Personalie Geschäftsführerin Uta van den Broek verlässt die Bühnen Halle
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11. Dezember 2024, 17:32 Uhr
Die Geschäftsführerin der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Uta van den Broek, wird die Bühnen Halle verlassen. Die Gespräche über eine Vertragsverlängerung mit dem Aufsichtsrat sind offenbar gescheitert. Die beiden künstlerischen Leiterinnen des Neuen Theaters sollen aber im Amt bleiben. Die "Mitteldeutschen Zeitung" hatte zuvor über einen neuen Theaterstreit in Halle berichtet. Recherchen von MDR KULTUR ergaben allerdings, dass dieser weniger dramatisch ist als angenommen.
- Uta van den Broek hört als Geschäftsführerin der Bühnen Halle auf.
- Mille Maria Dalsgaard und Mareike Mikat bleiben als künstlerische Leiterinnen am Neuen Theater Halle.
- Zuvor hatte sich eine Debatte um einen Vorfall am Theater vom Sommer entwickelt, der aber weitgehend beigelegt schien.
Die Geschäftsführerin der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOOH), Uta van den Broek, wird die Bühnen Halle verlassen. Laut einer Mitteilung des Theaters vom Mittwoch hat van den Broek den Aufsichtsrat der TOOH darüber informiert, ihren bis Ende Juni 2025 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen, teilte sie demnach mit. "Ich bedaure es, mein erfolgreiches Wirken für die Bühnen Halle nicht fortsetzten zu können", so van den Broek. Ihren Entschluss habe sie nach "Abwägung aller relevanten Faktoren" getroffen.
Verhandlungen über Vertrag standen aus
Nachdem Vorwürfe gegen sie erhoben worden waren, hatte Uta van den Broek zuvor bereits angekündigt, für eine Verlängerung ihres Vertrags nicht zur Verfügung zu stehen. Sie war im Zusammenhang mit einem Sexismus-Vorfall bei Proben am Neuen Theater in Halle in die Kritik geraten. Daraufhin setzten sich fast 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bühnen Halle in einem offenen Brief für ihren Verbleib als Geschäftsführerin ein.
Vergangenen Donnerstag hatte der Aufsichtsrat der Bühnen Halle GmbH in einer außerordentlichen Sitzung beschlossen, dass Mille Maria Dalsgaard und Mareike Mikat auch weiterhin die künstlerische Leitung am Neuen Theater in Halle verantworten sollen. Mit Uta van den Broek sollte über eine Verlängerung ihres Vertrages verhandelt werden.
Vor der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag hatte Uta van den Broek auf Nachfrage von MDR KULTUR betont, dass sie die fristlose Entlassung der beiden künstlerischen Leiterinnen nicht gefordert habe. Das könne sie als Geschäftsführerin auch gar nicht, das sei Sache des Aufsichtsrates.
Die Vorgeschichte
Um den Fall zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Im Juni gab es eine Generalprobe für das Sommertheater des Schauspiels. Dabei schauten auch Mitarbeiter des Theaters zu, die zuvor noch den Abschied eines Kollegen gefeiert hatten. Es wurde getrunken, ein Bierkasten mitgebracht. In Feierlaune war man wohl recht laut – das habe die Proben gestört und es soll sexistische Kommentare Richtung Bühne gegeben haben. Die Sache sorgte für Unruhe und eskalierte.
Später gab es klärende Gespräch der Beteiligten, auch Entschuldigungen. Alles schien wieder gut.
Aber die Sache hatte auch eine arbeitsrechtliche Komponente, sagt van den Broek. Im Ergebnis habe es eine Vorlage für eine Aufsichtsratssitzung gegeben, in der aus arbeitsrechtlicher Sicht Konsequenzen für den Umgang mit dieser Affäre durchgespielt würden. Eine Option schien dabei die fristlose Kündigung zu sein. Aber eben nur eine.
Kein Kommentar von künstlerischen Leiterinnen
Mille Maria Dalsgaard, die künstlerische Leiterin des Neuen Theater und des Thalia-Theaters, und Mareike Mikat, ihre Stellvertreterin, wollen sich zum damaligen Zeitpunkt "nicht zu den Vorgängen äußern", wie die Referentin der beiden mitteilte.
Unglücklich gelaufen
In Hintergrundgesprächen hört man, dass die Sache unglücklich gelaufen sei. Die Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt wäre vorschnell ins Spiel gekommen. Damit hätte man die Sache nicht mehr intern klären können.
Zudem gab es Mails zu den Vorfällen von Betroffenen an die Presse, auch an MDR KULTUR. Eine Künstlerin, die anonym bleiben will, schrieb: "Ich möchte mir unter den Umständen nicht vorstellen, wie es bei uns weiter geht, wenn der Vertrag von der Geschäftsführerin in dieser Woche verlängert wird." Legten solche Unkenrufe die Vertragsverlängerung der Geschäftsführerin auf Eis? Die war nämlich für den Herbst geplant gewesen und ist verschoben worden.
Viele Fragen blieben offen, weil scheinbare Beweise wohl doch keine waren, und ein Teufel an die Wand gemalt wurde, der an der Wand offenkundig immer mehr verblasste.
Falsche Erinnerungen an früheren Theaterstreit
Schnell stellt sich auch so ein Déjà-vu Gefühl ein. Schon einmal gab es an den Bühnen Halle großen Streit um einen Geschäftsführer, Stefan Rosinski, der vieles bestimmen wollte und geändert hat – nicht zum Guten. Es gab damals einen Opernintendanten, Florian Lutz, der ein gewöhnungsbedürftiges künstlerisches Konzept mitgebracht hatte.
Aber vergleichbar ist das nicht. Um es klar zu sagen: Uta van den Broek ist nicht Stefan Rosinski – im Grunde eher das Gegenteil. Der Vergleich zwischen Florian Lutz und Mille Maria Dalsgaard stimmt ein bisschen, weil beide für ein "Theater der Zukunft" arbeiten.
Neue Theatersprache bringt Reibungen
Dalsgaards erklärtes Ziel ist es "die neue Theatergeneration für ein vielfältiges Stadttheaterangebot zu gewinnen" – so steht es in der Pressemitteilung, mit der ihre Intendanz 2022 angekündigt wurde. Dazu will sie neue Formen nutzen, so partizipatives Theater, also Theater, bei dem Bürgerinnen und Bürger neben den Profis auf der Bühne stehen. Auch eine "neue Theatersprache" kündigt sie an.
So etwas erzeugt natürlich Reibung, zumal dann, wenn neue Theaterideen zwangsläufig in der Nachfolge eines Volkstheaters von Peter Sodann und Matthias Brenner stehen. Das Konzept für ein "Theater der Zukunft" hat den Aufsichtsrat aber überzeugt, der die beiden Künstlerinnen deswegen 2022 als neue künstlerische Leitung berufen hat.
Dalsgaard und Mikat dürfte bewusst gewesen sein, dass sie sich breit aufstellen müssen – und wollen. Mikats Inszenierung "Der Drache", bis heute im Spielplan, ist sehr gutes Theater im gewohnten Stil. Damit hatten die beiden begonnen.
Mitarbeiter stellten sich hinter Geschäftsführerin
Uta van den Broek ist schon deswegen das Gegenteil von Rosinski, weil es, nachdem der Aufsichtsrat den Vertrag der Geschäftsführerin im Herbst nicht verlängert hatte, eine Initiative von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bühnen Halle gab, die in einem offenen Brief erklärt hatten, dass sie ihre Arbeit schätzen – und möchten, dass sie bleibt. In dem Brief betonen sie die Führungsqualitäten, Weitsicht und den Mut ihrer Chefin. Das hat die Position von van den Broek gestärkt.
Zwei Problemfelder für Uta van den Broek
Bevor van den Broek ankündigt hat, ihren Vertrag nicht zu verlängern, nannte sie MDR KULTUR zwei Voraussetzungen, die für ihre Entscheidung wohl eine Rolle gespielt haben:
Zum einen beklagte sie eine "dysfunktionale Organisationsform". Sie möchte, dass Strukturen in der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOOH) – wie die Bühnen Halle korrekt heißen – verbessert werden. Es ist ein altes Problem und existiert, seit man im Jahr 2009 die Oper, die Staatskapelle, das Neue Theater (Schauspiel), das Thalia-Theater (Kinder- und Jugendtheater) und das Puppentheater zusammengelegt hatte, um Effizienzeffekte zu erzielen. Seitdem gibt es fünf künstlerische Leiter, die natürlich ihre eigene Sparte im Blick haben. Wie kann eine Geschäftsführerin mit den fünf Spartenleitern besser zusammenarbeiten und sie besser für die große, gemeinsame Sache gewinnen?
Zumal – und das ist Voraussetzung Nr. 2 – die Rahmenbedingungen schwieriger werden. Stichworte sind: Ukrainekrieg, Energiekrise, Fachkräftemangel, Finanzkrise. Dazu kommen Tarifsteigerungen und Inflation. Da brauche man, so van den Broek, eine Dynamisierung der Theaterverträge, um diese Sachverhalte nicht immer wieder neu und zeitraubend zu verhandeln. Es läuft für die Geschäftsführerin auf eine entsprechende Beinfreiheit hinaus, auf eine Stärkung ihrer Position im Machtgefüge zwischen dem Theaterbetrieb einerseits und dem Aufsichtsrat der Stadt andererseits.
Theater im Wandel
Vor diesem Hintergrund ist die Generalproben-Affäre – wenn wir sie so nennen wollen – vielleicht nur ein aufgebauschtes Problem, das intern schon aufgearbeitet ist. Und ein Problem, das mit dem Generationenwechsel am Theater zu tun hat.
Das alte Stadttheaterprinzip, das darauf beruhte, dass meist Patriarchen in "ihrem" Theater hierarchisch durchregiert hatten, ist ein Auslaufmodell und einer nachwachsenden Generation nicht mehr zu vermitteln. Eine neue Generation setzt auf flache Hierarchien, Teamplay, auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Deutsche Bühnenverein hat für diesen Transformationsprozess einen wertebasierten Verhaltenskodex erstellt.
Im Übrigen ist es auch ein Transformationsprozess des Publikums, wenn jüngere Zuschauer, die nicht mehr mit Operette und Schauspielklassikern sozialisiert sind, Stoffe aus ihrer Alltagswelt im Theater suchen.
Was also tun? Am Ende sei es, so van den Broek, auch eine Image-Frage. Wenn das Image der Bühnen Halle schlecht sei, gelinge es nur schwer, Fachkräfte, Finanzmittel und Zuschauer an die Bühnen Halle zu binden.
Quelle: MDR KULTUR (Stefan Petraschewsky), Bühnen Halle
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. Dezember 2024 | 16:00 Uhr