Sonnenaufgang am Umspannwerk Wolmirstedt
Auch das Umspannwerk in Wolmirstedt ist Teil der kritischen Infrastruktur in Sachsen-Anhalt. Bildrechte: picture alliance / dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Kritische Infrastrukturen Nach Sabotage bei der Bahn: So sicher ist Sachsen-Anhalt

25. Oktober 2022, 15:44 Uhr

Am 8. Oktober wurden Teile des deutschen Zugverkehrs durch einen Sabotageangriff gestört. Bei vielen warf das die Frage auf: Ist unsere kritische Infrastruktur sicher? Zu ihr zählen etwa die Energie und Wasserversorgung, aber auch Krankenhäuser, Banken und der Lebensmittelhandel. Ein Gespräch mit Experten zeigt: Trotz entsprechender Sicherheitsmaßnahmen sind auch in Sachsen-Anhalt Angriffe möglich.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
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Betreiber von kritischen Infrastrukturen sind aus gutem Grund wenig auskunftsfreudig. Die Stadtwerke Magdeburg schreiben auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT zum Beispiel: "Der beste Schutz für kritische Infrastrukturen ist es, nicht über diesen Schutz zu reden." Sachsen-Anhalts Krankenhausgesellschaft schreibt, es seien keine Versuche bekannt, die Infrastruktur der Krankenhäuser zu beschädigen. Man hätte auch keine Warnungen der Behörden erhalten.

Sabotage bei der Deutschen Bahn Am 8. Oktober war der Zugfunk der Bahn ausgefallen. Zwei Datenleitungen waren in Herne und bei Berlin durchtrennt worden. Die Folge: An dem Samstagmorgen war der Fernverkehr in Norddeutschland lahmgelegt. Die Bahn ging schon an dem Tag von Sabotage aus. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

Sachsen-Anhalts Innenministerium schreibt auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT, die Verfassungsschutzbehörden hätten bereits kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine vor Cyber-Sabotage gewarnt. Das Innenministerium weist allerdings darauf hin, dass es Aufgabe der einzelnen Fach-Ressorts sei, bei den jeweiligen Betreibern der kritischen Infrastruktur "einzufordern, dass bestehende Pläne geprüft, gegebenenfalls angepasst und aktiviert werden."

Für Krankenhäuser ist also das Gesundheitsministerium zuständig, für Strom-, Gas- und Wasser-Anlagen das Energie-Ministerium, für Lebensmittel und Tankstellen das Wirtschaftsministerium und für Rechenzentren und Verkehr das Ministerium für Infrastruktur und Digitales.

Vorbereitung auf Stromausfälle

Sachsen-Anhalts Polizei hat laut Innenministerium in den vergangenen Wochen und Monaten umfassende Vorkehrungen und Vorbereitungen auf großflächige Stromausfälle getroffen. Das sagte Innenministerium Tamara Zieschang auch der Mitteldeutschen Zeitung. Zur Zeit würden für 3,3 Millionen Euro 13 Notstromaggregate beschafft, so die Ministerin zu der Zeitung.

Physische Schäden an kritischer Infrastruktur in Sachsen-Anhalt sind nur in sehr wenigen Fällen bekannt. So wurden im April und Mai Ölpipelines beschädigt. Die sechs Fälle in den Landkreisen Börde, Wittenberg und im Saalekreis würden Klimaaktivisten zugeschrieben, so das Innenministerium.

Warnung vor Cyberattacken

Wie hoch die Gefahr für großflächige Angriffe und Ausfälle kritischer Infrastrukturen – sowohl physisch als Sabotage als auch per Software als Cyberangriff – ist, schätzt Sachsen-Anhalts Innenministerium nicht ein. Eine Gefahr sieht man aber offenbar sehr wohl. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT schreibt das Ministerium: "Die Spionageabwehr der sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbehörde erhielt Hinweise auf Cyberattacken, deren Urheber mutmaßlich staatliche Cyber-Akteure der Russischen Föderation, der Volksrepublik China und der Islamischen Republik Iran waren." Näheres könne aus Geheim-Schutz-Gründen nicht mitgeteilt werden.

Alle Betreiber solcher Infrastrukturen sind gesetzlich angehalten, diese redundant auszulegen. Ab nächstem Jahr sind sie sogar verpflichtet, Systeme zu betreiben, die Angriffe so frühzeitig erkennen können, dass sie abgewehrt werden können, bevor Schäden entstehen.

Gerhard Oppenhorst, ESC Halle

Gerhard Oppenhorst wird da deutlicher. Er ist IT-Sicherheitsberater und arbeitet für die Firma ESC in Halle. Oppenhorst sagt: "Sachsen-Anhalts kritische Infrastrukturen sind genauso gefährdet wie die im Rest von Deutschland und Europa." Für einige besonders wichtige Infrastrukturen gäbe es keine Schutz-Konzepte, sondern nur Wiederherstellungs-Pläne, zum Beispiel für Pipelines oder Überlandleitungen.

IT-Sicherheitsexperte Gerhard Oppenhorst von ESC aus Halle zur Sicherheit kritischer Infrastrukturen in Sachsen-Anhalt

"Schon immer waren wichtige Verkehrswege wie Brücken oder Hochspannungsleitungen besonderen Bedrohungen ausgesetzt.

Wie hoch die Schäden bei der Verletzung solcher Infrastrukturen sind, hängt nicht nur von dem Schutz vor Schäden, sondern insbesondere davon ab, ob es Ersatzwege gibt. Wenn Redundanzen gut geplant sind, kann trotz Schäden an der Infrastruktur die Leistung weiter erfolgen.

Seitdem wir immer mehr solcher Infrastruktur privatisiert haben, liegt es an der Vorsorge dieser privaten Betreiber, wie sicher diese Infrastrukturen sind. Insofern wird man für Sachsen-Anhalt wieder deutlich höhere, noch deutlich niedrigere Gefährdungen erkennen können als für das übrige Bundesgebiet oder Europa.

Oppernhorst sorgt sich vor allem, dass häufig das Geld fehle, um Fachpersonal einzustellen oder Experten zu beauftragen. "Das führt nicht nur dazu, dass wichtige Schutz-Technologien, sondern häufig auch wichtige Kontrollen fehlen, um das Sicherheits-Niveau zuverlässig einschätzen zu können." Dies sei im Gesundheitswesen und bei kleineren Stadtwerken häufig der Fall.

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Sabotage und Cyber-Sabotage

Neben staatlichen Akteuren greifen auch Cyberkriminelle Unternehmen oder Privatpersonen an. Solchen Kriminellen geht es darum, von ihren Opfern Geld zu erpressen. Und so warnen manche Experten selbst niedergelassene Ärzte vor Cyberangriffen. Es sei keine Frage, ob sie angegriffen würden, sondern wann und wie sie darauf vorbereitet seien.

Gerhard Oppenhorst von ESC aus Halle macht die Unbekümmertheit vieler Mitbürger Angst. "Sie betrachten unsere aktuellen Energie-Engpässe nur als finanzielles Problem oder als Problem der Politik und sehen sich nicht in der Verantwortung, im privaten Bereich den Energieverbrauch zu drosseln." Das könne dazu führen, dass es im Februar weder Strom noch Heizung gäbe, und dass alle kritischen Infrastrukturen zum Erliegen kämen: Wasserversorgung, Funk-Masten, Computer, Tankstellen und der gesamte Verkehr.

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15 Tankstellen mit Notstrom in Sachsen-Anhalt

Wie wenige Tankstellen zum Beispiel die Benzin-Versorgung bei einem großflächigen Stromausfall in Sachsen-Anhalt sicherstellen können, wird aus einer Antwort der Landesregierung (PDF, S. 22, Frage 15) auf eine Anfrage der AfD-Fraktion deutlich. Die Katastrophenschutz-Behörden im Land hätten Schwerpunkt-Tankstellen zur Treibstoff-Versorgung benannt, von denen zehn über eine eigene Netz-Ersatz-Anlage verfügen, schreibt die Landesregierung. "Bei weiteren fünf kann mit Hilfe Externer eine Notstrom-Einspeisung erfolgen. Dieses sind zusammen etwa drei Prozent der Tankstellen in Sachsen-Anhalt."

MDR (Marcel Roth)

2 Kommentare

Shantuma am 25.10.2022

An den allwissende Experten aus Halle oder so ...

95% der Bevölkerung hat keine Zeit, Lust, Finanzen etc um sich mit dem Kram zu beschäftigen.
Danke für den nicht vorhandenen Blick über den Horizont.

Ich empfehle dem MDR weiterhin das Online-Angebot, als auch das Fernsehangebot einzustellen um Strom zu sparen. Geht mit gutem Beispiel vorran!

hilflos am 25.10.2022

Nun hoffentlich hat man auch die guten "Aktivisten" im Blick, die schnell mal eine pipeline abdrehen. Denen traue ich viel mehr zu... Kann man ja trotzdem der AfD zuschreiben

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