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Ökologisch EinkaufenWie sich Halles einziger Unverpacktladen aus der Krise retten will

05. September 2022, 14:24 Uhr

Einkaufen komplett ohne Plastik oder anderen Verpackungsmüll, das ist die Idee von Unverpacktläden. Seit 2019 gibt es in Halle den Unverpacktladen "abgefüllt". Aber mit der Corona-Pandemie bleibt immer mehr die Kundschaft weg. Nun will sich Halles einziger Unverpacktladen mit einer neuen Struktur selbst aus der Krise retten.

"Vorübergehend geschlossen", steht in geschwungener Schrift an der Glastür des "abgefüllt", dem ersten und bislang einzigen Unverpacktladens in Halle. Hier kann man seit 2019 ausschließlich Bio-Produkte ohne Verpackungsmüll einkaufen. An einer weiß gestrichenen Wand hängen in durchsichtigen Schütten Nudeln, Reis, Kichererbsen oder Hafer. Inhaber Hannes Schulz betreibt das Geschäft nebenberuflich gemeinsam mit seiner Frau. Als er den Hebel einer Schütte mit Kichererbsen öffnet, rasseln die gelben Kullern in einen Metallbecher.

Das ist einkaufen mit allen Sinnen. Man sieht alle Produkte, man hört alle Produkte, man riecht den Laden. (…) Deswegen hatten wir auch keine Musik an.

Hannes Schulz | Unverpacktladen-Besitzer in Halle

Auch Gewürze, Bio-Obst und nachhaltige Hygiene-Artikel wie Bambuszahnbürsten konnte man hier noch bis vor zwei Monaten kaufen. Jetzt stehen nur noch wenige Produkte in den hellen Holzregalen. Der Grund: Seit der Corona-Pandemie sind die Kundinnen und Kunden stetig weniger geworden.

Einkauf mit allen Sinnen

Dann kamen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und die Inflation noch obendrauf. Dabei hatte das Einkaufen in diesem Laden für Schulz einen besonderen Charme: "Das ist halt einkaufen mit allen Sinnen. Man sieht alle Produkte, man hört alle Produkte, man riecht den Laden. Deswegen hatten wir auch keine Musik an."

Die Kosten für den Laden konnten nicht mehr gedeckt werden. Die Sommermonate sollten als kreative Schaffenspause dienen, sagt der 37-jährige Grundschullehrer: "Und dann haben wir uns zwei Monate lang Zeit genommen und sind auf die Idee gekommen, einen Verein zu gründen, um diese Idee des unverpackten Einkaufs, die Nachhaltigkeit, in Halle weiter am Leben zu erhalten."

Idee eines Mitgliederladens

Der erste Schritt war ein Treffen im August mit potentiellen Kundinnen und Kunden. Insgesamt, so Hannes Schulz, hätten etwa 50 bis 60 Leute Interesse an einem Vereinsladen bekundet. Ladeninhaber Schulz setzt in dieses Konzept große Hoffnung. Ein Verein mit einem Mitgliederladen habe den Vorteil, dass die Kosten nicht nur auf "zwei Schultern" – also seinen und denen seiner Frau lägen, sondern auf allen Mitgliedern.

Und dann haben wir uns zwei Monate lang Zeit genommen und sind auf die Idee gekommen, einen Verein zu gründen, um diese Idee des unverpackten Einkaufs, die Nachhaltigkeit, in Halle weiter am Leben zu erhalten.

Hannes Schulz | Ladenbesitzer

Das Schöne daran sei, sagt er, dass die Grundkosten des Ladens durch die Beiträge der Vereinsmitglieder gedeckelt wären. Dadurch müssten die eingekauften Margen nicht so groß sein und somit sei der Einkauf von den Produkten wieder finanziell möglich. Wie hoch der Mitgliedsbeitrag monatlich sein werde, müsse noch festgelegt werden.

Nachhaltigkeit hat ihren Preis

Hannes Schulz ist sich bewusst, dass diese Form des Einkaufens nicht für alle erschwinglich ist. Somit bleibt nachhaltiges Einkaufen von Bio-Produkten wieder nur Besserverdienenden vorbehalten. Auf die Frage, ob das nicht ganz schön elitär sei, antwortet Hannes Schulz klar mit "Ja" und gibt zu bedenken: "Die politische Situation lässt halt nichts Anderes zu. Das Bio-Zertifikat, was sowohl der Hersteller als auch der Verkäufer benötigt, das kostet alles Geld. Überall muss das auf den Kunden umgelegt werden am Ende. Deswegen ist das viel teurer. Und da muss man sich wirklich die Frage stellen, ob es nicht andersherum sein sollte. Dass alles Bio ist und das, was nicht Bio ist, ein Zertifikat braucht oder Aufschlag kostet."

Bei einer nicht repräsentativen MDRfragt-Auswertung von Anfang August kam heraus, dass rund ein Drittel der Befragten, die normalerweise Bio-Artikel kaufen, mittlerweile weniger zu Bio-Produkten greift. Gleichzeitig stimmte jeder Zweite der Aussage zu, dass Bio-Ware das Geld nicht wert sei.

Und da muss man sich wirklich die Frage stellen, ob es nicht andersherum sein sollte. Dass alles Bio ist und das, was nicht Bio ist, ein Zertifikat braucht oder Aufschlag kostet.

Hannes Schulz | Ladenbesitzer

Auch Verkauf von Nicht-Bio-Produkten?

Ob im "abgefüllt" in Halle weiterhin ausschließlich Bio-Produkte verkauft werden, das sollen künftig auch die Mitglieder entscheiden, sagt Hannes Schulz. Ziel sei es, noch in diesem Jahr einen Verein zu gründen. Bald soll es das nächste Treffen dazu geben.

Mehr zum Thema: Nachhaltig einkaufen

MDR (Paula Kautz)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. September 2022 | 15:30 Uhr

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