Neuwahl geplant Halles Stadtrat stimmt Rücktritt von Oberbürgermeister Wiegand zu
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29. August 2024, 06:42 Uhr
Der suspendierte Oberbürgermeister von Halle, Bernd Wiegand, kann Ende August in den Ruhestand gehen. Das hat der Stadtrat beschlossen. Damit steht in den kommenden Monaten eine Neuwahl an, denn Wiegands Amtszeit würde eigentlich noch bis 2026 gehen. Das sei ein konsequenter Schritt, heißt es aus dem Stadtrat.
- Der Stadtrat von Halle hat entschieden, dass der suspendierte Oberbürgermeister Bernd Wiegand in den Ruhestand treten kann.
- Für Halle bedeutet das eine vorzeitige neue OB-Wahl. Ein "konsequenter Schritt", heißt es aus dem Stadtrat.
- Wiegand ist bereits seit drei Jahren vom Amt suspendiert. Gegen ihn gibt es ein Disziplinarverfahren.
In Halle hat der Stadtrat am Mittwochabend dem Rücktritt des suspendierten Oberbürgermeisters Bernd Wiegand (parteilos) zugestimmt. Wiegand lässt sich zum 31. August in den Ruhestand versetzen. Seine reguläre Amtszeit hätte noch bis 2026 gedauert. Allerdings war Wiegand fast dreieinhalb Jahre lang vom Amt suspendiert, weil gegen ihn mehrere Gerichtsverfahren liefen, unter anderem wegen uneidlicher Falschaussage.
Stadtrat stimmt Rücktritt von Wiegand mehrheitlich zu
Mitte Juli hatte Wiegand in einem Schreiben erklärt, er wolle sich in den Ruhestand versetzen lassen. Zunächst hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet. Die Zustimmung des Stadtrats zum Rücktrittsgesuch galt schon im Vorfeld der Sitzung als Formalie, da der 67-jährige Wiegand bereits das Rentenalter erreicht hat. Es gab nur eine Gegenstimme.
Zuvor hatte der Stadtratsvorsitzende Jan Riedel (CDU) ihm für seine Arbeit gedankt. Wiegand habe zwölf Jahre lang die Geschicke der Stadt Halle geleitet und sei dabei "sicher manches Mal vom Amt aufgesogen worden", sagte Riedel. Wiegand war 2012 erstmals zur Wahl angetreten und 2019 erneut gewählt worden. Zuvor hatte er als städtischer Beigeordneter für Sicherheit, Gesundheit und Sport gearbeitet.
Rücktritt bedeutet neue Oberbürgermeister-Wahl in Halle
Wiegands Wunsch bedeutet für Halle nun eine vorgezogene OB-Wahl, denn seine Amtszeit ginge eigentlich noch bis 2026. Die Stadt Halle bestätigte bereits nach Wiegands Gesuch im Juli, dass sie eine Neuwahl vorbereitet. Diese müsse spätestens sechs Monate nach Freiwerden der Stelle erfolgen.
Stimmen aus dem Stadtrat: "Konsequenter Schritt"
Der Stadtratsvorsitzende von Halle, Jan Riedel (CDU), sagte MDR SACHSEN-ANHALT im Juli, der Rücktritt sei ein guter Schritt für die Stadt, die durch die Suspendierung drei Jahre lang keine gewählte Stadtspitze gehabt habe. Katja Müller (Die Linke) sagte, Wiegand mache nun den Weg frei, "um diese Hängepartie in der Stadt zu beenden".
Andreas Wels (Hauptsache Halle) erklärte, er sehe Wiegands Rücktritt als konsequenten Schritt an, den er aber auch bedauere. Wiegand sei von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden und nach drei Jahren politischer und juristischer Auseinandersetzung zu der Entscheidung gezwungen worden.
Wiegand wegen Impf-Skandal suspendiert
Wiegand war wegen einer vorgezogenen Coronaimpfung vor drei Jahren durch den Stadtrat von Halle im April 2021 suspendiert worden.
Damals war bekannt geworden, dass das Stadtoberhaupt sich gegen Corona hatte impfen lassen, noch bevor er an der Reihe gewesen wäre. Auch mehrere Stadträte und Mitglieder des städtischen Katastrophenstabes waren geimpft worden, obwohl sie laut der damals geltenden Priorisierung noch nicht an der Reihe waren. Wegen der Impfung der Stadträte hatte auch die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Wiegand erhoben.
Falschaussagen, Ausspähung von Daten und verletzte Dienstpflichten
Mit weiteren Vorwürfen hatte das Landesverwaltungsamt sein Disziplinarverfahren gegen Wiegand 2021 dann ausgeweitet. Es hieß, dass der Oberbürgermeister im Streit um eine Personalie Anweisungen gegeben haben soll, Technik aus Büroräumen zu schaffen und das Passwort einer beurlaubten Mitarbeiterin zurücksetzen zu lassen. Konkret ging es in dem Fall um die Abberufung des Geschäftsführers der Entwicklungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (EVG) in Halle. Wiegand soll in diesem Zusammenhang im Stadtrat nicht die Wahrheit gesagt haben.
Im Juli 2022 wurde dann bekannt, dass Wiegand einer beurlaubten Mitarbeiterin der kommunalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft auch weiter Zugriff auf das Datennetz der Gesellschaft ermöglicht haben soll.
Die Staatsanwaltschaft warf Wiegand und seiner früheren Büroleiterin daraufhin die Vorbereitung der Ausspähung und von abgefangenen Daten vor. Im Januar 2024 teilte das Landgericht mit, man könne Wiegand nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass er an der Beschaffung des Daten-Zugangs mitgewirkt oder später davon erfahren und nichts veranlasst habe.
Weitere mögliche Dienstvergehen werden untersucht
Das Landesverwaltungsamt hat das Disziplinarverfahren gegen Wiegand im März 2023 weiter ausgedehnt. An den Stadtrat schrieb die Behörde, Wiegand stehe im Verdacht, durch weitere "Handlungen ein Dienstvergehen begangen zu haben".
Ihm werde vorgeworfen, vor dem Landgericht bewusst falsche Aussagen gemacht zu haben. In diesem Fall verurteilte das Landgericht Halle Wiegand im April 2024 zu einer Geldstrafe in Höhe von 16.800 Euro. Der suspendierte OB legte kurze Zeit später Revision gegen das Urteil ein.
In einer früheren Version des Artikels haben wir die Zitate von Jan Riedel und Andreas Wels versehentlich falsch zugeordnet. Wir haben diesen Fehler korrigiert.
MDR (Maximilian Fürstenberg, Kalina Bunk, Fabian Brenner, Maren Wilczek, Andrea Iffert) | Erstmals veröffentlicht am 18.07.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. August 2024 | 13:30 Uhr
Britta.Weber vor 11 Wochen
Heiner, wegen einer solchen Banalität zum Rücktritt drängen- das ist schwer einzusehen. Noch schlimmer mit dem heutigen Wissen über die Impfung.
Anderswo bleiben echte politische Verfehlungen (RKI-Protokolle, AKW files, Baerbocks Afghanistanprogramm) ohne Konsequenzen.
Der "Hauptfehler" von Herrn Wiegand bestand darin, gegen den linken Kandidaten gewonnen zu haben. Das war und ist unverzeihlich.
Der Matthias vor 11 Wochen
@ Anita L.
"Und Meinungsfreiheit heißt eben auch nicht, dass diese Meinung unwidersprochen bleibt."
Genauso ist es! Das scheint mir auch das eigentliche Problem derer zu sein, die ständig behaupten und jammern, wir hätten angeblich keine Meinungsfreiheit mehr in Deutschland! Die Problematik wird ausschließlich auf Seiten des Antwortgebers gesehen . . . die eigene 'Meinung' hingegen hält man für sakrosankt und selbstredend für unproblematisch! Deren seltsame Vorstellung von Meinungsfreiheit scheint wohl eher einer Einbahnstraße zu gleichen: Jemand bläst eine (mehr oder minder fragwürdige) 'Meinung' in die Welt . . . und alle anderen haben dazu zu schweigen oder besser noch klaglos abzunicken. So funktioniert das aber in einer Demokratie nicht! Und genau das macht übrigens auch den entscheidenden Unterschied zu einer Diktatur aus, wo sich das Redemonopol im schlimmsten Fall nur auf einen einzigen oder dessen Kamarilla konzentriert!
Der Matthias vor 11 Wochen
@ Chris Casablanca
"Schlimm, dass man sich jede Meinungsäusserung inzwischen dreimal überlegen muss"
Meinungsäußerungen sollte man grundsätzlich sowieso immer gut bedenken und vorher reiflich überlegen, ehe man womöglich noch groben Unsinn erzählt! Das war schon immer so und daran ist auch nichts vermeintlich 'Schlimmes'! Und es ist obendrein völlig unabhängig von der jeweiligen politischen Einstellung, die jemand hat.