Gewaltprävention Ansage im Boxclub: Was die Gesellschaft gegen Messergewalt machen kann
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10. Mai 2025, 05:00 Uhr
Mit Verboten und speziellen Zonen versucht die Politik, die Messergewalt in Deutschland in den Griff zu bekommen. Doch es braucht bei dem Thema auch mehr gesellschaftliches Engagement. Wie das aussehen könnte, zeigt der Boxclub Halle.
"Ich habe ein Klappmesser mit Totenkopfmuster dabei", erzählt ein Jugendlicher in einem Skatepark in Halle. "Es ist normal geworden, ein Messer zu tragen, aus Sicherheit", sagt ein anderer junger Mann. Äußerungen wie diese hört Ronny Lopez Lopez regelmäßig in seinem Viertel. Er leitet den "Box-Club Halle" in der Neustadt, arbeitet auch als Türsteher.
Er bekommt also viel mit von dem, was sich unter Heranwachsenden im Kiez abspielt: "Die Auseinandersetzungen mit Messern haben zugenommen", beobachtet der Trainer. In seinem Boxclub spricht er mit den Jugendlichen über die Messergewalt: "Ich versuche, sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Auch mit knallharten Ansagen: Wenn sie nicht spuren, fliegen sie aus dem Boxclub raus."
Messer in der Öffentlichkeit: zunehmend illegal
Seit Oktober vergangenen Jahres herrscht in Sachsen-Anhalt wie in ganz Deutschland ein verschärftes Waffengesetz: Veranstaltungen wie Volksfeste und Wochenmärkte, Orte wie Bahnhöfe aber auch Busse und Bahnen sollen messerfreie Zonen sein. Unabhängig davon, wie das Messer aussieht, oder wie lang die Klinge ist.
Die Behörden können auch leichter Waffenverbotszonen einrichten. So sollen Polizisten einfacher Messer aus dem Verkehr ziehen können. In Sachsen-Anhalt sind diese Zonen rund um die Hauptbahnhöfe Halle und Magdeburg eingerichtet. Auch Verstöße gegen das Messerverbot bspw. auf Volksfesten wurden teils deutlich erhöht, auf bis zu 10.000 Euro.
Statistik: Mehr Körperverletzungen, weniger Raubdelikte mit Messern
Rund 29.000 Messerangriffe weist die Polizeiliche Kriminalstatistik im vergangenen Jahr für ganz Deutschland aus. Als Angriff zählen laut Polizei neben versuchten und erfolgreichen Attacken auch Bedrohungen mit Messer.
Deutschlandweit steigt die Zahl der gefährlichen Angriffe: 10.000 waren es im vergangenen Jahr, zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Mittlerweile wird jeder 20. schwere Angriff auf einen Menschen mit einem Messer ausgeübt. Die Zahl der Raubdelikte mit dem Messer als Drohmittel ist hingegen gesunken.
Messerangriffe in Sachsen-Anhalt: Gegen den Trend
Auch in Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Messerangriffe rückläufig: 936 waren es im vergangenen Jahr, zwölf Prozent weniger als 2023. Jugendliche und Kinder griffen seltener in der Auseinandersetzung zum Messer.
Laut Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) könnte das auf Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung zurückzuführen sein: Es habe in den vergangenen Jahren mehr Präventionsarbeit an Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen in Form von Projekttagen und Vortragsveranstaltungen gegeben. Auch das verschärfte Waffengesetz helfe dabei, Messerverbote umzusetzen.
Was hilft gegen Messergewalt?
Der Kriminologe Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sieht in den Zahlen einen Hinweis darauf, dass der Höchststand in Sachen Messerkriminalität erreicht sein könnte:
"Wenn Gewaltkriminalität ein Niveau erreicht, wo eine Gesellschaft das nicht mehr akzeptiert, dann wissen wir, dass das Ruder auch wieder herumgerissen werden kann. Weil es genug zivilgesellschaftliche Power gibt, um solche Themen zu adressieren. Weil es Sozialarbeit an Schulen gibt und und weil die Polizei Schwerpunkte im Bereich der Kriminalität setzt. Ich glaube im Messerbereich sind wir in dieser Phase."
Dennoch brauche es einen langen Atem. Wissenschaftler Baier plädiert für einen nationalen Aktionsplan: Der Staat müsse mehr Geld bereitstellen, etwa für Sozialarbeit oder die Betreuung von Intensivtätern. Außerdem müssten öffentliche Kampagnen angestoßen werden.
Im Umgang mit Messergewalt seien aber auch Personen aus der Zivilgesellschaft gefragt: Menschen wie der Trainer Ronny Lopez Lopez, der junge Männer in seinem Boxclub in Halle davon abbringen will, Messer in der Öffentlichkeit zu tragen.
MDR (Max Fallert), zuerst veröffentlicht am 10.05.2025
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Y-Kollektiv | 05. Mai 2025 | 00:01 Uhr