Junge Entscheidungsträger in der Politik Stadträtin aus Magdeburg: "Am Anfang habe ich mich etwas verloren gefühlt"

25. Juli 2020, 16:57 Uhr

Seit Donnerstag berichtet MDR SACHSEN-ANHALT über junge Entscheidungsträger in der Politik – und dass sie es oft nicht leicht haben, den Sprung in die Parlamente zu schaffen. Nadja Lösch hat es geschafft. Die 34-Jährige ist Stadträtin in Magdeburg. In Teil 4 des Themenschwerpunktes erzählt sie, welche Herausforderungen sie zu Beginn nehmen musste.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Mit dem Brexit-Referendum in Großbritannien fing alles an. Es war das Jahr 2016 und die Briten wollten die EU verlassen. Rumms. Das saß. Wenig später, Januar 2017: Donald Trump wird Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der nächste Schlag. Nadja Lösch saß damals in Magdeburg und beschloss, etwas zu ändern. Nicht die Wahl des US-Präsidenten – wie auch? – aber etwas vor Ort, zu Hause. "Damit die Welt nicht so bleibt", erzählt sie heute. 2017 fasst Nadja Lösch den Entschluss, sich parteipolitisch zu engagieren. Sie tritt in die Linke ein. "In meiner Heimat gab es Rot oder Braun", sagt die gebürtige Sächsin. "Ich war schon immer rot."

Knapp drei Jahre später sitzt die 34-Jährige in einem Café im Zentrum von Magdeburg und bestellt einen Kaffee. "Schwarz, bitte." Dazu ein Glas stilles Wasser. Die 34-Jährige hat ihren Entschluss, etwas verändern zu wollen, in die Realität umgesetzt. Donald Trump ist zwar immer noch US-Präsident. Doch auch Nadja Lösch ist aufgestiegen. Sie sitzt heute für die Linke im Stadtrat in Magdeburg.

Am Anfang fühlte sie sich "lost"

Altes Rathaus am Alten Markt in Magdeburg
Hier wird Politik gemacht: das Alte Rathaus in Magdeburg (Archivfoto) Bildrechte: imago/mm images/Kajo

MDR SACHSEN-ANHALT hat sie gebeten, ihre Geschichte zu erzählen – und die Frage zu beantworten, wie junge Menschen es schaffen können, politisch mitzubestimmen. Nadja Lösch ist jetzt seit gut einem Jahr eine junge Entscheidungsträgerin in der Politik, gewählt wurde sie bei der Kommunalwahl im Mai vorigen Jahres.

"Die ersten drei Monate habe ich mich schon etwas 'lost' gefühlt", sagt sie und schmunzelt. All die Abläufe im Stadtrat, all die Sitzungen, das viele Papier. Neuland für Menschen, die bislang nichts mit Kommunalpolitik zu tun hatten. Politik zu machen – das ist völlig anders, als Politik zu verfolgen. Doch Nadja Lösch wird "an die Hand genommen", wie sie sagt. Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion helfen ihr, sich einzufinden. Auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt hilft bei der Eingewöhnung.

Das ist Nadja Lösch

Nadja Lösch wurde 1986 in Sachsen geboren. Nach Magdeburg kam sie das erste Mal 2004 zum Studium. Bis 2007 lebte sie hier, war dann einige Jahre weg, seit 2011 ist die Landeshauptstadt wieder ihr Zuhause. Lösch arbeitet bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung als Regionalbetreuerin. Die 34-Jährige hat selbst zwei Kinder und liebt es, in ihrer Freizeit Podcasts zu hören – und zu lesen.

Wenn aus dem eigenen Antrag plötzlich Realität wird

Nadja Lösch ist familienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, außerdem zuständig für Gleichstellung. Fragt man sie, wie es so war, das erste Jahr als Stadträtin, dann sagt Nadja Lösch: "Es ist extrem spannend, es macht unglaublichen Spaß." Ihre Augen beginnen dann zu funkeln. Schön und bestärkend sei es, sagt sie, das eigene Wirken zu sehen. Wenn aus dem eigenen Antrag, die Stadt möge auch in offiziellen Dokumenten gendergerechte Sprache verwenden, plötzlich Realität wird – und in den Pressemitteilungen, Berichten und Tagesordnungen ein * nach dem anderen auftaucht.

Wer Nadja Lösch beobachtet, wie sie über ihr Ehrenamt spricht, hat den Eindruck, dass sie im Reinen mit sich ist. In den Stadtrat zu gehen? Würde sie jederzeit wieder machen, sagt sie und nippt an ihrem Kaffee. Zucker, Milch und der Keks neben der Tasse bleiben unberührt.

Kommunalwahl hat junge Gesichter in den Stadtrat gebracht

Nadja Lösch hat den Eindruck, dass die Kommunalwahl 2019 dem Magdeburger Stadtrat gut getan hat. "Weil wir eine rot-rot-grüne Mehrheit haben" – so viel Parteipolitik muss zwischendrin sein – "und weil es einen Generationenwechsel gegeben hat." Lösch sagt, dass vor allem die Grünen das Parlament verjüngt hätten, neben ihrer eigenen Fraktion natürlich. Dann noch die Vertreterin der Tierschutzallianz, ein paar junge CDU-Abgeordnete. "Der Rest ist schon Ü50", sagt Lösch. Aus ihren Worten hört man heraus, dass die Richtung trotzdem stimmt.

Von den Argumenten einzelner Parteien, wonach es doch ältere Abgeordnete brauche, damit die ihre Erfahrung an die Jüngeren weitergeben könnten, hält Nadja Lösch nicht allzu viel. "Erfahrung ist keine Sache des Alters", sagt sie. "Auch junge Politikerinnen und Politiker können Erfahrung haben." Außerdem sei ehrenamtliches Engagement im Stadtrat nichts, das man nicht lernen könnte.

Das klingt, als sollten die älteren Politikerinnen und Politiker sagen, wie sie es machen – damit die Jüngeren genau so weitermachen.

Nadja Lösch, Stadträtin auf die Frage, ob es eine Mischung aus älteren und jüngeren Abgeordneten braucht

Als Nadja Lösch 2017 in die Partei eintrat, hatte sie eigentlich nicht vor, später mal ein Mandat zu übernehmen. Doch wie das eben ist: Wer sich engagiert und bemerkbar gemacht hat, wird irgendwann auch gefragt – so hat sie das erlebt. Wurden ihr parteiintern mal Steine in den Weg gelegt? Lösch denkt einige Sekunden nach. "Nein", sagt sie dann – und schiebt hinterher, dass es sicherlich auch in ihrer Partei Grabenkämpfe gebe. Selbst gespürt habe sie die noch nicht, sagt sie.

Dem Nachwuchs rät sie: Geduld mit sich selbst haben!

Hat sie vielleicht einen Tipp für den aufstrebenden politischen Nachwuchs? "Dafür fühle ich mich selbst fast noch zu neu." Doch Nadja Lösch sagt dann noch etwas: "Geduld mit sich selbst haben. Und keine Angst davor, etwas falsch zu machen." Wer etwas falsch mache, werde schon darauf hingewiesen, sagt sie und lächelt. Dann steigt sie auf ihr Fahrrad und fährt los. Im Stadtrat ist jetzt erst einmal Sommerpause.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Luca Deutschländer arbeitet seit Januar 2016 bei MDR SACHSEN-ANHALT – in der Online-Redaktion und im Hörfunk. Seine Schwerpunkte sind Themen aus Politik und Gesellschaft. Bevor er zu MDR SACHSEN-ANHALT kam, hat der gebürtige Hesse bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine in Kassel gearbeitet. Während des Journalistik-Studiums in Magdeburg Praktika bei dpa, Hessischem Rundfunk, Süddeutsche.de und dem Kindermagazin "Dein Spiegel". Seine Lieblingsorte in Sachsen-Anhalt sind das Schleinufer in Magdeburg und der Saaleradweg – besonders rund um Naumburg. In seiner Freizeit steht er mit Leidenschaft auf der Theaterbühne.

Quelle: MDR/ld

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. Juli 2020 | 12:00 Uhr

12 Kommentare

Eulenspiegel am 27.07.2020

Also ich denke dabei der Auslöser der dazu führt das es bei einer Person klick mach ist eigentlich nicht so wichtig. Wichtig ist eigentlich nur das es klick macht. Das diese Person zu der Erkenntnis kommt das sie sich einsetzen will. Weiter grundsätzlich gilt das Politiker in fast allen Sachgebieten über die sie Endscheidungen fällen Leihen sind. Das geht ja auch gar nicht anders. Politiker müssen sich somit in neuen Sachgebieten und Problematiken einarbeiten. Schließlich gibt es kein Politiker-Diplom. Dies gilt natürlich auch für dies junge Frau. Ich denke sie bringt neue Aspekte in den Magdeburger Stadtrat. Und genau davor haben einige Leute ja wohl richtig Angst. Dabei ist genau das so dringend notwendig.

Eulenspiegel am 27.07.2020

Hallo Wachtmeister
Ich denke sich zum tot sein bekennen das hat in der kapitalistischen BRD eine völlig andere Bedeutung als in der kommunistischen DDR. Darüber sollten sie mal nachdenken.

Britta.Weber am 26.07.2020

Da mein Komentar zum Thema unter einem anderen Artikel nicht freigeschaltet wurde, versuche ich es hier noch einmal. Ich bevorzuge politische Entscheidungsträger, die über Lebenserfahrung verfügen, eine Familie haben und einen "echten" Beruf ausgeübt haben. Dies sind für mich Voraussetzungen, um Entscheidungen zu fällen, die viele Menschen und unsere Kinder und Enkel betreffen.
Nach den Äußerungen von Frau Lösch (was gegen Trump tun, gendergerechte Sprache, es gab nur rot oder braun) bin ich der Meinung, dass sie diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Da ziehe ich einen "alten weißen Mann" vor.

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