Das weltgröߟte Frachtflugzeug, eine Antonow 225, landet mit Schutzmasken an Bord auf dem Flughafen Leipzig/Halle.
In den vergangenen Jahren war die von Russland zerstörte Antonov An-225 regelmäßig zu Gast am Flughafen Leipzig/Halle. Wenn es nach den Ukrainiern geht, soll sie nach dem Krieg wieder in MIteldeutschland landen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Folgen des Krieges Antonov: Zweite Heimat in Leipzig/Halle gefunden

08. November 2022, 19:09 Uhr

Kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine war schnell klar, auch das größte Flugzeug der Welt, der Großfrachter An-225 wurde zerstört. Der Flugzeugbauer Antonov konnte zumindest einen Teil seiner Flotte aber nach Leipzig/Halle retten. Dort ist in einer Ausstellung nun die wechselvolle Geschichte Antonovs zu sehen. Doch die Ukrainer schauen nach vorn und haben große Pläne – auch in Mitteldeutschland.

Der Flughafen Leipzig/Halle kennt in der Luftfracht so ziemlich jedes Superlativ. Nichts, was am größten mitteldeutschen Airport nicht schon verladen wurde. Seien es Generatoren, U-Bahnen, schwere Panzer oder auch einfach nur Unmengen an FFP2-Masken. All das hat die Antonov An-225 von und nach Leipzig/Halle transportiert. Abgesehen von ihrem bei Kiev gelegenen Heimatflughafen Gostomel ist das Flugzeug mit dem Beinamen "Mrija" (dt.: Traum) auf keinem anderen Airport deshalb so oft gelandet wie in Leipzig/Halle: 31 Mal war der Riese in den letzten Jahren hier zu Gast, ehe er Ende Februar bei einem russischen Angriff zerstört wurde.

Immer im Cockpit des Kolosses, der vollbeladen über 600 Tonnen auf die Waage bringen konnte, war der frühere Mrija-Chefpilot Dmytro Antonov, der zufälligerweise denselben Namen trägt wie der Flugzeughersteller. Mit viel Wehmut erinnert er sich an die vielen Flüge mit "seiner" Mrija: "Egal wo wir hingeflogen sind, die Menschen haben überall auf uns gewartet. Immer wenn wir Leipzig angeflogen sind, dann konnten wir schon aus der Luft sehen, dass viele Menschen am Flughafen auf den Straßen standen und mit ihren Kameras auf uns warteten."

Aber auch am Flughafen selbst haben sich seine Besatzungen stets wohl gefühlt: "Der Flughafen ist nicht nur technisch gut ausgestattet für unsere großen Flugzeuge. Die Menschen hier sind auch immer sehr gastfreundlich und haben uns immer geholfen. Wenn wir hier landen können, dann sind wir alle immer sehr glücklich."

Ausstellung zeigt die Geschichte ukrainischer Antonovs

Diese besondere Beziehung zum Flughafen wird nun auch in einer Ausstellung im Check-In-Bereich des Flughafens deutlich. Bei "Light and Shadow – The Antonov Story" (Licht und Schatten - Die Antonov-Geschichte) ist in einem hellen Raum die lange Geschichte des Flugzeugs zu sehen – mit vielen Bildern, die in Leipzig/Halle entstanden sind.

In einem dunklen, sehr beklemmend wirkenden Raum, wird die Zerstörung der Antonov-Flugzeuge in Kiev gezeigt. Auf den Piloten Antonov wirken die Bilder noch heute befremdlich: "Als ich damals zu dem zerstörten Flughafen kam, hatte ich schon das Gefühl, das etwas schlimmes mit dem Flugzeug passiert ist. Als ich es dann wirklich sah, war es viel schlimmer, als ich es erwartet hatte. Es war eine traurige und unwirkliche Situation."

Doch auch wenn die russischen Soldaten mit ihrem Angriff auf die Mrija ein fliegendes Nationalsymbol der Ukrainer zerstört haben. Viele Menschen zwischen Lviv und Charkiv hoffen, dass ihr Traum, ihre Mriya, nach dem Krieg wieder abheben wird. Auch der neue ukrainische Botschafter in Deutschland, Olesksii Makeiev, teilt diese Hoffnung.

Die An-225 war für den luftfahrtbegeisterten Diplomaten ein wichtiges Nationalsymbol: "Als wir im August letzten Jahres den Tag der Unabhängigkeit gefeiert haben, da habe ich von meinem Bürofenster im Kiever Außenministerium Mrija das letzte Mal fliegen sehen. Die Zerstörung dieses Flugzeugs war für uns ein Trauma. Aber Träume können nicht für immer vernichtet werden. Deshalb hoffe ich sehr, dass Mrija wieder gebaut wird und hier auf der Nordbahn vom Leipziger Flughafen landen wird.“

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Der Himmel in friedlichen Zeiten sieht mit Flugzeugen so schön aus. Aber über der Ukraine gibt es im Moment nur russische Flugmarschkörper und die iranischen Drohnen, die uns vernichten. Wir müssen alles dafür tun, dass wir diesen Krieg gewinnen und im friedlichen Himmel nur die Flugzeuge und unsere Träume sind.

Olesksii Makeiev Ukrainischer Botschafter in Deutschland

Spekulationen über Wiederaufbau und Hoffnung auf prominente Hilfe

Über einen Wiederaufbau des zerstörten Flugzeugs wird schon seit Monaten spekuliert – Einzelheiten waren bislang aber kaum in Erfahrung zu bringen. Auch Antonov-Generaldirektor Ievgen Gavrylov, der für die Ausstellungseröffnung nach Leipzig/Halle kam, ließ sich kaum in die Karten schauen. Er bestätigte lediglich, dass die ersten Vorbereitungen bereits begonnen haben.

Chefpilot Dmytro Antonov wird deutlicher und erklärt, dass man sich noch immer in der Planungsphase befinde: "Wir stellen im Moment noch den Kontakt zu Herstellern wie Boeing, Airbus oder Embraer her, um sie zu bitten, uns beim Wiederaufbau von Mrija zu helfen. Außerdem untersuchen wir noch das Wrack der zerstörten Maschine, um zu sehen, ob wir einige Bauteile wiederverwenden können. Wie teuer das Ganze wird, werden wir aber erst nach dem Krieg wissen."

Zwar möchte der Pilot Antonov die Kosten nicht schätzen, er berichtet aber, dass man Anfang des Jahres noch von 250 Millionen US-Dollar sprach. Zeitweise sei sogar von drei Milliarden Dollar die Rede gewesen. Doch egal wie teuer der Wiederaufbau wird, ohne Hilfe aus dem Ausland wird es kaum gehen, ist sich Antonov sicher: "Wir müssen nach dem Krieg mit Politikern und Geschäftsleuten reden. Ein solches Projekt kann man nur international realisieren. Aber selbst luftfahrtbegeisterte Prominente können uns helfen. Zum Beispiel Leonardo DiCaprio, Richard Branson oder sogar Elon Musk."

Für den Wiederaufbau wohl notwendig ist unterdessen eine zweite, nie fertiggestellte Mrija. Der Bau dieses Exemplars war vor bald 30 Jahren eingestellt worden. Seitdem sind Rumpf und Leitwerk eingelagert. Dmytro Antonov bestätigt, dass man derzeit prüfe, inwieweit diese Bauteile nutzbar sind.

Immerhin, etwa 70 Prozent des Rumpfs sollen bereits fertiggestellt sein, hatte der frühere Antonov-Generaldirekter Oleksandr Donets noch vor dem Krieg dem ukrainischen Portal Kyiv Post erklärt. Bestrebungen, die zweite An-225 zu vollenden, gab es in der Vergangenheit immer wieder. Die Projekte scheiterten aber immer wieder an der klammen Finanzlage des Flugzeugbauers.

Ukrainische Antonovs fliegen weiter - von Leipzig/Halle aus

Während der Wiederaufbau der Mrija bis auf weiteres ein Traum bleibt, fliegt die verbliebene ukrainische Antonov-Flotte seit Kriegsbeginn von Leipzig/Halle statt von Kiev aus. Antonov Airlines betreibt schon seit einigen Jahren eine eigene Wartungsbasis am Flughafen – war also gut vorbereitet auf den erzwungenen Umzug von Kiev nach Mitteldeutschland. Mit den fünf etwas kleineren Großfrachtern vom Typ An-124 wird nun von Leipzig/Halle aus in alle Welt geflogen. Ein Fokus liege aber auf humanitären Missionen für die Menschen in der Ukraine, erklärte das Unternehmen bereits im April über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist, werde Leipzig/Halle aber auch weiter eine große Rolle für Antonov spielen, versicherte Antonov-Generaldirektor Ievgen Gavrylov: "Die Zukunft ist bereits jetzt Realitiät geworden. Etwa 300 unserer Mitarbeiter sind inzwischen in Leipzig/Halle und wir werden vom Flughafen sehr gut unterstützt. Deshalb werden wir den Airport auch in Zukunft weiter anfliegen. Denn wir sehen hier ein großes Potential für unsere Frachtflüge und wollen unsere Basis hier in Mitteldeutschland auch weiter ausbauen."

Neben den klassischen Frachtflügen werden zwei der Maschinen bereits seit einigen Jahren für das Verteidigungsbündnis Nato gebraucht. Grundlage dafür ist das Salis-Programm. Es regelt, dass auch privat betriebene Maschinen aus der nicht zur Nato gehörenden Ukraine für das Verteidigungsbündnis unterwegs sein können. Die Nato selbst hat zu wenige große Transportflugzeuge, um schwere und sperrige Technik wie Panzer transportieren zu können.

Antonov setzt auch in Zukunft auf den Flughafen in Mitteldeutschland

Dass Antonov in Leipzig/Halle auch künftig ein Zuhause hat, glaubt auch Flughafenchef Götz Ahmelmann. Antonov spiele am Flughafen schon seit Jahren eine sehr wichtige Rolle, erklärt der Airport-Chef im Interview: "Weil die Antonovs von hier aus auch viele Flüge mit Hilfsgütern durchführen und medizinische Produkte transportieren. Allein im vorigen November hat die An-225 3,5 Millionen Corona-Tests hierher gebracht." Diese Rolle dürfe man nicht unterschätzen, meint Ahmelmann.

So lange der Krieg in der Ukraine andauere, stehe aber das Wohl der Antonov-Mitarbeiter vor Ort im Fokus. "Im Augenblick versuchen wir das gesamte Team und die Familien nach Kräften zu unterstützen. Wir drücken natürlich allen die Daumen, dass sie schon bald wieder ihren eigentlichen Heimatflughafen Gostomel bei Kiev nutzen können. Aber das tut der Partnerschaft und der Zusammenarbeit in Zukunft keinen Abbruch."

Ukrainischer Botschafter hofft auf Flugverbindungen in die Ukraine

Der ukrainische Botschafter Olesksii Makeiev geht noch einen Schritt weiter. Er kann sich Leipzig/Halle sogar als eine Art Drehkreuz zwischen Deutschland und der Ukraine vorstellen: "So viele Antonovs wie möglich werden hier landen und sie werden bestimmt noch viele An- und Abflüge von Flugzeugen mit ukrainischen Farben hier sehen. Ich hoffe sehr, dass wir an der Abflugtafel nicht nur die Transportflugzeuge, sondern auch die Passagierflugzeuge sehen werden. Eines Tages wird Ukraine International Airlines oder Lufthansa direkt von Leipzig nach Kiev, Lviv, Odessa oder nach Simferopol fliegen."

Ob sich diese Wünsche des Botschafters wirklich erfüllen, bleibt abzuwarten. Ganz abwegig sind sie aber nicht, denn bereits vor dem Krieg gab es eine Zeit lang eine Direktverbindung von Leipzig/Halle nach Kiev.

Über den Autor Thomas Tasler arbeitet seit Juni 2019 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Bevor der gebürtige Südthüringer nach Magdeburg kam, hat er in Leipzig bei MDR AKTUELL und mephisto 97.6 Station gemacht. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Luftfahrt und ist bei diesem Thema Ansprechpartner Nummer eins im Funkhaus.

MDR, Thomas Tasler

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 08. November 2022 | 18:40 Uhr

9 Kommentare

Shantuma am 09.11.2022

Die Zerstörung von Infrastruktur ist gute alte NATO-Strategie. Die NATO zerstörte in jedem ihrer glorreichen Kriege innerhalb von wenigen Tagen alles was mit Elektrizität, Mobilfunk etc. zu tun hat.
Also mal nicht weinen NAFO.

Und der internationale Gerichtshof ist ein Witz. Das weiß jeder der sich damit und mit Kriegsverbrechen, wie Drohnenmorde beschäftigt. Also verkneifen Sie sich Ihre Tränen.

Wenn man Kriegstreibern das Stimmrecht entzieht, dann hätten die USA, Frankreich, GB schon lange keine mehr. Deutschland als Unterstützer auch nicht.
Denn wir stellen ja fein Ramstein zur Verfügung und töten damit schlicht 90% Zivilisten.

Sie sind Ihren eigenen Nick nicht wert. Nicht im geringsten!

Kritiker am 09.11.2022

W.Merseburger: Ob das nun ein Bärendienst war oder als solcher interpretierbar ist mag bezweifelt werden. Hier geht es dem Russen nur darum sich darzubieten und frei zu verkünden: die Zerstörung der AN-225 =das Wahrzeichen der Ukraine= war ein Erfolg der ach "so guten militärischen Operation" und wurde vllt. gar noch in Russland gefeiert! Genau so wie die sinnfreie hassbegründete Zerstörung ziviler Objekte und wirtschaftswichtige Objekte, wie E-Werke etc. Mir bleibt es nach wie vor unverständlich das diese Russische Führung nicht lange schon vor den internationalen Gerichtshof auf Grund einer Klage (ggf. sogar aus/von der EU) zitiert wird und damit klargelegt wird dass er samt der sich im Krieg angeschlossenen Oligarchen und Landesteile für ALLE SCHÄDEN finanziell oder materiell zur Verantwortung zu ziehen ist. Man möchte auch Hinterfragen ob einem Kriegstreiber das Stimmrecht in hohen weltweiten Positionen nicht entzogen werden sollte.

Kritiker am 09.11.2022

Es ist zu über 100% richtig das hier in D zunächst die "Heimat" dieser Wahrzeichen der Ukraine ist/sein möchte!! Nun sollte man mit ukrainischen und deutschen Experten daran gehen weiter zu denken und zu handeln in dem man auch soweit geht eine Produktionsstätte für diese Maschinen zu entwickeln und diese dann hier zu bauen. Das würde dem Russen mehr ärgern als der erzwungene Rückzug aus besetzten Teilen der Ukraine. UND VOR ALLEM beim Bau solcher Maschinen braucht man weder Waffen noch muss man Tote beklagen.

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