Kneipen in Sachsen-Anhalt Viele Bars verzichten auf WM – Kritik vom Gaststättenverband

23. November 2022, 09:51 Uhr

Am Mittwoch tritt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum ersten WM-Spiel in Katar an. Viele Fernseher werden dann wohl ausgeschaltet bleiben – nicht nur zuhause, sondern auch in Bars. Doch viele Gastronomen sind wegen der Krisenzeiten auf Umsätze angewiesen. Auch deshalb hält der Hotel- und Gaststättenverband in Sachsen-Anhalt wenig von einem Boykott.

André Hamann hat die Fußball-WM im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis gelegt. "WM on the rocks", verkündet seine Bar "Lujah" in einem Facebook-Beitrag – gezeigt werden darin Eiswürfel und Maßbecher für Cocktails. Die Übertragung aus Katar lege man "auf Eis", heißt es weiter. Kalte Getränke statt Fußball aus der Wüste sozusagen – denn das Spiel der deutschen Mannschaft am Mittwoch und auch alle weiteren Partien der WM werden in der Bar in Halles Innenstadt nicht gezeigt. "Das ist eine Grundsatzentscheidung und das ziehe ich so durch", sagt Hamann.

Die Gründe dafür liegen für den Inhaber der Bar auf der Hand: Die sehr fragwürdige Turniervergabe der FIFA an den Wüstenstaat, die mutmaßlichen schweren Menschenrechtsverletzungen vor Ort, der Umgang mit Frauen und mit Homosexuellen – all das möchte Hamann nicht unterstützen. "Diese Werte vertrete ich überhaupt nicht", sagt er. Seine Bar stehe für Toleranz. "Hier wird jeder akzeptiert."

Angespannte Lage in der Gastro-Branche

Für den halleschen Gastronomen ist es dennoch kein einfacherer Schritt. Bei Fußball-Turnieren war das "Lujah" zum Public-Viewing einst gut gefüllt. 2006, bei der WM in Deutschland, "da hatten wir fast 400 Menschen hier", erzählt Hamann. Doch mit fragwürdigen Turnier-Vergaben in den vergangenen Jahren änderte sich die Haltung zum Public Viewing im "Lujah". Schon 2018, bei der WM in Russland, hat Hamann deshalb keine Spiele in seiner Bar gezeigt. Dass nun in Katar im Vorfeld der WM homosexuelle Menschen etwa als geisteskrank bezeichnet wurden, "das hat die ganze Sache für mich bestärkt", sagt Hamann.

Dabei macht die Gastro-Branche derzeit ohnehin keine einfachen Zeiten durch. Nach den Corona-Lockdowns und auch wegen Inflation und Energiekrise könnte auch das "Lujah" Umsätze durch Public Viewing zweifellos gut gebrauchen. "Alles wird teurer, aber die Gästezahlen gehen zurück", sagt Hamann zur aktuellen Lage. Er merke das vor allem unter der Woche, wo der Umsatz um bis zu 50 Prozent zurückgehe. Für die Zeit der WM setzt er nun gezielt auf ein Publikum, das sich ohnehin weniger für Fußball interessiert – und im "Lujah" lieber in Ruhe die Cocktails samt der genannten Eiswürfel genießen möchte.

Dehoga: Boykott "nicht der richtige Weg"

Auch in anderen Kneipen und Bars in Sachsen-Anhalt wird die WM nicht so ablaufen wie Fußball-Turniere in der Vergangenheit. Viele Lokale hatten zuletzt angekündigt, kein Public Viewing anbieten zu wollen. Beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Sachsen-Anhalt sieht man einen möglichen Boykott von WM-Spielen unterdessen kritischer. "Jedes Geschäft, was nicht gemacht wird, ist ein Geschäft, das fehlt", erklärt Verbandspräsident Michael Schmidt angesichts der angespannten Situation in der Gastro-Branche. Zu politischen Fragen äußere man sich als Verband grundsätzlich nicht, sagt Schmidt im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Er betont aber, dass es sich bei der Fußball-WM um eine Sportveranstaltung handele. Daher müssten weniger Menschenrechtsfragen, sondern "mehr der Aspekt des Sports" betrachtet werden. Medial werde "zu viel Hype" um diese Weltmeisterschaft gemacht, kritisiert Schmidt.

Wir werden als Verband keine Umfrage machen.

Michael Schmidt | Präsident Dehoga Sachsen-Anhalt

Wie viele Bars und Kneipen in Sachsen-Anhalt auf die WM-Übertragung verzichten, könne man nicht sagen. "Wir werden als Verband keine Umfrage machen", sagt der Präsident des Gaststättenverbands. Ob die Spiele gezeigt werden, das sei jeder Gastronomin und jedem Gastronomen selbst überlassen. Einen Boykott aus politischen Gründen hält Schmidt allerdings nicht für zielführend. "Das ist nicht der richtige Weg."

MDR (Felix Fahnert, Stephan Weidling)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. November 2022 | 10:00 Uhr

32 Kommentare

Ostfussballfan73 am 24.11.2022

Es geht ja nicht darum, dass zwei Männer händchenhaltend über der Sand schlürfen, sondern vor allem um Sklaverei und Leibeigentum, eine mittelalterliche Gesellschaft, die sich von anderen (selbst bekommen sie es ja nicht hin) ein modernes Disneyland als Fassade hinstellen lässt. Und vor allem, dass diese Gesellschaft allen anderen ihre mittelalterliche Denkweise und Strukturen mit Gewalt aufzwingen will.

Ostfussballfan73 am 23.11.2022

Der Satz fiel mir auch auf. Passt eigentlich zu dem(n) Schweizer(n). Jetzt kann der kleine Schweizer mal die Welle genüsslich reiten und dem unbeliebten nördlichen Nachbarn eins auswischen. Als Nachfolger würde doch ein gewisser Blocher von der Schweizer(Problem-)VerwaltungsPartei taugen. Deren Geschäftsauffassungen decken sich doch perfekt.

Ostfussballfan73 am 23.11.2022

Schade eigentlich. Da liefert die FIFA schon nen perfekten Steilpass, den man eigentlich nur versenken muss. Sollen sie doch dem Kapitän gelb-rot geben, gehts an den nächsten, wieder gelb-rot usw. Wenn noch andere Verbände (z.B. Spanien, Portugal, Brasilien, Arg., Engeland, Holland, Belgien, USA, Japan, Australien, Frankreich, Italien (upps, die sind nicht dabei)) mitmachen, kann man die WM platzen lassen und der Ball liegt im Feld der FIFA. Der FIFA kann man nur mit Geld beikommen. Den Sponsoren (die meisten kommen ja mittlerweile aus Asien) dürfte es nicht gefallen, wenn das Endspiel dann Quatar gegen Saudi-Arabien heisst. Leider wurde diese Chance verpasst. Und was die Fussballer und deren Marktwert angeht ... die aus den grossen Fussballnationen haben das nicht nötig. Der wird (ausser sehr vereinzelte Ausnahmen) sowieso im Ligaalltag und der CL festgelegt. Ich nenne mal nur Messi als Bsp.

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