deutschen Städten auseinander. Auf natürliche Weise wachsen Fichten und Lärchen in Deutschland nur an wenigen Orten. Sie sind vor allem in höheren Gegenden heimisch und lange Trockenphasen nicht gewöhnt.

Die abgestorbenen Buchen und Eichen bereiten dem Experten jedoch größere Sorgen: "Das sind heimische Bäume, die wir als eher hitzeresistent kennen. Es ist umso erschreckender, dass auch diese Bäume schon jetzt eingehen."

Das sind heimische Bäume, die wir als eher hitzeresistent kennen. Es ist umso erschreckender, dass auch diese Bäume schon jetzt eingehen.

Jens Lüdeke, Professor für urbanen Raum und Landschaft an der Hochschule für Technik in Berlin

Klimawandel und Trockenheit setzen der "grünen Lunge" der Südstadt zu. Bildrechte: Robin Osthoff

Auf dem Südfriedhof sind zudem viele Bäume dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen und auch Pilzkrankheiten häufen sich, erzählt Herzig. Auch das sind typische Folgen des Klimawandels. Mit dem Borkenkäfer würden die Bäume zurechtkommen, wären sie nicht durch Hitze und Trockenheit geschwächt. Die Pilze sind aus dem warmen und trockenen Süden Europas nach Deutschland gewandert, weil sie hier mittlerweile ähnliche Bedingungen wie in ihren Ursprungsländern vorfinden, berichtet Lüdeke.

Deshalb sind Friedhöfe wichtig fürs Klima

Der Südfriedhof ist Heimat vieler Vögel und Insekten. Auch Füchse und Eulen lassen sich bei einem Spaziergang entdecken. Untersuchungen zeigen, dass Friedhöfe auch für Menschen wichtige Grünflächen sind. Der zumeist große und alte Baumbestand trägt besonders in den zunehmend wärmer werdenden Innenstädten zur Kühlung bei – wie eine natürliche Klimaanlage.

Friedhöfe sind natürliche Klimaanlagen.

Jens Lüdeke, Professor für urbanen Raum und Landschaft an der Hochschule für Technik in Berlin

Nicht alle alten Bäume können gerettet werden

Hunderte Bäume sind schon eingegangen, darunter auch einheimische, hitzeresistente Arten. Bildrechte: Robin Osthoff

"Die Bäume sterben, es bleibt keine Alternative, als neue zu pflanzen. Es ist unmöglich, so viel zu gießen, dass alle alten Bäume erhalten werden", bedauert Lüdeke.

Er untersucht deshalb, welche Baumarten in Deutschland in Zukunft eine Chance haben. Ein solcher Baum ist die Esskastanie. "Das sind Bäume, die bisher eigentlich im Mittelmeerraum vorkommen. Im Gegensatz zu unseren heimischen Bäumen sind sie seit Jahrmillionen darauf geeicht, dass es wenig Wasser gibt, und können daher längere Trockenphasen gut überstehen."

Andreas Herzig möchte trotzdem versuchen, so viele alte Bäume wie möglich auf dem Südfriedhof zu erhalten. Er und sein Team pflanzen aber auch neue Bäume. "Ich habe selbst vier Stinkeschen hier auf dem Friedhof gepflanzt, um die ich mich nicht nur im Dienst, sondern auch in meiner Freizeit kümmere", sagt der Friedhofsleiter. "Die ersten zehn bis 15 Jahre müssen neue Bäume besonders intensiv gegossen und gepflegt werden, das stellt uns vor eine große Herausforderung."

Der Friedhof schrumpft

Nicht nur der Klimawandel bedroht Deutschlands Friedhöfe. Die überwiegende Mehrheit an Grabfläche sind Urnengräber. Zudem werden pflegefreie Grabflächen und Friedwälder immer beliebter, wie eine Umfrage der Verbraucher-Initiative für Bestattungskultur herausfand. Immer weniger Menschen werden in großen Särgen bestattet, weshalb immer weniger Friedhofsfläche benötigt wird.

Auch der Südfriedhof in Halle zieht sich von den Rändern in die Mitte zurück. "Wir schaffen es nicht mehr, alle freien Flächen zu pflegen. Die Grabstellen am Rand werden nicht mehr neu vergeben. Die Randbezirke übergeben wir der Natur und lassen sie gezielt renaturieren", sagt Herzig.

Wir schaffen es nicht mehr, alle freien Flächen zu pflegen. Die Grabstellen am Rand werden nicht mehr neu vergeben.

Andreas Herzig, Leiter des Südfriedhofs in Halle

In einigen deutschen Städten wird bereits überlegt, Friedhöfe aufzulösen. "Es gibt erste Urban-Gardening-Projekte auf Friedhofsflächen. Aber auch Immobilienfirmen haben Interesse. Denn die Gelände sind meist recht schön und zentral in der Stadt gelegen", berichtet Jens Lüdeke. "Weil wir den Kühleffekt brauchen, wäre es wichtig, die Friedhöfe mit dem alten und großen Baumbestand zu erhalten, auch wenn sie vielleicht nicht mehr überwiegend als Grabfläche genutzt werden."

Die Zukunft der Friedhöfe

Friedhofsleiter Herzig will "seinen" Südfriedhof retten. Das versucht er zum Beispiel mit hitzeresistenten mediterranen Baumarten. Bildrechte: Robin Osthoff

Lässt sich das Friedhofsterben noch verhindern? "Nein", sagt Klimaforscher Lüdeke. "Es ist klar, dass in Zukunft mindestens zwei Drittel weniger Friedhofsfläche benötigt wird. Wichtig ist, ob man sie als Grünflächen erhält oder zubaut."

Friedhofsleiter Herzig liegt es am Herzen, dass sein Südfriedhof erhalten bleibt. Er hofft, den Zustand der Anlage wieder verbessern zu können. "Der Friedhof wird zwar kleiner, aber ich glaube nicht, dass er verschwinden wird. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Stadtteilfriedhöfe sind Orte, mit denen die sich dort lebenden Menschen emotional identifizieren. Der Südfriedhof gehört einfach hier her!"

Bildrechte: Robin Osthoff

Über den AutorRobin Osthoff studiert seit 2021 den Master Multimedia und Autorschaft in Halle. Nach einer Ausbildung zum Erzieher arbeitete er mehrere Jahre in Kindergärten und Grundschulen, wo er unter anderem Medienprojekte für Kinder organisierte. Anschließend studierte er Kultur- und Medienpädagogik in Merseburg und war unter anderem für den Tigerentenclub und den Offenen Kanal Merseburg tätig. Am liebsten recherchiert er für eine junge Zielgruppe und schreibt Reportagen über außergewöhnliche Menschen mit spannenden Geschichten.

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MDR (Lukas Kammer)

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