Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Neben der Energiepolitik (im Bild) soll vor allem Klimaschutz bei Verkehr, Landwirtschaft und Städtebau diskutiert werden. Bildrechte: picture alliance/dpa/Waltraud Grubitzsch

Breite DiskussionAuftakt für Zukunftskongress: Landesregierung will künftigen Klimaschutz mit Gesellschaft aushandeln

11. Juli 2022, 19:23 Uhr

In Halle startete der Zukunfts- und Klimaschutzkongress des Landes. Angesichts erwarteter Dürre- und Hitzerekorden, aber auch des Ukraine-Krieges will Umweltminister Armin Willingmann (SPD) Sachsen-Anhalts Klimaschutzpolitik neu aufstellen. Zunächst soll aber ein Jahr lang mit Verbänden und Gesellschaft diskutiert werden. Für die Idee gab es zum Auftakt viel Lob, aber auch Kritik.

Windräder im Wald? Weniger Fleischkonsum fürs Klima? Grüne Städte und schwarze Photovoltaik-Anlagen draußen auf den Feldern? Mit solchen Fragen beschäftigt sich seit Montag der sogenannte Zukunfts- und Klimaschutzkongress des Landes. Auf Initiative des Umweltministeriums soll bis Sommer kommenden Jahres über eine neue Klimaschutzpolitik für Sachsen-Anhalt diskutiert werden.

Umweltminister Willingmann will breite Beteiligung

Beim Auftakt im Landesumweltamt in Halle warb Minister Armin Willingmann (SPD) vor dem Hintergrund anhaltender Dürre und erwarteter Hitzerekorde für eine engagierte Diskussion. Auch habe der Krieg in der Ukraine "eindrücklich" klargemacht, was die Abhängigkeit von fossilen Energien für die Region bedeute.

Wichtig sei es, Entscheidungen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnis und "nicht aus hoher Emotionalität" heraus zu treffen, sagte Willingmann im Anschluss an seine Eröffnungsrede MDR SACHSEN-ANHALT. Der mehrmonatige Kongress bietet dafür die Möglichkeit und würde verschiedene Interessengruppen, Politik und Bevölkerung zusammenbringen.

Am Auftakt im Landesumweltamt nahmen mehrere Fachpolitikerinnen und Vertreter von Landesbehörden, Fachverbänden und Organisationen teil. Verschiedene Arbeitsgruppen sollen nun über konkrete Maßnahmen etwa im Verkehr oder der Landwirtschaft diskutieren. Daneben soll es einen sogenannten Klimamarkt, Diskussionsforen und eine Bürgerbefragung geben. Ein konkreter Zeitplan wurde noch nicht genannt.

Umweltbundesamt-Chef unterstützt langwierige Einbeziehung von Menschen und Verbänden

Lob für die Idee kommt vom Umweltbundesamt. Laut Umweltamtpräsident, Dirk Messner, steht zwar grundsätzlich ein "fundamentaler Umbau" der Wirtschaft bevor, "wenn wir Klimaschutz aber nur als Zumutung organisieren, werden wir das nicht schaffen", so Messner weiter. Ein derart umfangreicher Kongress sei in Deutschland einmalig.

Messner betonte insbesondere die Rolle der Kommunalpolitik, sagte: "Menschen verlieben sich in gute Städte, nicht in CO2-Preise." Sachsen-Anhalt solle zudem an seine Erfolge an seine Fortschritte beim Ausbau von Windenergie und Photovoltaik anknüpfen.

Die Klimamodelle des Umweltamtes sehen derzeit erhebliche klimatische Veränderungen für Sachsen-Anhalt vorher. So erwarten die Expertinnen und Experten, dass das Land eine der trockensten Regionen Deutschlands bleibt – und dass Hitze und Extremwettereignisse wie Starkregen noch weiter zunehmen werden.

Waldbesitzerverband sorgte für erste Diskussion

In einem Vortrag forderte Annemarie Bode vom Landesprojekt "Jugend macht Zukunft" eine stärkere Einbeziehung junger Menschen in den Prozess. Kritik und Anmerkungen sollten ernstgenommen werden.

Dass der Kongress dafür einen guten Raum bietet, glaubt auch Ole Horn, Pressesprecher von "Fridays for Future". Allerdings sei der zeitliche Horizont sehr weit gesteckt, so der Klimaaktivist am Rande der Veranstaltung. Bei Themen wie dem Ausbau des ÖPNV müsse schon vorher etwas geschehen.

Wie emotional die Klimadiskussion mitunter geführt wird, blieb auch an diesem Tag nicht verborgen. Franz Prinz zu Salm-Salm, Verbandschef der Waldbesitzer, forderte vom Saalmikro aus, dass sich junge Menschen wie Bode und Horn stärker an Baumpflanzaktionen beteiligen sollten. Die Enttäuschung des Lobbyisten reicht allerdings weiter: Er erwarte "gar nichts" von dem Kongress, sagte Salm-Salm dem MDR. Schließlich könne das Land schon jetzt mehr für Klimaschutz tun, drücke sich aber seit Jahren um ein ausreichendes Aufforstungsprogramm. Am Kongress will er sich dennoch weiter beteiligen.

Koalition freut sich über Beteiligung von Gesellschaft

In Sachsen-Anhalts Koalition zeigte man sich überzeugt vom Format. Man müsse davon wegkommen, Klimaschutz "nur über die große Angstnummer" vermitteln zu wollen, sagte Kathrin Tarricone, umweltpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Der Kongress könne Menschen "Lust auf eine Wende" hin zur Klimaneutralität machen.

Ähnlich sieht es Sandra Hietel (CDU). Die Landesregierung müsse aber schon jetzt mehr beim Ausbau von Photovoltaik auf Behördendächern tun und beim Bund eine Bestandssicherung älterer Windparks erwirken, sagte Hietel. Auch das Speicherförderprogramm des Landes solle nun fortentwickelt werden.

Opposition sieht auch ohne Kongress Handlungsbedarf

Dass auch ohne Kongress mehr getan werden kann, sieht auch die Opposition im Landtag so. Schon jetzt werde das Klima- und Energiekonzept der Landesregierung nicht konsequent umgesetzt, sagte Hannes Loth (AfD). Gleichzeitig geschehe bei der Renaturierung von Mooren und beim Waldumbau zu wenig.

Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann sagte, man habe in Sachsen-Anhalt "kein Erkenntnisproblem". Auch ohne Kongress sei klar, dass es etwa eine Solardach-Pflicht für Neubauten brauche und Fortbildungsprogramme für Handwerker, die diese Anlagen oder Wärmespeicher installieren.

Ein verbindliches Klimabudget für Treibhausgase will Linken-Politiker Hendrik Lange. Ein solches müsste der Bund errechnen und dann auf die Länder umlegen, so Lange.

Eine ähnliche Rechnung hatte die Deutsche Umwelthilfe Ende letzten Jahres vorgelegt. Anhand des aktuellen Weltklimarat-Berichtes errechnet man, dass Sachsen-Anhalts CO2-Budget ohne einschneidende Veränderungen bereits Ende 2025 aufgebraucht sei. Das 1,5-Grad-Ziel, dass dieser Berechnung zugrunde liegt, gilt in der Klimawissenschaft allerdings bereits als praktisch nicht mehr erreichbar.

Landesregierung will sich Ergebnisse in einem Jahr angucken

Der Zukunfts- und Klimaschutzkongress soll bis zum Sommer 2023 einen Abschlussbericht vorlegen. Im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und FDP heißt es, die Ergebnisse des Kongresses fänden "im Regierungshandeln Niederschlag". Wie genau das aussieht, will die Landesregierung dann nach Bewertung des Berichts entscheiden.

Denkbar ist, dass dann ein verbindliches Landesklimaschutzgesetz beschlossen wird. Bislang gibt es nur ein unverbindliches Klima- und Energiekonzept der Landesregierung.

Vertreterinnen von CDU und FDP ließen am Montag offen, ob am Ende des Prozesses ein überarbeitetes Energiekonzept oder doch ein landeseigenes Klimaschutzgesetz stehen soll. Letzteres wünscht man sich in der SPD, aber auch bei den oppositionellen Linken und Grünen. Die AfD lehnt ein solches Gesetz ab.

Mehr zum Thema

MDR (Thomas Vorreyer)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Juli 2022 | 17:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen