Ein Wohnblock hinter einer Wiese mit Wäscheleinen 3 min
Prekäre Wohnbedingungen: Darum bleiben viele Menschen trotzdem im Südpark Halle. Hören Sie dazu das Audio. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag
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MDR SACHSEN-ANHALT Sa 10.05.2025 17:11Uhr 03:14 min

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Prekäre Wohnbedingungen Warum es für viele Menschen schwierig ist, aus dem Südpark in Halle wegzuziehen

12. Mai 2025, 13:26 Uhr

Im Wohngebiet Südpark in Halle wohnen die Menschen teilweise unter prekären Bedingungen. Trotzdem können und wollen einige von ihnen nicht umziehen. Unter anderem, weil manche von ihnen Schwierigkeiten haben, eine passende Wohnung zu finden. Aber auch, weil sie im Südpark eine Gemeinschaft gefunden haben, die sich gegenseitig hilft.

Eine Frau lächelt und schaut in die Kamera
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73 Quadratmeter, ein warmes Wohnzimmer und ein sauberes Treppenhaus. Adelheid Burmeister und Frank Dammsch sind froh über ihre neue Wohnung, in die sie im November 2024 eingezogen sind. "Hier ist es tausendmal besser als im Südpark", sagt Burmeister, "hier haben wir nicht den ganzen Stress und die Unsicherheit mit dem Vermieter und die Verwaltung kümmert sich hier wirklich." Ihr Partner ergänzt: "In der alten Wohnung, das war nichts, da haben wir nur gefroren. Hier kommt man von draußen rein und es ist schön warm." Mit den drei jüngsten ihrer fünf Kinder wohnen die 51-Jährige und der 64-Jährige nach wie vor in Halle-Neustadt – allerdings nicht mehr im Wohngebiet Südpark wie zuvor.

Hier ist es tausendmal besser als im Südpark.

Adelheid Burmeister ist froh, aus dem Südpark weggezogen zu sein

Ein Blick durch die offene Tür in eine Zimmer mit einem Sofa, auf dem zwei Menschen Arm in Arm sitzen
"Schön warm" ist es in der neuen Wohnung von Familie Burmeister/Dammsch, wie Vater Frank Dammsch betont. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

In ihrer alten Wohnung hatte die Familie seit 2015 gewohnt. Anfangs sei es ruhig gewesen, so Dammsch. Aber mit der Zeit hätten sich die Probleme gehäuft: großflächiger Schimmelbefall an mehreren Wänden, Dreck und Müll auf den Grünflächen und im Treppenhaus, Herbsttage ohne Warmwasser oder Heizung wegen vom Eigentümer nicht bezahlter Rechnungen.

Eine Frau steht in eine Wohnung und schaut in die Kamera 1 min
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Schimmel, Kakerlaken - und keine Hilfe.

MDR SACHSEN-ANHALT Do 08.05.2025 11:43Uhr 00:12 min

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Was sagt der Vermieter?

Im Rahmen der länger andauernden Recherche hatte MDR SACHSEN-ANHALT den Eigentümer der betroffenen Häuser im Südpark im Dezember zu einer Stellungnahme angefragt. Es ging unter anderem um den Vorwurf einiger Mieterinnen und Mieter, das Unternehmen sei seinen Vermieterpflichten, also beispielsweise der Beseitigung von Baumängeln und Schimmel, nicht nachgekommen. MDR SACHSEN-ANHALT fragte auch, ob das Unternehmen bei sich eine Verantwortung den Mieterinnen und Mietern gegenüber sehe und ob sich die Wohnzustände in den betroffenen Häusern in absehbarer Zeit ändern könnten.

Die Bevo DE Alpha 2a GmbH antwortete in einer Mail an MDR SACHSEN-ANHALT, ohne eine konkretere Fragestellung, in welchen Liegenschaften es Probleme gegeben haben soll, könne sie keine Auskunft geben. Grundsätzlich habe sich die unlängst beauftragte Hausmeisterfirma als unzulässig erwiesen. Es sei umgehend "Abhilfe geschaffen und eine zuverlässige Nachbesetzung in die Wege geleitet worden".

Nach Angaben der Familie hat es außerdem Probleme mit Kakerlaken gegeben und andauernde Defekte wie kaputte Fenster und Türen sowie regelmäßige Wasserrohrbrüche. Durch die Fugen zwischen den Platten an den Hauswänden, so der Vater, habe man teilweise ins Freie schauen können: "Wenn es von der Seite geregnet hat, haben wir das Wasser in der Wohnung mit Handtüchern aufgewischt."

Das Bild zeigt ein Fenster über dem sich an der Wand Schimmel gebildet hat.
In der alten Wohnung im Südpark hatte Familie Burmeister/Dammsch Probleme mit Schimmel. (Archivbild) Bildrechte: Alisa Sonntag/MDR

Abhängig vom Jobcenter

Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT wohnen die Menschen im Südpark teilweise unter prekären Bedingungen. Betroffen sind Wohnungen des Eigentümers Bevo DE Alpha 2a GmbH, dem aktuell wegen Zahlungsunfähigkeit möglicherweise eine Insolvenz droht. 1.219 Wohnungen im Südpark gehören dem Unternehmen, 238 davon sind bewohnt. In einigen der Wohnungen sind Reparaturen beziehungsweise Sanierungen nötig. Nach MDR-Informationen sollen im Südpark auch Familien ohne funktionierende Heizung gewohnt haben – teilweise mit Babys, teilweise über Wochen. Familie Dammsch/Burmeister sagt, sie habe schon lange aus dem Südpark wegziehen wollen. Aber das sei nicht so einfach gewesen – aus verschiedenen Gründen. Zum einen bezieht die Familie Leistungen vom Jobcenter. Vor einem Umzug wollten Adelheid Burmeister und Frank Dammsch deswegen sichergehen, dass das Jobcenter auch die Kosten für die neue Wohnung sowie möglicherweise den Umzug übernehmen wird.

Ein Heizlüfter in einem Raum neben einer Katze
Als im vergangenen Herbst in einigen Häusern im Südpark die Fernwärme abgeschaltet war, hatte Familie Burmeister/Dammsch sich einen Heizlüfter besorgt. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Vor etwa zwei Jahren, erzählt Burmeister, hätten sie schon einmal einen Versuch gewagt, umzuziehen – doch das Jobcenter habe den Antrag damals abgelehnt. Warum, daran erinnert sich die Mutter nicht mehr. Die entsprechenden Dokumente, um den nach eigenen Aussagen abgelehnten Antrag zu belegen, habe sie nicht mehr vorliegen. Allerdings hat MDR SACHSEN-ANHALT Informationen über weitere Fälle aus den vergangenen Jahren, in denen das Jobcenter beantragten Umzügen aus dem Südpark nicht zugestimmt hat – aus Sicht der Betroffenen ohne erkennbaren Grund.

Zusätzlich, beschwert sich Burmeister, habe das Jobcenter die Familie nach ihrem damaligen Antrag "ein halbes, dreiviertel Jahr" auf eine Antwort warten lassen. Die Wohnungen seien dann schon lange nicht mehr verfügbar gewesen. Ähnliche Kritik äußerten MDR SACHSEN-ANHALT gegenüber auch andere Anwohnende. Ob die Fälle sich tatsächlich so zugetragen haben, kann MDR SACHSEN-ANHALT nicht nachprüfen. Das Jobcenter Halle gibt nach eigener Aussage keine Informationen zu konkreten Fällen heraus. In Bezug auf eine schnelle Rückmeldung des Jobcenters, die beispielsweise für Mietangebote nötig ist, verweist Jobcenter-Chef Jan Kaltofen auf die Not-Anlaufstelle des Jobcenters in Halles Innenstadt. Eine Antwort auf ein Mietangebot könne man dort nach etwas Wartezeit in der Regel direkt mit nach Hause nehmen. Eine Kommunikation über die Post sei im Gegensatz dazu häufig mit langen Wartezeiten verbunden.

Schwer zu finden: eine günstige Wohnung für eine große Familie

Bei Familie Burmeister/Dammsch war es auch aus einem anderen Grund nicht leicht, eine neue Wohnung zu finden. Für fünf Personen eine Wohnung zu finden, die nicht teurer ist, als das Jobcenter "erlaubt", sei schwer gewesen, so Vater Frank Dammsch: "Ich habe über Monate hinweg im Internet nach Wohnung gesucht, wie Teufel komm raus." Beinahe alle Wohnungen seien "zu teuer" gewesen, "selbst in der Neustadt." Es sei reines Glück gewesen, dass er auf die Wohnung gestoßen sei, in der die Familie jetzt wohnt: "Wie ein Sechser im Lotto", sagt Dammsch.

Ich habe über Monate hinweg im Internet nach Wohnung gesucht wie Teufel komm raus.

Frank Dammsch hat eine neue Wohnung für seine Familie gesucht
Zwei Menschen sitzen nebeneinander an einem Tisch in einer Eckbank 1 min
Als Familie Burmeister/Dammsch aus dem Südpark umziehen wollte, hatte sie Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag
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Großer, günstiger Wohnraum ist in Halle laut Adelheid Burmeister knapp.

MDR SACHSEN-ANHALT Do 08.05.2025 11:43Uhr 00:32 min

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Dammschs Erfahrungen bei der Wohnungssuche kennt auch Johanna Wawryniuk. Die 34-Jährige arbeitet beim Internationalen Bund in einer Geschäftsstelle im Südpark als Sozialarbeiterin. In ihr Büro kommen vor allem Familien, sagt sie, viele davon mit Migrationshintergrund, etwa die Hälfte beziehe Leistungen vom Jobcenter. Immer wieder sei Thema, dass Anwohnende aus dem Südpark wegziehen wollten und sie dabei um Hilfe bitten. Seitdem im Oktober in einigen Häusern für etwas mehr als einen Tag die Fernwärme abgeschaltet gewesen war, so ihr Gefühl, gebe es mehr Menschen, die ausziehen wollen.

In Halle fehlt es an großem, bezahlbarem Wohnraum, gerade für kinderreiche Familien.

Johanna Wawryniuk Sozialarbeiterin beim Internationalen Bund

Eine Frau steht vor einem Häuserblock und schaut in die Kamera
Johanna Wawryniuk arbeitet als Sozialarbeiterin für den Internationalen Bund im Südpark. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Aber: "In Halle fehlt es an großem, bezahlbarem Wohnraum, gerade für kinderreiche Familien", sagt Wawryniuk. Für ihre Klientinnen und Klienten sei das oft die größere Hürde als eine möglicherweise fehlende Zustimmung des Jobcenters. "Die Leute finden gar nicht erst etwas passendes." Das gelte für die meisten Großfamilien aus dem Südpark, bei denen das Geld knapp sei – unabhängig davon, ob sie Leistungen vom Jobcenter beziehen. Wegen der wenigen verfügbaren Wohnungen, die groß und günstig genug seien, sei auch die Konkurrenz größer.

Das sind die Vorgaben des Jobcenters in Halle

Die Richtlinien für die sogenannten Kosten der Unterkunft (KdU) werden laut Jobcenter Halle für jede Region einzeln jedes Jahr neu festgelegt. In Halle sei dafür der Fachbereich "Soziales" der Stadtverwaltung zuständig.

Kosten der Unterkunft (KdU) in Halle
Vergleichsraum: Stadt Halle (Saale)   1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen
Brutto-Kaltmiete in € / m² 7,6 7,06 7,24 7,47 8,69
Brutto-Kaltmiete Brutto-Kaltmiete in € (Richtwert) 380 423,6 506,8 597,6 782,1

Warum manche Familien ganz bewusst im Südpark bleiben wollen

Auch das ist für viele, die aus dem Südpark wegziehen wollen, ein Nachteil. Menschen mit erkennbarer Migrationsgeschichte, mit mehr als zwei Kindern und Menschen, die auf finanzielle Unterstützung vom Staat angewiesen sind, haben es auf dem Wohnungsmarkt schwerer als andere. Für viele Menschen im Südpark treffen alle drei Faktoren zu. Wie die Sozialarbeiterin Swetlana Awramenko, Wawryniuks Kollegin, hinzufügt, erschwere auch das Thema Barrierefreiheit für viele Familien die Wohnungssuche: "Selbst wenn niemand in der Familie im Rollstuhl sitzt, muss auch der Kinderwagen irgendwohin."

Ich bin mir eigentlich sicher, dass wir immer eine Wohnung finden würden.

Jan Kaltofen Geschäftsführer des Jobcenters in Halle

Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch vor einem großen Fenster mit Ausblick und schaut in die Kamera
Jobcenter-Chef Frank Kaltofen zeigt sich im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT berührt von den Wohnumständen einiger Menschen im Südpark. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Jobcenter-Chef Jan Kaltofen hat auf den Engpass auf dem Wohnungsmarkt, den Frank Dammsch und die Sozialarbeiterinnen des Internationalen Bunds wahrnehmen, eine andere Perspektive. Als ostdeutsche Stadt leide Halle nicht unter Wohnungsnot, sagt er. Wohnungen mit mehr als drei oder vier Zimmern zu finden, sei zwar schwerer, gibt er zu. Aber mit etwas Suche durchaus nicht unmöglich. "Ich bin mir eigentlich sicher, dass wir immer eine Wohnung finden würden", sagt Kaltofen. "Vielleicht nicht unbedingt im Südpark, aber vielleicht in Heide-Nord oder Silberhöhe."

Unklarheiten bei einem möglichen Versuch des Jobcenters, Menschen beim Umzug aus dem Südpark zu helfen

Jobcenter-Chef Kaltofen erzählt: Als er im Herbst 2024 darüber informiert worden sei, dass im Südpark in einigen Häusern die Fernwärme abgedreht werden sollte, habe das Jobcenter damit gerechnet, dass sich kurzfristig sehr viele Menschen im Südpark einen Umzug wünschen würden. Die Mitarbeitenden hätten durchgeschaut, welche ihrer Klientinnen und Klienten das betreffe. Man sei mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Kontakt getreten. Notfallwohnungen hätten zur Verfügung gestanden. Über Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter vor Ort von Organisationen wie dem Internationalen Bund, aber auch über Jobcenter-eigene Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, habe man versucht, jede betroffene Partei zu erreichen. "Wir haben allen mitgeteilt: Ihr könnt gern umziehen, wenn ihr wollt. Meldet euch."

Doch die Massen an Anträgen seien ausgeblieben. Trotz der Aktion habe sich niemand beim Jobcenter gemeldet. "Wir waren selbst schockiert", sagt der Jobcenter-Chef. Mit Blick auf die vielen Kinder, die im Südpark wohnten, spricht er von einer "seltsamen Erkenntnis". Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT sagte Familie Burmeister/Dammsch, sie erinnere sich nicht daran, eine solche Information vom Jobcenter erhalten zu haben. Dasselbe sagen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von vier Sozialarbeits-Standorten verschiedener Organisationen in und um den Südpark.

Ein Mann steht vor einem Bildschirm und schaut in die Kamera 1 min
Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Doch für manche Menschen im Südpark ist der Umzug in ein anderes Stadtviertel trotz der Probleme nur schwer vorstellbar. "Manche sagen: Ich habe hier meine Freunde, meine Familie, ich kenne mich hier aus, meine Kinder gehen hier zur Schule – ich will nicht weg", so Wawryniuk. Das Viertel habe seine Vorteile. Es sei grün, verkehrsberuhigt, biete Spielplätze. Und vor allem unterstützten sich viele der Anwohnenden gegenseitig.

Südpark Halle
Im Wohngebiet Südpark in Halle-Neustadt gibt es Grünflächen, wenig Verkehr und Spielplätze – aber auch ein Müllproblem. Bildrechte: MDR/ Alisa Sonntag

Gerade für Familien mit Kindern sei das wichtig, so Wawryniuk: "Wenn ich fünf Kinder habe, ist es Gold wert, wenn meine Freundin zwei Eingänge weiter wohnt und mal schnell eine halbe Stunde auf mein Baby schauen kann, während ich die anderen Kinder aus dem Kindergarten hole." Offenbar ein Vorteil, der für manche Familien zumindest zeitweise schwerer wiegt als die Nachteile.

Was die Stadt gegen die Situation im Südpark tun kann

Findet sie, dass die Richtlinien für die Kosten der Unterkunft großzügiger sein müssten? Damit auch Menschen, die Leistungen vom Jobcenter beziehen, teurere und größere Wohnungen haben könnten? Wawryniuk zögert. "Irgendwer muss das ja auch bezahlen", erklärt sie und sagt dann: "Aber klar, größer wäre schöner."

Dann, überlegt sie, könnten vielleicht in manchen Familien die Eltern eigene Schlafzimmer haben, anstatt im Wohnzimmer zu schlafen. Oder es müssten weniger Kinder mit großem Altersunterschied ein Zimmer teilen. Vielleicht hätten dann auch mehr Familien Platz für einen großen Tisch mit vielen Stühlen, damit alle gemeinsam an einem Tisch essen könnten. "Und dann gäbe es auch eine Durchmischung innerhalb der Stadt", stimmt ihre Kollegin Swetlana Awramenko mit in die Überlegungen ein. "Dann hätten die Leute vielleicht mehr Respekt voreinander und weniger Vorurteile."

Eine Frau schaut in die Kamera, im Hintergrund sind ein Häuserblock und eine Wiese zu sehen
Auch Swetlana Awramenko arbeitet im Südpark als Sozialarbeiterin und unterstützt und berät die Familien vor Ort. Bildrechte: MDR/Alisa Sonntag

Spätestens so formuliert kann man die Frage nach dem Wohlergehen der Menschen im Südpark als etwas verstehen, das die ganze Stadt angeht. Der Stadtverwaltung ist das Problem bekannt. Der Gebäudebestand im Südpark sei fast vollständig in privater Hand und von häufigen Eigentümerwechseln geprägt, teilte die Stadt MDR SACHSEN-ANHALT auf Anfrage Ende Februar mit. Durch die möglicherweise drohende Insolvenz des aktuellen Eigentümers könnte nach MDR-Informationen ein erneuter Eigentümerwechsel bevorstehen. Die Umstände erschwerten laut Stadt eine kontinuierliche Quartiersarbeit.

Diese Maßnahmen plant die Stadt

Vor der OB-Wahl in Halle sprach der damalige Oberbürgermeister Egbert Geier davon, dass die Stadt eine  "Eigentümermoderation" plant. Geier sagte: "Eine nachhaltige Verbesserung benötigt vor allem die Beteiligung aller Akteure und Verantwortlichen im Viertel. Wir wollen und müssen die Kräfte bündeln."

Der Vorschlag der Stadtverwaltung, dafür Fördermittel aus der Städtebauförderung zu beantragen, wurde im Oktober 2024 im Stadtrat beschlossen. Insgesamt will die Stadt für die kommenden Jahre rund 210.000 Euro einwerben, die dem vor Ort im Auftrag der Stadt arbeitenden Quartiermanagement und der künftigen Tätigkeit der Eigentümermoderation zur Verfügung stehen sollen.

Mehrmals habe die Stadt in den vergangenen Jahren Kontrollen im Südpark durchgeführt und auch Kontakt mit dem Verwalter der betroffenen Häuser aufgenommen, schreibt ein Sprecher. Ihre realistischen Möglichkeiten, einzugreifen, seien aber begrenzt. Die Aufgaben von Eigentümern könne die Stadt nur im absoluten Einzelfall als sogenannte Ersatzvornahme, also ersatzweise, übernehmen.

Die oftmals schlechte Kommunikation von Eigentümern oder Verwaltern zu den Mietern kann ebenso wenig kompensiert werden wie eine nachlässige Pflege des Gebäudes.

Stadt Halle über die Probleme in einigen Häusern im Südpark

Sie sieht vor allem in einer moderierenden und begleitenden Rolle und betont, die verantwortlichen Akteure Eigentümer und Mieter: "Die oftmals schlechte Kommunikation von Eigentümern oder Verwaltern zu den Mietern kann ebenso wenig kompensiert werden, wie eine nachlässige Pflege des Gebäudes."

Ein mehrfarbiger Plattenbau. 30 min
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Das Problem: Die Häuser bringen nicht genügend Mieteinnahmen

Marion Hannebohm ist Fachanwältin für Mietrecht und sitzt in Magdeburg. Sie pflichtet der Stadt Halle zu, was die Verantwortlichkeit der Mieterinnen und Mieter angeht: "Die besten Karten der Welt haben in dem Fall die Mieter, denn der Vermieter schuldet ihnen, dass die Mietsache auch brauchbar ist. Nur dann hat er Anspruch auf Miete." Sie empfiehlt den Mieterinnen und Mietern, sich zusammenzutun und die Miete einzubehalten, um den Vermieter an den Tisch zu bekommen. Das Geld könnten die Mieterinnen und Mieter nutzen, um die Reparaturen selbst in die Hand zu nehmen.

Theoretisch gibt es durchaus Maßnahmen, die die Stadt ergreifen kann. In Sachsen-Anhalt ermöglicht das Wohnraumaufsichtsgesetz Kommunen, einzugreifen, wenn Vermieter oder Vermieterinnen ihre Aufgabe nicht erfüllen. Aber: Das würde die Kommunen auch Geld kosten. Viel Geld. Geld, das wohl die wenigsten Kommunen aktuell herumliegen haben. Ende 2024 gab die Stadt Halle an, mit mehr als 300 Millionen verschuldet zu sein. Juristin Hannebohm betont: "Das Wohnraumaufsichtsgesetz ist da recht schwammig. Die Gemeinde hat die Möglichkeit, einzugreifen, muss aber nicht."

Ohnehin gibt es laut der Juristin auch einen Haken: die Wirtschaftlichkeit des Objektes. "Wenn der Vermieter sagt, das bisschen Miete bei all dem Leerstand reicht nicht aus, um alle nötigen Reparaturen zu machen – dann kann das durchaus stimmen." Auch der Verkauf oder die Versteigerung der Häuser würde daran höchstwahrscheinlich nichts ändern. Um das Objekt wirtschaftlich zu machen, müssten mehr Menschen einziehen – und dafür müsste das Haus saniert werden. Dafür braucht es zum einen hohe Investitionen. Zum anderen ist fraglich, ob das bei dem teilweise prekären Zustand der Häuser im bewohnten Zustand möglich wäre. So oder so könnte Mieterinnen und Mietern im Südpark teilweise drohen, was für manche von ihnen mit Problemen verbunden ist: ein Umzug.

MDR (Alisa Sonntag) | Erstmals veröffentlicht am 10.05.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Mai 2025 | 17:00 Uhr

21 Kommentare

Anni22 Gestern

@ Kellner Zudem waren Kinder damals wenig zuhause, Grippe (Teils ab 6ter Woche) Kindergarten, Schule+ Hort. Es saßen einfach nicht ganze Familien zusammen zuhause über lange Zeit. Die Eltern mussten! arbeiten!

Anni22 Gestern

@ Kellner Text gelesen? Es gab in der DDR vor allem 1-3 Kind -Familien, wobei dabei 3 Kinder auch noch alle Kinder in einem Kinderzimmer untergebracht wurden. (3 Kinder waren aber auch schon eher selten, denn beide Eltern gingen ganztags arbeiten) Die Neubauwohnung waren eher klein. (Winziges Bad, kleine Küche, kleine Zimmer....) Für Familien mit mehr als 5 Personen sind die Wohnungen einfach nicht gedacht...

G_Kellner Gestern

Bis Du diese "Der Staat kümmert sich..."-Sozialisierung gerade im Osten komplett loswirst, da hat sie fast 70 Jahre geklappt, das wird noch dauern.

Ich hab das Amt damals auch nur für die Verwaltungsakte benötigt, den Job habe ich mir gesucht. Es gab dann, wo ich meine Zusage hatte nen Angebot vom AA:
40 Stunden brutto für so viel Gehalt, wie ich woanders netto für 35 Stunden bekam.

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