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Oliver Kirchner, Fraktionsvorsitzender der AfD, spricht im Landtag. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Ronny Hartmann

FalschbehauptungenAfD-Fraktionschef machte mit fragwürdigen Zitaten Stimmung gegen Ukraine

11. Oktober 2022, 10:44 Uhr

Nahezu alle EU-Hilfen sollen in der Ukraine gestohlen oder veruntreut worden sein. Das behauptet Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef zuletzt mehrfach auf Demonstrationen. Er sei auch deshalb gegen Hilfen für das von Russland angegriffene Land. Zwar kämpft die Ukraine mit Korruption, doch der Bericht, auf den sich Kirchner beruft, existiert gar nicht. Auch andere Angaben sind falsch.

Was der AfD-Politiker Oliver Kirchner sagt, hat ein gewisses Gewicht. Kirchner ist Vorsitzender der zweitgrößten Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt und spricht als solcher regelmäßig auf Demonstrationen zur Energie- und Russlandpolitik. Ein Punkt, gegen den sich Kirchner dabei wiederholt wendet: die Unterstützung für die Ukraine im laufenden Angriffskrieg gegen das Land.

Angeblicher Bericht über gestohlene EU-Hilfen existiert nicht

So auch am 26. September in Querfurt und am 3. Oktober in Magdeburg. Vor Hunderten beziehungsweise Tausenden Demonstrierenden behauptete Kirchner, von EU-Hilfen im Wert von 360 Millionen Euro seien in der Ukraine mindestens 342 Millionen Euro gestohlen worden. Weitere 55 Millionen Euro sollen zudem veruntreut worden sein. Kirchner berief sich dabei auf einen angeblichen Bericht der GRECO, der Staaten-Gruppe gegen Korruption. Die hat solche Aussagen allerdings nie getätigt.

Bei der GRECO handelt es sich um ein Gremium des Europarates. Auch Deutschland gehört der Staaten-Gruppe an, die regelmäßig Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in ihren 50 Mitgliedsstaaten untersucht. Der letzte Bericht zur Ukraine wurde allerdings 2021 und damit vor Kriegsbeginn fertiggestellt. Neuere Aussagen der GRECO zur derzeitigen Situation existieren nicht. Die dpa kam bei einem Faktencheck zu dem Fazit, der angebliche Bericht sei "frei erfunden". Auch die Höhe der geleisteten EU-Hilfen ist eine andere als von Kirchner vorgetragen.

Auf die von ihm verbreiteten Falschbehauptungen angesprochen, sagte Kirchner am Montag, er habe es "so gelesen". Länder wie die Ukraine, aber auch Russland seien "hoch korrupt". Das belegen neben seinen persönlichen Reise-Erfahrungen auch Organisationen wie Transparency International.

Tatsächlich weist ein Index von Transparency International für das Jahr 2021 sowohl für Russland als auch die Ukraine eine hohe wahrgenommene Korruption aus. Ein Beleg für die Veruntreuung von Hilfen im aktuellen Krieg ist das allerdings nicht.

In anderen, auch von Kirchner genannten Fällen möglicher Veruntreuung laufen noch Ermittlungen. Bei den verwendeten Zahlen handelt es sich laut dpa um "keine gesicherten Angaben".

Falschbehauptung tauchte wohl erstmals in "alternativen" Medien auf

Kirchner nannte keine Quelle für seine Informationen. Die Falschbehauptungen über den Bericht und die ungenauen weiteren Angaben hatten zunächst mehrere, teils rechtsgerichtete, "alternative" Medien aus Deutschland und Österreich verbreitet. Das Magazin, das Mitte September offenbar als Erstes die Angaben in Umlauf brachte, hat in der Vergangenheit bereits Falschbehauptungen verbreitet. Zu diesem Schluss kam das Recherche-Medium "Correctiv".

AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner sagte über eine mögliche, tiefere Vorab-Prüfung der von ihm wiederholten Aussagen: "Vielleicht hätte man das machen sollen." Während seiner Rede am vergangenen Montag in Magdeburg wiederholte er die fraglichen Aussagen nicht. An seiner Ablehnung für Ukraine-Hilfen hielt er aber fest.

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MDR (Thomas Vorreyer)/dpa

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