Messerhype 3 min
Junge Männer inszenieren sich auf TikTok mit gefährlichen Messern oder tragen sie wie selbstverständlich in der Öffentlichkeit. Das Y-Kollektiv geht dem Hype auf den Grund. Mehr dazu im Video. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Gewaltprävention Ansage im Boxclub: Was die Gesellschaft gegen Messergewalt machen kann

10. Mai 2025, 05:00 Uhr

Mit Verboten und speziellen Zonen versucht die Politik, die Messergewalt in Deutschland in den Griff zu bekommen. Doch es braucht bei dem Thema auch mehr gesellschaftliches Engagement. Wie das aussehen könnte, zeigt der Boxclub Halle.

Das Bild zeigt einen Mann mit Brille und schwarzen Haaren, der in die Kamera lächelt
Bildrechte: Max Fallert

"Ich habe ein Klappmesser mit Totenkopfmuster dabei", erzählt ein Jugendlicher in einem Skatepark in Halle. "Es ist normal geworden, ein Messer zu tragen, aus Sicherheit", sagt ein anderer junger Mann. Äußerungen wie diese hört Ronny Lopez Lopez regelmäßig in seinem Viertel. Er leitet den "Box-Club Halle" in der Neustadt, arbeitet auch als Türsteher.

Er bekommt also viel mit von dem, was sich unter Heranwachsenden im Kiez abspielt: "Die Auseinandersetzungen mit Messern haben zugenommen", beobachtet der Trainer. In seinem Boxclub spricht er mit den Jugendlichen über die Messergewalt: "Ich versuche, sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Auch mit knallharten Ansagen: Wenn sie nicht spuren, fliegen sie aus dem Boxclub raus."

Das Bild zeigt einen Mann mit schwarzen längeren Haaren. Seine Arme sind verschränkt und er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "Boxclub Halle"
Ein Messer in der Tasche sorge eher für Gefahr als für die eigene Sicherheit, ist Boxtrainer Ronny Lopez Lopez überzeugt. Bildrechte: MDR

Messer in der Öffentlichkeit: zunehmend illegal

Seit Oktober vergangenen Jahres herrscht in Sachsen-Anhalt wie in ganz Deutschland ein verschärftes Waffengesetz: Veranstaltungen wie Volksfeste und Wochenmärkte, Orte wie Bahnhöfe aber auch Busse und Bahnen sollen messerfreie Zonen sein. Unabhängig davon, wie das Messer aussieht, oder wie lang die Klinge ist.

Die Behörden können auch leichter Waffenverbotszonen einrichten. So sollen Polizisten einfacher Messer aus dem Verkehr ziehen können. In Sachsen-Anhalt sind diese Zonen rund um die Hauptbahnhöfe Halle und Magdeburg eingerichtet. Auch Verstöße gegen das Messerverbot bspw. auf Volksfesten wurden teils deutlich erhöht, auf bis zu 10.000 Euro.

Statistik: Mehr Körperverletzungen, weniger Raubdelikte mit Messern

Rund 29.000 Messerangriffe weist die Polizeiliche Kriminalstatistik im vergangenen Jahr für ganz Deutschland aus. Als Angriff zählen laut Polizei neben versuchten und erfolgreichen Attacken auch Bedrohungen mit Messer.

Deutschlandweit steigt die Zahl der gefährlichen Angriffe: 10.000 waren es im vergangenen Jahr, zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Mittlerweile wird jeder 20. schwere Angriff auf einen Menschen mit einem Messer ausgeübt. Die Zahl der Raubdelikte mit dem Messer als Drohmittel ist hingegen gesunken.

Messerangriffe in Sachsen-Anhalt: Gegen den Trend

Auch in Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Messerangriffe rückläufig: 936 waren es im vergangenen Jahr, zwölf Prozent weniger als 2023. Jugendliche und Kinder griffen seltener in der Auseinandersetzung zum Messer.

Laut Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) könnte das auf Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung zurückzuführen sein: Es habe in den vergangenen Jahren mehr Präventionsarbeit an Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen in Form von Projekttagen und Vortragsveranstaltungen gegeben. Auch das verschärfte Waffengesetz helfe dabei, Messerverbote umzusetzen.

Eine Polizistin und ein Polizist 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Marijan Murat
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MDR SACHSEN-ANHALT Di 18.03.2025 11:26Uhr 00:31 min

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Was hilft gegen Messergewalt?

Der Kriminologe Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sieht in den Zahlen einen Hinweis darauf, dass der Höchststand in Sachen Messerkriminalität erreicht sein könnte:

"Wenn Gewaltkriminalität ein Niveau erreicht, wo eine Gesellschaft das nicht mehr akzeptiert, dann wissen wir, dass das Ruder auch wieder herumgerissen werden kann. Weil es genug zivilgesellschaftliche Power gibt, um solche Themen zu adressieren. Weil es Sozialarbeit an Schulen gibt und und weil die Polizei Schwerpunkte im Bereich der Kriminalität setzt. Ich glaube im Messerbereich sind wir in dieser Phase."

Dirk Baier
Der Kriminologe Dirk Baier erforscht die Entwicklung des Kriminalitätsgeschehens im deutschsprachigen Raum. Bildrechte: Dirk Baier

Dennoch brauche es einen langen Atem. Wissenschaftler Baier plädiert für einen nationalen Aktionsplan: Der Staat müsse mehr Geld bereitstellen, etwa für Sozialarbeit oder die Betreuung von Intensivtätern. Außerdem müssten öffentliche Kampagnen angestoßen werden.

Im Umgang mit Messergewalt seien aber auch Personen aus der Zivilgesellschaft gefragt: Menschen wie der Trainer Ronny Lopez Lopez, der junge Männer in seinem Boxclub in Halle davon abbringen will, Messer in der Öffentlichkeit zu tragen.

Jugendlicher mit einem Butterflymesser 3 min
Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn
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Springmesser, Butterflymesser und ähnliche Klingen: Die Gewalt mit Messern hat bundesweit zugenommen. Genau damit befasst sich die 30 Minuten lange Doku-Reportage "Gefährlicher Messer-Hype" in der ARD-Mediathek.

MDR SACHSEN-ANHALT Mo 12.05.2025 16:21Uhr 03:06 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/audio-messerattacken-doku-100.html

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MDR (Max Fallert), zuerst veröffentlicht am 10.05.2025

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Y-Kollektiv | 05. Mai 2025 | 00:01 Uhr

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