Sven Liebich bespricht sich 2023 im Amtsgericht Halle mit seiner Anwältin Christina Reißmann.
Rechtsextremist Sven Liebich muss vorerst nicht ins Gefängnis, weil er und die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Fall wird neu verhandelt Prozess gegen Rechtsextremisten: Liebich und Staatsanwaltschaft legen Berufung ein

24. Juli 2023, 19:23 Uhr

Der Prozess gegen den halleschen Rechtsextremisten Sven Liebich geht in die nächste Runde. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Liebich selbst haben Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle eingelegt. Liebich ist vergangene Woche zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Wegen der Berufung muss Liebich vorerst nicht in Haft – der Fall muss neu verhandelt werden.

Der Prozess um den Rechtsextremisten Sven Liebich geht in die nächste Runde. Das Amtsgericht Halle teilte am Montag mit, dass nach der Staatsanwaltschaft nun auch der Angeklagte Liebich rechtzeitig Berufung gegen das Urteil eingelegt habe. "Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig und kann nicht vollstreckt werden", so ein Gerichtssprecher. Ein zeitlicher Rahmen für das Berufungsverfahren könne derzeit noch nicht benannt werden.

Der Fall werde nun ein weiteres Mal verhandelt – dieses Mal vor dem Landgericht in Halle, so der Gerichtssprecher. Liebich war Mitte Juli unter anderem wegen Volksverhetzung und übler Nachrede zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, ohne Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre Haft gefordert.

Zur Begründung ihres Urteils sagte die Richterin, Liebich sei ein Gratwanderer und überschreite in manchen Fällen die Grenze des Rechts. Man könne politisch Andersdenkende nicht überzeugen, indem man sie beleidige oder anschreie, so die Richterin. Sie verglich Liebich mit einem Kind, das süchtig nach Aufmerksamkeit sei.

Sie sind das beste Beispiel dafür, dass man in Deutschland bis zur Grenze der Unerträglichkeit seine Meinung sagen darf. Aber sie dürfen nicht beleidigen.

Richterin im Fall Liebich

1.500 Euro Schmerzensgeld

Teil des Urteils war auch, dass Liebich 1.000 beziehungsweise 500 Euro Schmerzensgeld an zwei Nebenkläger zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen muss. Liebich hatte während der Urteilsverkündung keine Regung gezeigt und ruhig zugehört.

Im Gegensatz zu vergangenen Verfahren sei er höflich und angemessen aufgetreten, sagte die Richterin. Zwar habe er gute Chancen auf eine Bewährungsstrafe gehabt, sich jedoch nicht von seinem Verhalten distanziert.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren gefordert. Die Verteidigung Liebichs beantragte einen Freispruch. Seit 2014 veranstaltet Liebich regelmäßig Demonstrationen – viele davon auf dem Marktplatz in Halle. Der Prozess gegen den aus Merseburg stammenden Rechtsextremisten war Mitte Mai eröffnet worden.

Volksverhetzung und üble Nachrede

Die Strafe setzt sich laut Urteilsbegründung wie folgt zusammen: Für den Verkauf von Baseballschlägern mit der Aufschrift "Abschiebehelfer" über seinen Onlineshop wird Sven Liebich wegen Volksverhetzung verurteilt. "Das ist widerlich und gefährlich", so die Richterin.

Ebenfalls als Volksverhetzung wertete das Gericht Liebichs verbale Angriffe auf die Gruppe "Omas gegen Rechts". An Liebich gewandt sagte die Richterin: "Sie behaupten, eine Kunstfigur zu sein. Ich halte das für Unsinn." Kunst könne auch fies sein, dürfe Menschen aber nicht diffamieren.

In elf Fällen wurde Liebich zudem wegen übler Nachrede verurteilt. Von den Vorwürfen des Hausfriedensbruchs und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr wurde er freigesprochen. Aus den einzelnen Fällen hat das Gericht eine Gesamtstrafe gebildet, in die auch eine frühere Verurteilung Liebichs mit eingeflossen ist.

Reaktionen auf das Urteil

Das Bündnis "Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage" wertete das Urteil als "Erfolg in der juristischen Auseinandersetzung mit dem Neonazi Sven Liebich". Entscheidend sei, dass die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. "Hierfür gab es nach unserer Ansicht auch keinerlei Spielraum mehr", so Valentin Hacken, Sprecher des Bündnisses und Nebenkläger im Prozess. Das Urteil sei auch ein Signal an die extreme Rechte, dass rechte Hetze zu Haft führen kann.

Das Bündnis "Omas gegen Rechts" bezeichnete die Verurteiling Liebichs als "Schritt in die richtige Richtung". Michael Fürstenberg vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle schrieb bei Twitter: "Endlich – der Hallenser Rechtsextremist Sven Liebich (auch "Giftzwerg" oder "Schreihals" genannt) muss in den Knast".

Auch Igor Matviyets, Mitglied der jüdischen Gemeinde in Halle, ist in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Liebichs verbalen Angriffen geworden. Nach dem Urteil twitterte er: "Endlich könnte der Nazi in den Knast kommen". Das Urteil sei ein "super Beleg für die 'Handlungsfähigkeit' des Staates".

Liebich bereits verurteilt

Gegen den Rechtsextremisten laufen seit Jahren mehrere Verfahren vor verschiedenen Gerichten. Seit Ende März ist ein Urteil gegen ihn unter anderem wegen Verleumdung von Personen des politischen Lebens und Volksverhetzung rechtskräftig.

Das Landgericht Halle hatte ihn Ende Oktober 2022 zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem muss Liebich 250 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

MDR, dpa (Max Schörm, Roland Jäger, Thomas Vorreyer, Fabienne von der Eltz) | Erstmals veröffentlicht am 13.07.2023 um 05:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Juli 2023 | 13:00 Uhr

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