Literatur aus dem SüdharzMolmerswende: Wie der Baron Münchhausen dort bis heute weiterlebt
Nicht nur Worte wie "mucksmäuschenstill" oder "querfeldein" sind diesem Sachsen-Anhalter zu verdanken: Gottfried August Bürger. Den meisten ist der Germanist und Schriftsteller aus Molmerswende wegen seiner berühmten Lügen-Märchen bekannnt. In seiner Geburtsstadt erinnert ein Museum an den Schöpfer des Lügenbarons Münchhausen. Nach langjähriger Sanierung soll es bald wieder für Besucher öffnen.
- 1747 wurde Gottfried August Bürger in Molmerswende geboren, der die Geschichten des Baron Münchhausen schrieb.
- In seinem Geburtshaus befand sich ein Museum, das aber zusammenzufallen drohte und deshalb 2011 geschlossen wurde.
- Derzeit finden Sanierungsarbeiten statt, damit das Museum im Frühjahr wieder eröffnen kann.
Wer ist auf einer Kanonenkugel durch die Luft geflogen? Wer hat sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf gezogen? Wer ist ganz ohne Rakete auf dem Mond gelandet? Die Antwort weiß hoffentlich noch jedes Kind: Baron Münchhausen natürlich! Doch aufgeschrieben hat die Lügen-Geschichten Gottfried August Bürger. Und der ist wo geboren? Natürlich in Molmerswende, einem kleinen Örtchen im Südharz, am Silvestertag des Jahres 1747 und – wie Erwin Moras nur zu gut weiß – genau in dem Haus, in dem gerade ein Tischler werkelt: dem Geburtshaus des Dichters.
Erwin Moras ist schließlich nicht nur der Ortsbürgermeister jener Gemeinde, die jetzt zur Stadt Mansfeld gehört. Der Mann mit dem gemütlichen Lächeln steht auch dem Gottfried-August-Bürger-Museum vor, das sich seit vielen Jahrzehnten in dem einstigen Pfarrhaus gleich neben der Kirche um Leben und Werk des Münchhausen-Schöpfers kümmert.
Doch das Museum ist seit zwölf Jahren geschlossen und wäre ohne den Widerstand der Molmerswender Bürger-Freunde schon längst der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Die Statiker trauten dem Fachwerkbau nicht mehr viel zu. So musste es im Dezember 2011 geräumt werden. Das Dach drohte einzustürzen. Der Verein brachte die Ausstellungsstücke des Museums in Sicherheit und richtete kurz darauf eine kleine Ausweich-Ausstellung im Ort ein. Das Geburtshaus selbst stand fortan leer und dümpelte vor sich hin. Sanierungsversuche scheiterten immer wieder am Geld. Doch nicht mehr lange.
Die Sanierungen des Museums laufen
Erst zehn Jahre später dann die Kehrtwende, als kaum einer an eine Wiederbelebung geglaubt hat: Ein findiger Architekt brachte ein Konzept für den Bau und dessen Betrieb zu Papier und damit den Stein ins Rollen. Die ersten Handwerker rückten an. Der Giebelanbau war zwar nicht mehr zu retten, das Wohnhaus aber konnte nicht nur erhalten, sondern auch mit den Segnungen des 21. Jahrhunderts ausgestattet werden – von der Toilettenspülung bis zum Internet. So haben sich die Molmerswender – wie schon ihr berühmter Lügenbaron – am eigenen Zopf aus dem Sumpf gezogen.
Seit Mai ist nun ist der Innenausbau in die letzte Etappe gestartet. Das ist die große Stunde von Guido Schulz. Der Möbeltischler aus Mansfeld hat hier quasi ein Heimspiel, das allerdings viel Einfallsreichtum von dem Handwerker abverlangt. Ob asymmetrische Bänke, Schränke mit Präsentationklappen, verwinkelte Regale oder Raumteiler mit herausziehbaren Tafeln. "Alles, was aus Holz ist, geht auf mein Konto", sagt er stolz und schließt nur die Dielung und die Fenster aus. "Die Herausforderung bestand darin, dass ich alles so konstruieren musste, damit ich die Teile durch die enge Stiege ins Obergeschoss transportieren konnte. Zudem gibt es wohl keinen rechten Winkel in dem Gebäude, das musste alles auf Maß konstruiert und getischlert werden." Immer wieder beäugt Erwin Moras kritisch die Arbeiten, freut sich, dass nun der Ausbau abgeschlossen werden kann.
Die Herausforderung bestand darin, dass ich alles so konstruieren musste, damit ich die Teile durch die enge Stiege ins Obergeschoss transportieren konnte. Zudem gibt es wohl keinen rechten Winkel in dem Gebäude, das musste alles auf Maß konstruiert und getischlert werden.
Guido Schulz, Möbeltischler aus Mansfeld
So geht es mit dem Museum weiter
Noch sind die Räume leer, aber die ersten Kisten stehen schon in den Gängen bereit, wie ein umfangreicher Bücher-Nachlass des halleschen Literaturprofessors Manfred Beetz. Der wird bereits in die Regale einsortiert, die anderen Ausstellungsstücke werden dann wohl erst im Frühjahr folgen. Dann gäbe es auch erfreulichen Zuwachs. Bislang, bedauert Erwin Moras, habe das Museum ja keine direkten Erinnerungsstücke an Gottfried August Bürger. Aber: "Wir bekommen zwei Originale von den Erben der letzten Tochter, Auguste, dort existiert in dieser Familie ein Verlobungsring und ein Haarband."
Das werde natürlich entsprechend prominent ausgestellt, wie auch die anderen Seiten des berühmten Molmerswender Dichters. Denn der "Münchhausen" ist nur ein schriftstellerisches Nebenprodukt. Er galt als Lyriker und Wortschöpfer, über 1.000 solcher schönen Begriffe wie Apfelfraß oder Schwachmatikus oder Zottellöckchen gehen auf sein poetisches Konto. In seiner Zeit war vor allem eine Ballade in aller Munde: "Leonore". Die brachte Jungmädchen zum Schluchzen und ihrem Schöpfer eine Reihe von Jahren Wohlstand. Dass heute dieses traurig-schaurige Beispiel gefühlvoller Liebes-Literatur fast vergessen ist, hat der Dichter wohl schon vorausgeahnt, heißt es doch so schön:
"Hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär ich nie geboren!"
Das neue Museum aber will sich dem Leben widmen. Es muss nur noch ein Anbau realisiert werden, durch den künftig die Ausstellungsräume betreten werden können und der auch einen Fahrstuhl anbietet für den barrierefreien Zugang der oberen Etage. Im Frühjahr sei auch das geschafft, dann könne man das Geburtshaus endlich wieder besuchen, hofft Erwin Moras, so ganz ohne Flunkerei.
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MDR (Theo M. Lies, Johanna Daher)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 29. September 2023 | 19:00 Uhr
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