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Ehrenamt in WettinMedienkompetenz statt Cybermobbing: Wie das Jugendzentrum "Das Nest" den Saalekreis prägt

13. Juni 2021, 09:27 Uhr

Im Jugend- und Medienzentrum "Das Nest" in Wettin können Bürger ihre eigenen Filme drehen, sich zu Medienprofis ausbilden lassen – und spielerisch einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien lernen. Das sei heutzutage "wichtiger als jemals zuvor", sagt der Medienpädagoge Martin Kahles. Über ein Projekt, das nicht nur spannende Filme herausbringt, sondern auch eine Region stärkt und Menschen dabei hilft, ihre eigene Stimme zu finden.

Auf den ersten Blick wirkt Wettin ganz schön verschlafen. Eine Burg, an der gerade gebaut wird, leere Straßen, die träge dahin fließende Saale. Doch hinter der ruhigen Fassade geht es mächtig zur Sache. Direkt neben dem Fluss, in einem unscheinbaren Häuschen mit orangefarbenem Putz, arbeiten engagierte Jugendliche, Medienpädagogen, Freiwillige und Bürgerinnen und Bürger Woche um Woche an Filmen, Fernsehproduktionen und Medienprojekten aller Art: von Dokumentationen und kleinen Spielfilmen über Livestreams von Events aus der Region bis hin zu Musikvideoclips und lokalen Nachrichten. Sie prduzieren ganz frei, ohne staatliche Vorgaben, dafür aber mit modernster Technik.

Einst mit einer kleinen Video-AG gestartet, ist das Jugend- und Medienzentrum "Das Nest" mittlerweile zu einer richtigen Institution im Saalekreis geworden, was Medienproduktion angeht. Aus der ganzen Welt kommen Freiwillige hierher, jährlich lassen sich junge Menschen zu Medienschaffenden ausbilden und zahlreiche Workshops werden realisiert. Vor allem aber schaffen hier Jugendliche und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam ein Stück regionale Kultur und lernen über die Produktionen nicht nur ihre Region und ihre Mitmenschen besser kennen, sondern auch, sich auszudrücken – und zwar meist auf ziemlich professionellem Niveau.

Gegen den Hass

Die Arbeit des Medienzentrums wird größtenteils von Ehrenamtlichen getragen. Einer der wenigen Angestellten ist Martin Kahles. Der Medienpädagoge achtet besonders darauf, dass hier nicht nur gelernt wird, wie man Medien produziert, sondern auch, wie man verantwortungsvoll damit umgeht und sich vor Gefahren schützen kann. Besonders Kinder- und Jugendliche sind in den modernen Medien und sozialen Netzwerken immer wieder sexueller Belästigung, Hass oder Fake-News ausgesetzt. Auch eine exzessive Mediennutzung wird bei einigen zum Problem. Nicht immer sind Lehrerinnen und Lehrer oder Eltern dazu in der Lage, ihre Kinder in diesen Welten zu schützen.

Aufklärung im Medienbereich ist wichtiger als je zuvor. Zum Beispiel bei der US-Wahl oder bei Corona haben wir gesehen, dass die Medien sehr stark von Fake-News dominiert werden.

Martin Kahles, Medienpädagoge

Kahles will explizit keine Inhalte mit dem erhobenen Zeigefinger vermitteln, sondern spielerisch und an den Bedürfnissen der Teilnehmenden orientiert Lust darauf machen, sich mit Medien auseinanderzusetzen. "Mit Kindern veranstalten wir zum Beispiel Schnitzeljagden mit Actionbound (einer App, mit der Nutzer eigene, digitale Schatzsuchen erstellen können, Anm. d. Red.). Oder die Kinder können sich in einem Greenscreen schrumpfen lassen, bzw. lernen, mit kleinen Robotern zu programmieren", erzählt Kahles. Über die Erfahrung, eigene Inhalte zu produzieren und die Techniken besser kennenzulernen, ließen sich andere Themen dann meistens gut einflechten, berichtet er.

"Medienkompetenz müsste Standard werden an Schulen"

Obwohl immer mehr Kinder schon sehr früh Zugang zu Smartphones und sozialen Netzwerken haben, kommt in den meisten Schule in Deutschland eine realitätsorientierte Medienbildung oft zu kurz. Das meint jedenfalls Tobias, der einen Bundesfreiwilligendienst im "Nest" macht und das Angebot der Medienwelten für absolut sinnvoll hält. Er meint, ein gutes Angebot in Medienkompetenz müsse standardmäßig in den Schulunterricht integriert werden.

Was ist Instagram? Wie verhalte ich mich im Internet? So etwas geht in der Schule an einem vorbei!

Tobias, Freiwilliger im "Nest"

In der Anonymität des Internets komme es schneller zu Mobbing als anderswo. Hier sei es besonders wichtig, gegenzuwirken, meint er. Das Projekt "Medienwelten" wird deshalb oft von Schulen gebucht, um die Themen hautnah von echten Medienschaffenden vermitteln zu lassen. Aber auch in freien Workshops können sich Teilnehmende ausprobieren und kreativ werden. Es gibt nicht viele, die vom Fach sind und solche Projekte anbieten können.

Bürgerfernsehen von großer Bedeutung

Jens Rudolph, Geschäftsführer des "Offenen Kanals Wettin" und des "Nests", glaubt, dass das Medienzentrum durch seine starken regionalen Bezüge auch inhaltlich eine wichtige Rolle in der Gegend spielt. Durch die Kooperation zwischen dem "Nest" und dem "Offenen Kanal" können die Inhalte, die am Medienzentrum produziert werden, auch im Fernsehen gesendet werden und den Menschen im Saalekreis ihre Mitmenschen und deren Anliegen näherbringen. So wurden zum Beispiel auch Talente aus der Region vorgestellt, Musiker begleitet oder Geflüchtete durften ihre Geschichten erzählen.

Rudolph meint, das Medienzentrum ziehe talentierte Menschen von überall her an, und das tue Wettin gut. Einer dieser talentierten Menschen ist Ayman, den Jens Rudolph als seinen "begabtesten Mann" vorstellt. Ayman kam als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland. Der leidenschaftliche Techniker arbeitet fast rund um die Uhr an Projekten. "Ich bin immer hier", sagt er. Für ihn ist "das Nest" zu einem Zuhause geworden.

Auch Dominik und Moritz, die beide eine Ausbildung zum "Mediengestalter Bild und Ton" am Medienzentrum machen, sind überzeugt, dass das Medienzentrum wichtige Aufgaben für den Saalekreis erfülle. "Vor allem, dass sich Menschen ausdrücken können, was ohne den Zugang zu Technik so nicht möglich wäre", sagt Dominik. Und Moritz ergänzt: "Einige Menschen sind schon sehr medienskeptisch hier. Ich glaube, deshalb ist es wichtig, dass man einen neuen Bezug dazu finden kann."

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MDR/Leonard Schubert

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 17. Juni 2021 | 11:00 Uhr

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