Kommentar Auf zu social.sachsen-anhalt.de!

18. Dezember 2022, 12:39 Uhr

Sachsen-Anhalts Digitalministerium hat seit ein paar Tagen einen Twitter-Account – Monate, nachdem Elon Musk den Kurznachrichtendienst gekauft hat. Und mitten in der heftigen Diskussion, ob man Twitter überhaupt noch nutzen sollte. Das Twitterkonto des Ministeriums wirkt befremdlich und aus der Zeit gefallen, meint MDR SACHSEN-ANHALT-Autor Marcel Roth.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Seit Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen hat, geht es dort drunter und drüber. Werbekunden und Nutzerinnen und Nutzer wenden sich von der Plattform ab. Der Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), hat sein Twitterkonto Anfang Dezember gelöscht. Ein paar Tage später sagt der Sprecher der Bundesregierung in einem Podcast des Redaktionsnetzwerks Deutschland: "Der Bundeskanzler und das Bundespresseamt sehen sich die Entwicklung von Twitter seit der Übernahme durch Elon Musk sehr genau an."

Die letzten Twitter-Nachrichten aus dieser Woche: Am Mittwoch beginnt die Plattform, Konten von Journalisten zu sperren. Nach viel Kritik – zum Beispiel vom Auswärtigen Amt – und der Androhung von EU-Sanktionen hebt Musks Twitter die Sperrungen wieder auf.

Überall das muss man nicht Bescheid wissen – die Zahl der deutschen Twitter-User ist nämlich überschaubar: Zehn Prozent der Deutschen nutzen die Plattform wöchentlich, vier Prozent täglich, hat die ARD/ZDF-Onlinestudie 2022 herausgefunden. Twitter ist nicht die deutsche Öffentlichkeit. Das ist mittlerweile vermutlich keine Plattform mehr.

Twitter ist kaputt, Sachsen-Anhalts Digitalministerium neu dabei

Aber in all diesen Wirren um Twitter wirkt es mehr als befremdlich, dass Sachsen-Anhalts Ministerium für Infrastruktur und Digitales am vergangenen Donnerstag um 12:34 Uhr ein Twitter-Konto anlegt. Einen ungünstigeren Zeitpunkt gibt es wohl kaum. Die ersten zwei Tweets des Ministeriums werden deshalb zu Recht hämisch kommentiert.

Als Twitter-Alternative wird oft der Fediverse-Dienst Mastodon genannt. Auch dort wird der neue Twitter-Auftritt von Sachsen-Anhalts Digitalministerium hämisch kommentiert: "Das ist deren verdammter Ernst"

"Das L in LSA steht für late to the party. Die eine Sache, die in diesem Bundesland hervorragend beherrscht wird."

"Land der Frühaufsteher, Innovation"

"Entweder sind die seeehr Late to the Party oder Twitter wird jetzt erst interessant weil faschistisch genug. Beides wäre sehr traurig."

"Besonders lustig, weil der neue Werbeslogan (nach Land der Frühaufsteher und Land der Reformation) #moderndenken ist. Modern denken, tja, wäre dringend nötig, würde ich sagen."

Auf Mastodon zeigen sich auch zwei Mitglieder von Sachsen-Anhalts Digitalrat verwundert, den das Digitalministerium erst im Mai einberufen hatte. Tobias Kremkau schreibt: "Es hätte sicher auch bessere Tage für ein neues Profil auf Twitter gegeben." Und Gerald Swarat nennt das neue Twitter-Konto "schon einigermaßen kurios".

Neu bei Twitter? Auf zu Mastodon!

Häme und Kritik sind berechtigt. Denn dass das Digitalministerium im Dezember 2022 einen Twitter-Konto neu anlegt, wirkt seltsam aus der Zeit gefallen. Es ist vermutlich eine der ganz, ganz wenigen öffentlichen Institutionen, die das in diesem Jahr getan hat. Denn viele andere machen die ersten Schritte auf Mastodon: Das Bundespresseamt, das Technische Hilfswerk, die Bundeswehr-Uni, das Bundesfinanzministerium oder der Ostbeauftragte der Bundesregierung.

Sachsen-Anhalts Digitalministerium ist auf Twitter gut vertreten: Ministerin Lydia Hüskens (FDP) und ihre beiden Staatssekretäre haben ihre Twitter-Konten seit mehr als zehn Jahren und zusammen mehr als 14.000 Follower. Die drei Politiker schreiben allerdings, ihre Konten seien privat. Das neue Konto des Ministeriums ist eindeutig nicht "privat". Es hat sogar Bürozeiten. Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr.

Für mich hat es sich noch nie erschlossen, wie ein öffentlicher Tweet privat sein kann. Das eigene Konto als "privat" zu kennzeichnen, ist bei Twitter aber häufig zu sehen und bedeutet wohl, dass eine Privatperson eine Meinung haben darf. Und dass sich diese Meinung auch von der des Arbeitgebers unterscheiden kann – viele Journalisten handhaben das bei Twitter so.

Lydia Hüskens, Vorsitzende der FDP Sachsen-Anhalt, steht am Eingang eines Bürogebäudes.
Sachsen-Anhalts Digitalministerin Lydia Hüskens (FDP) hat seit 2009 ein eigenes Twitter-Konto. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Peter Gercke

Aber auch die Twitter-Etikette muss man nicht kennen. Was aber jeder digitalpolitisch Interessierte wissen muss: Musks Twitter geht derzeit einfach nicht. Ich habe mich Ende November entschlossen, dort nichts mehr zu posten, zu teilen oder Herzchen zu vergeben – dem Netzwerk also keine Inhalte mehr zur Verfügung zustellen. Ob ich als Journalist dort ganz aussteigen kann, weiß ich nicht. Schließlich kann man dort schnell und unkompliziert spannende Expertinnen und Experten erreichen.

Sollen Ministerien also zu Mastodon gehen? Ja!

Es spricht schon lange nichts dagegen, auf mehreren Plattformen präsent zu sein. Jeder Smartphone-Nutzer darf sogar mehr als einen Messenger-Dienst nutzen (zum Beispiel Signal). Und bei Mastodon gibt es sogar Gründe, die unbedingt dafür sprechen, dort zu sein: Das Ganze ist in Deutschland entstanden. Sogar in Thüringen! Es gibt dort keine Werbung. Deshalb legt dort auch niemand Profile der Nutzer und Nutzerinnen an. Jaja, das ist Datenschutz.

Aber entscheidender für mich ist mittlerweile die digitale Souveränität! Sie ist immer politisch: So wie Deutschland von russischem Gas abhing, hängt unsere digitale Hardware von China und Taiwan ab und die Software von Konzernen aus den USA.

Ist es deshalb Zeit, Alternativen wenigstens zu testen? Ja, sage ich. Und auch Jana Dittmann, Informatik-Professorin an der Uni Magdeburg. Auch sie ist Mitglied im Digitalrat des Ministeriums: "Wir testen Mastodon gerade an der Uni und laden das Digitalministerium gern ein, mitzumachen und sich ein Konto anzulegen."

Und wenn ein Bundesland und ein Ministerium wollten, könnte es sogar Mastodon selbst zur Verfügung stellen. Sachsen-Anhalts Digitalministerium kann dann sogar sein Test-Konto von der Uni Magdeburg (inklusive der Nutzer) dorthin mitnehmen – völlig unvorstellbar derzeit bei Twitter, Facebook und Co.

Wie großartig bitte wäre also social.sachsen-anhalt.de? Noch großartiger fände ich allerdings social.mdr.de. Aber das ist nur meine Privatmeinung.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Über den Autor Marcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau, Fake News und IT-Angriffe. Außerdem ist er Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben".

MDR (Marcel Roth, Lucas Riemer)

1 Kommentar

Britta.Weber am 18.12.2022

Herr Roth lebt anscheinend in einer Parallelwelt. Seit Musk Twitter übernommen hat, hat sich dort viel zum Positiven verändert.
- Eine große Zahl an Pädophilenaccounts wurden gelöscht,
- Kritiker der Coronapolitik, die gesperrt wurden, dartuner viele prominente Wissenschaftler, sind wieder da,
- die für die einseitige Zensur Verantwortlichen wurden gefeuert, Klünkel dabei offengelegt.
- Einflussnahme der Demokraten in den USA auf die US-Wahl über Twitter aufgedeckt etc.
Musk hat Twitter ein gutes Stück Meinungsfreiheit zurückgegeben. Es ist klar, dass Denunziantenportale oder Personen aus dem linksgrünen Spektrum toben. Herr Roth und andere können sich gern bei Mastodon ansiedeln.

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