9. Oktober 2024 So begeht Halle den fünften Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge
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08. Oktober 2024, 11:43 Uhr
Am 9. Oktober 2019 hat ein bewaffneter Attentäter versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Als ihm das nicht gelang, erschoss er auf der Straße und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen. Der Attentäter wurde zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Fünf Jahre nach dem Anschlag plant die Stadt Halle mehrere Veranstaltungen zum Gedenken.
- Zum zentralen Gedenkakt in der Ulrichskirche in Halle werden Bundespräsident Steinmeier und Ministerpräsident Haseloff erwartet.
- Im Vorfeld des Gedenktages hat es vermehrt Hasskommentare in Google-Rezensionen gegeben. Die Polizei ermittelt.
- Außerdem wird es rund um den Jahrestag eine Doku-Preview und eine Ausstellung geben.
Im Oktober jährt sich der rechtsextreme und antisemitische Terroranschlag auf die Synagoge in Halle zum fünften Mal. Aus diesem Anlass plant die Stadt einige Gedenkveranstaltungen. Das teilte ein Sprecher der Stadt MDR SACHSEN-ANHALT mit.
Demnach sollen am 9. Oktober, kurz nach 12 Uhr, zum Zeitpunkt des ersten Schusses, die Kirchenglocken der Stadt läuten, an den Haltestellen der Halleschen Verkehrs-AG (Havag) wird es Lautsprecherdurchsagen geben.
Zentrale Gedenkfeier in der Ulrichskirche
Der zentrale Gedenkakt wird ab 17 Uhr in der Ulrichskirche stattfinden, so der Sprecher der Stadt. Hier wird neben Zeuginnen und Zeugen des Anschlags auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen. Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sowie der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, werden erwartet. Die Bühnen Halle sorgen demnach für den musikalischen Rahmen. Der MDR wird die Veranstaltung im Livestream übertragen.
Außerdem soll Bundespräsident Steinmeier zuvor die Synagoge besuchen und dabei den letzten Buchstaben in die neue Thorarolle der jüdischen Gemeinde der Stadt schreiben. Auch am Anschlagsort wird es am Nachmittag eine Gedenkveranstaltung geben.
Veranstaltungen gegen das Vergessen
Für den Abend bereitet die Stadt nach eigenen Angaben eine weitere Veranstaltung auf dem Marktplatz vor. Die Andacht wird gemeinsam von der Stadt Halle, dem Evangelischen Kirchenkreis Halle-Saalkreis und der Jüdischen Gemeinde zu Halle (Saale) gestaltet. Laut Stadtsprecher Oliver Paulsen ist der fünfte Jahrestag ein "besonderes Ausrufungszeichen", damit dieser Tag nicht in Vergessenheit gerate.
Paulsen sagte weiter, seit dem vergangenen Jahr sei der 7. Oktober "das andere brennende Datum, um auf das Thema Antisemitismus zu schauen". An diesem Tag griffen Terroristen der Hamas Israel an. Beide Tage sind nach den Worten von Paulsen Anlass für die Stadt, zu erinnern.
Anfeindungen und Morddrohungen
Auf die Frage, wie es den Juden in Halle heute gehe, antwortet der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, man müsse zwei Dinge trennen: "Also erstmal: Die Gemeinde arbeitet, sie lebt. Wir haben alle Aktivitäten, die wir immer hatten. Es gibt keine Beschränkungen in dem Sinne, dass weniger Leute zum Kinderunterricht kommen oder zu Gottesdiensten. Es läuft wie immer."
Es ist anscheinend so, dass der Staudamm von Antisemitismus gebrochen wurde.
Privorozki sagte weiter: "Die zweite Sache ist, wie wir uns fühlen." Er verwies auf die Ereignisse in Israel und die Konsequenzen weltweit und in Halle. "Es ist anscheinend so, dass der Staudamm von Antisemitismus gebrochen wurde. Es läuft eine absolut unvorstellbare antisemitische Welle überall. Das ist das, was uns sehr beunruhigt."
Ermittlungen nach Google-Kommentaren
Es gebe Anfeindungen, E-Mails auch mit Morddrohungen, alles insbesondere seit dem 7. Oktober 2023. Privorozki sagte: "Ich führe keine Statistik, aber ich habe sicherlich schon über 40 E-Mails mit Morddrohungen oder schlimmen Beleidigungen erhalten. So etwas gebe ich sofort an die Polizei und an die Antisemitismus-Meldestelle Rias weiter."
In den vergangenen Wochen hatte es laut Polizei verstärkt Hasskommentare in den Google-Rezensionen gegeben, die einen eindeutigen Bezug zu dem Anschlag vor fast genau fünf Jahren hatten – etwa durch Fotos des Attentäters. Google hat die Kommentare inzwischen gelöscht. "Sobald wir über den Fall informiert wurden, haben wir umgehend Maßnahmen ergriffen, um Inhalte zu entfernen, die gegen unsere Richtlinien verstoßen", teilte eine Sprecherin mit. Ermittlungsverfahren seien eingeleitet, ergänzte eine Sprecherin der Polizeiinspektion Halle.
Gemeinde erhält neue Thorarolle
Auf Initiative von zwei Organisationen erhält die Gemeinde eine neue Thorarolle, wie Max Privorozki sagte. "Wir haben einen Grund zu feiern, allerdings hat diese Thorarolle eine direkte Verbindung zum Anschlag vor fünf Jahren. Es ist ein Symbol dafür, dass der Attentäter es nicht geschafft hat, jüdisches Leben auszulöschen. Jüdisches Leben geht weiter."
Am Mittwoch kommender Woche soll der letzte Buchstabe in der heiligen Schrift geschrieben werden. "Es wird feierlich, allerdings nicht wie üblich bei der Übergabe einer Thorarolle. Wir werden selbstverständlich nicht vergessen, dass an dem Tag vor fünf Jahren zwei Menschen ermordet wurden. Deswegen gibt es keinen üblichen Feiertag mit Tanz und Gesang", betonte Privorozki.
Dokumentation und Ausstellung
Neben den Veranstaltungen am Jahrestag selbst, wird bereits am Tag zuvor im ehemaligen Thalia Theater im Puschkinhaus die Preview einer MDR-Dokumentation über den Anschlag gezeigt, in der auch Zeitzeugen zu sehen sein werden. Der Film folgt verschiedenen Protagonistinnen und Protagonisten aus der Stadtgesellschaft und Betroffenen. Neben Oberbürgermeister Egbert Geier ist auch Ministerpräsident Haseloff eingeladen. Im Anschluss an den Film soll es eine Podiumsdiskussion geben. Auch ein Konzert sei geplant.
Ebenfalls am 8. Oktober findet im Großen Saal des Stadthauses eine Benefizlesung statt. Die Einnahmen der Lesung "Muttersprache Mameloschn" sollen dem Tekiez – Friedenskreis Halle e.V. zur Verfügung gestellt werden.
Am 10. Oktober wird im Ratshof der Stadt eine Ausstellung der Künstlerin Talya Feldmann eröffnet. Sie ist Überlebende des Anschlags.
Der Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019
Am 9. Oktober 2019 hat ein schwer bewaffneter Mann versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, in der rund 50 Gläubige den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begingen. Als er scheiterte, fuhr er weiter und tötete auf seinem Weg eine Passantin. Anschließend eröffnete er in einem Döner-Imbiss das Feuer, tötete einen Gast und floh. Der Attentäter wurde im Dezember 2020 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
MDR, dpa, epd (Marc Weyrich, Fabienne von der Eltz, Moritz Arand) | Erstmals veröffentlicht am 25.08.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Oktober 2024 | 05:00 Uhr
Britta.Weber vor 7 Wochen
klaus.kleiner3, es ist immer gefährlich seine Meinungen schreiben zu dürfen oder gar wählen zu können- da kommt manchmal das Falsche heraus.-
Ich empfinde all die Hetze mit diversen Nazikeulen auch als schlimm und ziehe Diskussionen mit Sachargumenten vor, aber das gehört zur Meinungsfreiheit- damit diskreditieren die Schreiber sich selbst (auch wenn sie das vielleicht gar nicht merken).
Djamal vor 7 Wochen
Die Politik sollte mal so langsam nachdenken , wie sie die Bürger auf öffentlichen Straßen schützen will . Selber haben diese ja in ihren fetten gepanzerten Karossen keine Sorgen und sollten sie ihren Käfig verlassen sind die Personenschützer um sie rum .Hier muss sich grundlegend etwas ändern . Auch der Täter von Halle bekommt noch heute Steuergelder zumindest für Kost und Logie .
SGDHarzer66 vor 7 Wochen
Genau DAS ist der Unterschied!